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Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

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Zwölftes Capitel.
Saaten Gedeihen schenken oder sie in Miswachs bringen,
die Sonne, die Elemente, auch die höheren Kräfte, die
der Menschen Herzen mit Hoffnung erleuchten oder sie fin-
ster machen, ihren Unternehmungen Gelingen oder Mis-
lingen geben; denn seine Bedürftigkeit fühlt überall der
Mensch. Die zweite soll was in des Menschen Macht steht
durch dauernde Übung stählen für die Stunde der Gefahr
gegen äußere und innere Feinde. Zwischen beiden Gebie-
ten bewegen sich wenige und einfache Bildungsmittel der
Seelenanlagen als Vermittler. Durch den Leib ward auch
die Seele stark gemacht. Jede Entbehrung, jede Unbill
der Elemente freudig erproben war Pflicht. Jagd auf Thiere,
Jagd auf Sclaven, Alles zu seiner Zeit, auch den eigenen
Mitbürgern durch Schlauheit den Unterhalt abzujagen,
eben wie man sich die Frau stahl, waren die Ziele des
Wetteifers der Jugend. Ihre mildere Freude war der Faust-
kampf, der Tanz zur Lyra und zur Flöte, der Gesang zu
der Tapfern und der Götter Ehren. Wenige lasen oder
übten Schrift, die Gesetze lernte man frühe als Denksprüche
auswendig, wie wir Bibelsprüche, und behielt sie in steter
Übung. Die Grundansicht war, die Spartiaten so zu bil-
den, daß sie die Besten im Staate und Einer wie der An-
dere wären. Die übrigen Einwohner, Freie und Knechte,
wollte man nutzbar, hervorragende Tüchtigkeit an ihnen
in Krieg und Frieden ward aus demselben Grunde gefürch-
tet, aus welchem man heutzutage in Virginien verbietet,
einen Sclaven lesen zu lehren. Aber auch den Spartanern
selber kam von den Erfordernissen, welche Aristoteles in der
Metaphysik als die Basis höherer Bildung aufstellt: der herr-
schende Stamm seyn und Muße haben
, nur die er-
stere zu Gute. Die Arbeit für die Erhaltung ihrer Gewalt-
herrschaft nahm ihnen die Muße, welche der Musen Mutter ist.

Zwoͤlftes Capitel.
Saaten Gedeihen ſchenken oder ſie in Miswachs bringen,
die Sonne, die Elemente, auch die hoͤheren Kraͤfte, die
der Menſchen Herzen mit Hoffnung erleuchten oder ſie fin-
ſter machen, ihren Unternehmungen Gelingen oder Mis-
lingen geben; denn ſeine Beduͤrftigkeit fuͤhlt uͤberall der
Menſch. Die zweite ſoll was in des Menſchen Macht ſteht
durch dauernde Übung ſtaͤhlen fuͤr die Stunde der Gefahr
gegen aͤußere und innere Feinde. Zwiſchen beiden Gebie-
ten bewegen ſich wenige und einfache Bildungsmittel der
Seelenanlagen als Vermittler. Durch den Leib ward auch
die Seele ſtark gemacht. Jede Entbehrung, jede Unbill
der Elemente freudig erproben war Pflicht. Jagd auf Thiere,
Jagd auf Sclaven, Alles zu ſeiner Zeit, auch den eigenen
Mitbuͤrgern durch Schlauheit den Unterhalt abzujagen,
eben wie man ſich die Frau ſtahl, waren die Ziele des
Wetteifers der Jugend. Ihre mildere Freude war der Fauſt-
kampf, der Tanz zur Lyra und zur Floͤte, der Geſang zu
der Tapfern und der Goͤtter Ehren. Wenige laſen oder
uͤbten Schrift, die Geſetze lernte man fruͤhe als Denkſpruͤche
auswendig, wie wir Bibelſpruͤche, und behielt ſie in ſteter
Übung. Die Grundanſicht war, die Spartiaten ſo zu bil-
den, daß ſie die Beſten im Staate und Einer wie der An-
dere waͤren. Die uͤbrigen Einwohner, Freie und Knechte,
wollte man nutzbar, hervorragende Tuͤchtigkeit an ihnen
in Krieg und Frieden ward aus demſelben Grunde gefuͤrch-
tet, aus welchem man heutzutage in Virginien verbietet,
einen Sclaven leſen zu lehren. Aber auch den Spartanern
ſelber kam von den Erforderniſſen, welche Ariſtoteles in der
Metaphyſik als die Baſis hoͤherer Bildung aufſtellt: der herr-
ſchende Stamm ſeyn und Muße haben
, nur die er-
ſtere zu Gute. Die Arbeit fuͤr die Erhaltung ihrer Gewalt-
herrſchaft nahm ihnen die Muße, welche der Muſen Mutter iſt.

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[258/0270] Zwoͤlftes Capitel. Saaten Gedeihen ſchenken oder ſie in Miswachs bringen, die Sonne, die Elemente, auch die hoͤheren Kraͤfte, die der Menſchen Herzen mit Hoffnung erleuchten oder ſie fin- ſter machen, ihren Unternehmungen Gelingen oder Mis- lingen geben; denn ſeine Beduͤrftigkeit fuͤhlt uͤberall der Menſch. Die zweite ſoll was in des Menſchen Macht ſteht durch dauernde Übung ſtaͤhlen fuͤr die Stunde der Gefahr gegen aͤußere und innere Feinde. Zwiſchen beiden Gebie- ten bewegen ſich wenige und einfache Bildungsmittel der Seelenanlagen als Vermittler. Durch den Leib ward auch die Seele ſtark gemacht. Jede Entbehrung, jede Unbill der Elemente freudig erproben war Pflicht. Jagd auf Thiere, Jagd auf Sclaven, Alles zu ſeiner Zeit, auch den eigenen Mitbuͤrgern durch Schlauheit den Unterhalt abzujagen, eben wie man ſich die Frau ſtahl, waren die Ziele des Wetteifers der Jugend. Ihre mildere Freude war der Fauſt- kampf, der Tanz zur Lyra und zur Floͤte, der Geſang zu der Tapfern und der Goͤtter Ehren. Wenige laſen oder uͤbten Schrift, die Geſetze lernte man fruͤhe als Denkſpruͤche auswendig, wie wir Bibelſpruͤche, und behielt ſie in ſteter Übung. Die Grundanſicht war, die Spartiaten ſo zu bil- den, daß ſie die Beſten im Staate und Einer wie der An- dere waͤren. Die uͤbrigen Einwohner, Freie und Knechte, wollte man nutzbar, hervorragende Tuͤchtigkeit an ihnen in Krieg und Frieden ward aus demſelben Grunde gefuͤrch- tet, aus welchem man heutzutage in Virginien verbietet, einen Sclaven leſen zu lehren. Aber auch den Spartanern ſelber kam von den Erforderniſſen, welche Ariſtoteles in der Metaphyſik als die Baſis hoͤherer Bildung aufſtellt: der herr- ſchende Stamm ſeyn und Muße haben, nur die er- ſtere zu Gute. Die Arbeit fuͤr die Erhaltung ihrer Gewalt- herrſchaft nahm ihnen die Muße, welche der Muſen Mutter iſt.

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/270>, abgerufen am 22.11.2024.