Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.V. Unterricht d. Unerwachsenen, od. v. Schulwesen. zu Zeitersparung, Wohlfeilheit, und Manchem empfiehltsich vielleicht auch die ihm eigene soldatische Subordina- tion. Wirklich scheint diese Methode Empfehlung in den Landen zu verdienen, wo für Elementarschulen wenig ge- than ist wie in einem großen Theile von Großbritannien, von Frankreich1) und besonders in Rußland und dem früher Spanischen America, weil es gut ist daß lesen, schreiben, rechnen verbreitet werde da wohin es sonst nicht käme. Wo auf Massen mit wenigen Mitteln in der kürzesten Zeit gewirkt werden soll, da ist Mechanik die einzige Methode. Allein wenn man früher die spielenden Unterrichtsmethoden zu bekämpfen hatte, so bekämpfe man jetzt mit allem Ernste die mechanischen, mögen sie Jacotot, Hamilton oder Bell- Lancaster heißen; denn zweckwidriger könnte wohl nichts seyn als was wir doch erlebt haben, die Zerrüttung eines verständig geordneten, nur zu kostspieligen Land-Schul- wesens, um mit neuen Kosten diese summende, schnurrende Wechselseitigkeit einzuführen. Der wahre Menschenfreund wird mit dem Unterrichte auch der untersten Volksclassen nicht bloß den nächsten praktischen Nutzen erzielen, sondern erhöhte Geistesthätigkeit und dadurch Sitte. Nur einer begünstigten Minderzahl im Volke ist es vergönnt sich mit freierer Muße der Arbeit höherer Bildung zu widmen. Wo nun die Muße sich von freien Stücken Gedanken-Arbeit schafft, wo nothwendige Arbeitsamkeit sich stärker anspannt, um einige Mußestunden zu gebildetem Genusse zu gewin- nen, da hat Jugendbildung gewaltet. Keine Tugend wird in geniesüchtiger Zeit mehr verkannt und modischer her- abgewürdigt als jene edle Beharrlichkeit, welche die Mut- ter freier Arbeitsamkeit ist. Newton ward gefragt, wo- durch er die Gesetze der Natur gefunden? Er antwortete: durch große Arbeit und Geduld. Buffon definirt sogar 18*
V. Unterricht d. Unerwachſenen, od. v. Schulweſen. zu Zeiterſparung, Wohlfeilheit, und Manchem empfiehltſich vielleicht auch die ihm eigene ſoldatiſche Subordina- tion. Wirklich ſcheint dieſe Methode Empfehlung in den Landen zu verdienen, wo fuͤr Elementarſchulen wenig ge- than iſt wie in einem großen Theile von Großbritannien, von Frankreich1) und beſonders in Rußland und dem fruͤher Spaniſchen America, weil es gut iſt daß leſen, ſchreiben, rechnen verbreitet werde da wohin es ſonſt nicht kaͤme. Wo auf Maſſen mit wenigen Mitteln in der kuͤrzeſten Zeit gewirkt werden ſoll, da iſt Mechanik die einzige Methode. Allein wenn man fruͤher die ſpielenden Unterrichtsmethoden zu bekaͤmpfen hatte, ſo bekaͤmpfe man jetzt mit allem Ernſte die mechaniſchen, moͤgen ſie Jacotot, Hamilton oder Bell- Lancaſter heißen; denn zweckwidriger koͤnnte wohl nichts ſeyn als was wir doch erlebt haben, die Zerruͤttung eines verſtaͤndig geordneten, nur zu koſtſpieligen Land-Schul- weſens, um mit neuen Koſten dieſe ſummende, ſchnurrende Wechſelſeitigkeit einzufuͤhren. Der wahre Menſchenfreund wird mit dem Unterrichte auch der unterſten Volksclaſſen nicht bloß den naͤchſten praktiſchen Nutzen erzielen, ſondern erhoͤhte Geiſtesthaͤtigkeit und dadurch Sitte. Nur einer beguͤnſtigten Minderzahl im Volke iſt es vergoͤnnt ſich mit freierer Muße der Arbeit hoͤherer Bildung zu widmen. Wo nun die Muße ſich von freien Stuͤcken Gedanken-Arbeit ſchafft, wo nothwendige Arbeitſamkeit ſich ſtaͤrker anſpannt, um einige Mußeſtunden zu gebildetem Genuſſe zu gewin- nen, da hat Jugendbildung gewaltet. Keine Tugend wird in genieſuͤchtiger Zeit mehr verkannt und modiſcher her- abgewuͤrdigt als jene edle Beharrlichkeit, welche die Mut- ter freier Arbeitſamkeit iſt. Newton ward gefragt, wo- durch er die Geſetze der Natur gefunden? Er antwortete: durch große Arbeit und Geduld. Buffon definirt ſogar 18*
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V. Unterricht d. Unerwachſenen, od. v. Schulweſen.
zu Zeiterſparung, Wohlfeilheit, und Manchem empfiehlt
ſich vielleicht auch die ihm eigene ſoldatiſche Subordina-
tion. Wirklich ſcheint dieſe Methode Empfehlung in den
Landen zu verdienen, wo fuͤr Elementarſchulen wenig ge-
than iſt wie in einem großen Theile von Großbritannien,
von Frankreich1) und beſonders in Rußland und dem fruͤher
Spaniſchen America, weil es gut iſt daß leſen, ſchreiben,
rechnen verbreitet werde da wohin es ſonſt nicht kaͤme.
Wo auf Maſſen mit wenigen Mitteln in der kuͤrzeſten Zeit
gewirkt werden ſoll, da iſt Mechanik die einzige Methode.
Allein wenn man fruͤher die ſpielenden Unterrichtsmethoden
zu bekaͤmpfen hatte, ſo bekaͤmpfe man jetzt mit allem Ernſte
die mechaniſchen, moͤgen ſie Jacotot, Hamilton oder Bell-
Lancaſter heißen; denn zweckwidriger koͤnnte wohl nichts
ſeyn als was wir doch erlebt haben, die Zerruͤttung eines
verſtaͤndig geordneten, nur zu koſtſpieligen Land-Schul-
weſens, um mit neuen Koſten dieſe ſummende, ſchnurrende
Wechſelſeitigkeit einzufuͤhren. Der wahre Menſchenfreund
wird mit dem Unterrichte auch der unterſten Volksclaſſen
nicht bloß den naͤchſten praktiſchen Nutzen erzielen, ſondern
erhoͤhte Geiſtesthaͤtigkeit und dadurch Sitte. Nur einer
beguͤnſtigten Minderzahl im Volke iſt es vergoͤnnt ſich mit
freierer Muße der Arbeit hoͤherer Bildung zu widmen. Wo
nun die Muße ſich von freien Stuͤcken Gedanken-Arbeit
ſchafft, wo nothwendige Arbeitſamkeit ſich ſtaͤrker anſpannt,
um einige Mußeſtunden zu gebildetem Genuſſe zu gewin-
nen, da hat Jugendbildung gewaltet. Keine Tugend wird
in genieſuͤchtiger Zeit mehr verkannt und modiſcher her-
abgewuͤrdigt als jene edle Beharrlichkeit, welche die Mut-
ter freier Arbeitſamkeit iſt. Newton ward gefragt, wo-
durch er die Geſetze der Natur gefunden? Er antwortete:
durch große Arbeit und Geduld. Buffon definirt ſogar
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