Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Zwölftes Capitel. sind gerade dadurch so schwierig und vor der Hand ge-wissermaaßen unabsehlig geworden. Die Macht dieser Grund- sätze wirkt aber, obwohl allein dem Auge des Geistes sicht- bar, so unwiderstehlich, daß es lediglich darauf ankommt, ihre Resultate, so wie sie erscheinen, stufenweise in den Staatsbau einzugliedern; sie würden den Staat mit sich fortreißen, der mit ihnen den ungleichen Kampf des Wi- derstandes begönne, wenn auch der Finanzminister nicht einspräche. Darum ist das Oben und das Unten unseres Bildungsganges von dem des Alterthums unterschieden. Nach beiden Seiten ist unsre Mühe größer. Die höhere Bildung jeder Art wird auf der mühseligen Bahn sehr ver- zweigter Studien erworben und die unteren Classen sind an harte Arbeit des Tagelohns und Handwerks gebunden, welche der freie Grieche und Römer in Sclaven-Hände legte. 264. Am auffallendsten ist an unserm Bildungswege Zwoͤlftes Capitel. ſind gerade dadurch ſo ſchwierig und vor der Hand ge-wiſſermaaßen unabſehlig geworden. Die Macht dieſer Grund- ſaͤtze wirkt aber, obwohl allein dem Auge des Geiſtes ſicht- bar, ſo unwiderſtehlich, daß es lediglich darauf ankommt, ihre Reſultate, ſo wie ſie erſcheinen, ſtufenweiſe in den Staatsbau einzugliedern; ſie wuͤrden den Staat mit ſich fortreißen, der mit ihnen den ungleichen Kampf des Wi- derſtandes begoͤnne, wenn auch der Finanzminiſter nicht einſpraͤche. Darum iſt das Oben und das Unten unſeres Bildungsganges von dem des Alterthums unterſchieden. Nach beiden Seiten iſt unſre Muͤhe groͤßer. Die hoͤhere Bildung jeder Art wird auf der muͤhſeligen Bahn ſehr ver- zweigter Studien erworben und die unteren Claſſen ſind an harte Arbeit des Tagelohns und Handwerks gebunden, welche der freie Grieche und Roͤmer in Sclaven-Haͤnde legte. 264. Am auffallendſten iſt an unſerm Bildungswege <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0272" n="260"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zwoͤlftes Capitel</hi>.</fw><lb/> ſind gerade dadurch ſo ſchwierig und vor der Hand ge-<lb/> wiſſermaaßen unabſehlig geworden. Die Macht dieſer Grund-<lb/> ſaͤtze wirkt aber, obwohl allein dem Auge des Geiſtes ſicht-<lb/> bar, ſo unwiderſtehlich, daß es lediglich darauf ankommt,<lb/> ihre Reſultate, ſo wie ſie erſcheinen, ſtufenweiſe in den<lb/> Staatsbau einzugliedern; ſie wuͤrden den Staat mit ſich<lb/> fortreißen, der mit ihnen den ungleichen Kampf des Wi-<lb/> derſtandes begoͤnne, wenn auch der Finanzminiſter nicht<lb/> einſpraͤche. Darum iſt das Oben und das Unten unſeres<lb/> Bildungsganges von dem des Alterthums unterſchieden.<lb/> Nach beiden Seiten iſt unſre Muͤhe groͤßer. Die hoͤhere<lb/> Bildung jeder Art wird auf der muͤhſeligen Bahn ſehr ver-<lb/> zweigter Studien erworben und die unteren Claſſen ſind<lb/> an harte Arbeit des Tagelohns und Handwerks gebunden,<lb/> welche der freie Grieche und Roͤmer in Sclaven-Haͤnde legte.</p><lb/> <p>264. Am auffallendſten iſt an unſerm Bildungswege<lb/> die Nothwendigkeit vieler Sprachen, beſonders der todten.<lb/> Sogar die Religion iſt aus Buͤchern in zwei fremden<lb/> Sprachen zu erlernen; eben ſo unſere Jurisprudenz. Es<lb/> iſt kaum zu ſagen, wie weit das fuͤhrt in der Muͤhe und<lb/> in ihrem Lohne. Der Knabe bekommt an der Schale der<lb/> alten Sprache nagend, die erſte Ahndung vom Suͤndenfalle<lb/> und daneben hat Karl <hi rendition="#aq">V.</hi> doch darin Recht, daß der Menſch<lb/> ſo viele Seelen hat als er Sprachen verſteht, was wieder<lb/> freilich ſeine doppelte Seite hat. Die Sprache iſt das Or-<lb/> gan des Denkens, es denkt ſich nicht ohne ſie, geſchweige<lb/> denn daß ſich die Theilung der Arbeit verſuchen laſſe, ver-<lb/> moͤge welcher man Gedanken giebt und wieder empfaͤngt.<lb/> Eine Sprache aus dem Grunde lernen heißt denken lernen;<lb/> die Naturgeſchichte mehrerer Sprachen vergleichen koͤnnen,<lb/> lehrt von dem Innern der Voͤlker verſtehen was in keiner<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [260/0272]
Zwoͤlftes Capitel.
ſind gerade dadurch ſo ſchwierig und vor der Hand ge-
wiſſermaaßen unabſehlig geworden. Die Macht dieſer Grund-
ſaͤtze wirkt aber, obwohl allein dem Auge des Geiſtes ſicht-
bar, ſo unwiderſtehlich, daß es lediglich darauf ankommt,
ihre Reſultate, ſo wie ſie erſcheinen, ſtufenweiſe in den
Staatsbau einzugliedern; ſie wuͤrden den Staat mit ſich
fortreißen, der mit ihnen den ungleichen Kampf des Wi-
derſtandes begoͤnne, wenn auch der Finanzminiſter nicht
einſpraͤche. Darum iſt das Oben und das Unten unſeres
Bildungsganges von dem des Alterthums unterſchieden.
Nach beiden Seiten iſt unſre Muͤhe groͤßer. Die hoͤhere
Bildung jeder Art wird auf der muͤhſeligen Bahn ſehr ver-
zweigter Studien erworben und die unteren Claſſen ſind
an harte Arbeit des Tagelohns und Handwerks gebunden,
welche der freie Grieche und Roͤmer in Sclaven-Haͤnde legte.
264. Am auffallendſten iſt an unſerm Bildungswege
die Nothwendigkeit vieler Sprachen, beſonders der todten.
Sogar die Religion iſt aus Buͤchern in zwei fremden
Sprachen zu erlernen; eben ſo unſere Jurisprudenz. Es
iſt kaum zu ſagen, wie weit das fuͤhrt in der Muͤhe und
in ihrem Lohne. Der Knabe bekommt an der Schale der
alten Sprache nagend, die erſte Ahndung vom Suͤndenfalle
und daneben hat Karl V. doch darin Recht, daß der Menſch
ſo viele Seelen hat als er Sprachen verſteht, was wieder
freilich ſeine doppelte Seite hat. Die Sprache iſt das Or-
gan des Denkens, es denkt ſich nicht ohne ſie, geſchweige
denn daß ſich die Theilung der Arbeit verſuchen laſſe, ver-
moͤge welcher man Gedanken giebt und wieder empfaͤngt.
Eine Sprache aus dem Grunde lernen heißt denken lernen;
die Naturgeſchichte mehrerer Sprachen vergleichen koͤnnen,
lehrt von dem Innern der Voͤlker verſtehen was in keiner
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |