besondere Capelle, kurz, um Alles in Allem zu sagen, die Ge- meinden haben sich sehr oft nicht nach der Gemeinsamkeit der Kirche, sondern der Guts- und Schutzherren gebildet, und sind oft auch aus diesen und anderen Gründen zu verschiedenen Äm- tern geschlagen. Im Ganzen bildet diesseits der Haide die Ge- markung die Einheit der Gemeinheit, nach der ursprünglichen Ausrodung oder Ansiedelung, wie die Localität zwischen den Ber- gen unzweifelhaft ergiebt. -- -- Zu einer durchgreifenden legis- lativen Veränderung in dieser Hinsicht ist jetzt die Zeit viel zu empfindlich; man würde den Bauern recht eigentlich in seinem Neste angreifen und die Vortheile sind bei weitem nicht groß genug dazu, und darauf kommt doch Alles an! Dieß möge man auch im Hannöverschen wohl bedenken, wenn es etwa zu einer allgemeinen Gemeinde-Ordnung kommen sollte. -- Die Schulbezirke fallen dagegen bei den Dörfern in Mittel- und Oberdeutschland fast immer mit dem Gemeindeverbande zusam- men, obgleich die Ausnahmen in manchen Districten auch nicht selten sind."
250. Wenn die Landgemeinde klein ist, bedarf es kei- ner besonders gewählten Vertreter. Zwanzig Bauern im Dorf, alle Theilnehmer der Feldmark, machen selber die Vorsteher, wählen den Schulzen und ein Paar Gehülfen die er braucht, immerhin auf 6 Jahre, nie auf Lebens- lang, denn die Landobrigkeit muß rüstig und rührig seyn. Die Staatsbehörde beglaubigt den Schulzen, denn so wird er, hoffen wir, lieber als Bürgermeister heißen. Wo indeß das Dorf größer ist oder mehrere Bauerschaften und Weiler vereinigt sind, da bedarf es der gewählten Dorfvorsteher und da wird man denn auch die bloß mit Häusern angesessenen Handwerker zuziehen, sey's bloß zum Wahlrecht oder auch zur Wählbarkeit. Das Gemeindege- schäft der Vorsteher und ihrer Obern ist nun die Beauf- sichtigung alles dessen was in dem Plane der Ackerwirth-
Zehntes Capitel.
beſondere Capelle, kurz, um Alles in Allem zu ſagen, die Ge- meinden haben ſich ſehr oft nicht nach der Gemeinſamkeit der Kirche, ſondern der Guts- und Schutzherren gebildet, und ſind oft auch aus dieſen und anderen Gruͤnden zu verſchiedenen Äm- tern geſchlagen. Im Ganzen bildet diesſeits der Haide die Ge- markung die Einheit der Gemeinheit, nach der urſpruͤnglichen Ausrodung oder Anſiedelung, wie die Localitaͤt zwiſchen den Ber- gen unzweifelhaft ergiebt. — — Zu einer durchgreifenden legis- lativen Veraͤnderung in dieſer Hinſicht iſt jetzt die Zeit viel zu empfindlich; man wuͤrde den Bauern recht eigentlich in ſeinem Neſte angreifen und die Vortheile ſind bei weitem nicht groß genug dazu, und darauf kommt doch Alles an! Dieß moͤge man auch im Hannoͤverſchen wohl bedenken, wenn es etwa zu einer allgemeinen Gemeinde-Ordnung kommen ſollte. — Die Schulbezirke fallen dagegen bei den Doͤrfern in Mittel- und Oberdeutſchland faſt immer mit dem Gemeindeverbande zuſam- men, obgleich die Ausnahmen in manchen Diſtricten auch nicht ſelten ſind.”
250. Wenn die Landgemeinde klein iſt, bedarf es kei- ner beſonders gewaͤhlten Vertreter. Zwanzig Bauern im Dorf, alle Theilnehmer der Feldmark, machen ſelber die Vorſteher, waͤhlen den Schulzen und ein Paar Gehuͤlfen die er braucht, immerhin auf 6 Jahre, nie auf Lebens- lang, denn die Landobrigkeit muß ruͤſtig und ruͤhrig ſeyn. Die Staatsbehoͤrde beglaubigt den Schulzen, denn ſo wird er, hoffen wir, lieber als Buͤrgermeiſter heißen. Wo indeß das Dorf groͤßer iſt oder mehrere Bauerſchaften und Weiler vereinigt ſind, da bedarf es der gewaͤhlten Dorfvorſteher und da wird man denn auch die bloß mit Haͤuſern angeſeſſenen Handwerker zuziehen, ſey’s bloß zum Wahlrecht oder auch zur Waͤhlbarkeit. Das Gemeindege- ſchaͤft der Vorſteher und ihrer Obern iſt nun die Beauf- ſichtigung alles deſſen was in dem Plane der Ackerwirth-
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Zehntes Capitel.
beſondere Capelle, kurz, um Alles in Allem zu ſagen, die Ge-
meinden haben ſich ſehr oft nicht nach der Gemeinſamkeit der
Kirche, ſondern der Guts- und Schutzherren gebildet, und ſind
oft auch aus dieſen und anderen Gruͤnden zu verſchiedenen Äm-
tern geſchlagen. Im Ganzen bildet diesſeits der Haide die Ge-
markung die Einheit der Gemeinheit, nach der urſpruͤnglichen
Ausrodung oder Anſiedelung, wie die Localitaͤt zwiſchen den Ber-
gen unzweifelhaft ergiebt. — — Zu einer durchgreifenden legis-
lativen Veraͤnderung in dieſer Hinſicht iſt jetzt die Zeit viel zu
empfindlich; man wuͤrde den Bauern recht eigentlich in ſeinem
Neſte angreifen und die Vortheile ſind bei weitem nicht groß
genug dazu, und darauf kommt doch Alles an! Dieß moͤge
man auch im Hannoͤverſchen wohl bedenken, wenn es etwa zu
einer allgemeinen Gemeinde-Ordnung kommen ſollte. — Die
Schulbezirke fallen dagegen bei den Doͤrfern in Mittel- und
Oberdeutſchland faſt immer mit dem Gemeindeverbande zuſam-
men, obgleich die Ausnahmen in manchen Diſtricten auch nicht
ſelten ſind.”
250. Wenn die Landgemeinde klein iſt, bedarf es kei-
ner beſonders gewaͤhlten Vertreter. Zwanzig Bauern im
Dorf, alle Theilnehmer der Feldmark, machen ſelber die
Vorſteher, waͤhlen den Schulzen und ein Paar Gehuͤlfen
die er braucht, immerhin auf 6 Jahre, nie auf Lebens-
lang, denn die Landobrigkeit muß ruͤſtig und ruͤhrig ſeyn.
Die Staatsbehoͤrde beglaubigt den Schulzen, denn ſo wird
er, hoffen wir, lieber als Buͤrgermeiſter heißen. Wo
indeß das Dorf groͤßer iſt oder mehrere Bauerſchaften
und Weiler vereinigt ſind, da bedarf es der gewaͤhlten
Dorfvorſteher und da wird man denn auch die bloß mit
Haͤuſern angeſeſſenen Handwerker zuziehen, ſey’s bloß zum
Wahlrecht oder auch zur Waͤhlbarkeit. Das Gemeindege-
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/254>, abgerufen am 22.11.2024.
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