Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Vom Universitätswesen. terländische Angelegenheit trüben. Es ist noch immer einwahres Wort, welches Brandes 2) zu ihm sprach: "er sieht nicht den schlechtesten Theil des Men- schengeschlechts, denn er sieht die Jugend". 1) Das scheint nicht der Fall mit der, seit der Polnischen Revolu- tion aufgehobenen, Universität Wilna gewesen zu seyn, insofern sie uns getreu geschildert wird. Die Professoren, heißt es, sind verpflichtet, ihre Vorlesungen zur Prüfung an das Ministerium zu schicken. Sie müssen nach ihren eigenen Heften lesen, die Studenten dürfen während der Vorlesung nichts aufschreiben. Diese müssen 8 bis 10 Stunden täglich Vorlesungen hören. Alle halbe Jahre findet eine Prüfung statt. Der Professor giebt eine Anzahl Fragen schriftlich auf, welche die Zuhörer auswendig zu lernen haben. Pedelle in Uniform und mit Degen gehen aus einem Collegium in das andere, um zu sehen, ob jeder Student auf dem ihm angewiesenen Platze sitzt, und ob auch alle anwesend sind. Fehlt einer, so kommt er bei Wasser und Brod auf die Hauptwache. Eben so beim Versäumen der Kirche, sogar bei einem Spaziergange außer der Stadt ohne nachgesuchte Erlaub- niß. Sie müssen einzeln arbeiten, worauf die Pedelle wachen, dürfen auch keine öffentliche Lustorte, Caffehäuser u. dgl. besu- chen. s. Pabel, Rußland in der neuesten Zeit. Dresden etc. 1829. 2) Über den gegenwärtigen Zustand der Universität Göttingen. Gött. 1802. S. 333. Vom Univerſitaͤtsweſen. terlaͤndiſche Angelegenheit truͤben. Es iſt noch immer einwahres Wort, welches Brandes 2) zu ihm ſprach: “er ſieht nicht den ſchlechteſten Theil des Men- ſchengeſchlechts, denn er ſieht die Jugend”. 1) Das ſcheint nicht der Fall mit der, ſeit der Polniſchen Revolu- tion aufgehobenen, Univerſitaͤt Wilna geweſen zu ſeyn, inſofern ſie uns getreu geſchildert wird. Die Profeſſoren, heißt es, ſind verpflichtet, ihre Vorleſungen zur Pruͤfung an das Miniſterium zu ſchicken. Sie muͤſſen nach ihren eigenen Heften leſen, die Studenten duͤrfen waͤhrend der Vorleſung nichts aufſchreiben. Dieſe muͤſſen 8 bis 10 Stunden taͤglich Vorleſungen hoͤren. Alle halbe Jahre findet eine Pruͤfung ſtatt. Der Profeſſor giebt eine Anzahl Fragen ſchriftlich auf, welche die Zuhoͤrer auswendig zu lernen haben. Pedelle in Uniform und mit Degen gehen aus einem Collegium in das andere, um zu ſehen, ob jeder Student auf dem ihm angewieſenen Platze ſitzt, und ob auch alle anweſend ſind. Fehlt einer, ſo kommt er bei Waſſer und Brod auf die Hauptwache. Eben ſo beim Verſaͤumen der Kirche, ſogar bei einem Spaziergange außer der Stadt ohne nachgeſuchte Erlaub- niß. Sie muͤſſen einzeln arbeiten, worauf die Pedelle wachen, duͤrfen auch keine oͤffentliche Luſtorte, Caffehaͤuſer u. dgl. beſu- chen. ſ. Pabel, Rußland in der neueſten Zeit. Dresden ꝛc. 1829. 2) Über den gegenwaͤrtigen Zuſtand der Univerſitaͤt Goͤttingen. Goͤtt. 1802. S. 333. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0309" n="297"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Vom Univerſitaͤtsweſen</hi>.</fw><lb/> terlaͤndiſche Angelegenheit truͤben. 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Vom Univerſitaͤtsweſen.
terlaͤndiſche Angelegenheit truͤben. Es iſt noch immer ein
wahres Wort, welches Brandes 2) zu ihm ſprach: “er
ſieht nicht den ſchlechteſten Theil des Men-
ſchengeſchlechts, denn er ſieht die Jugend”.
¹⁾ Das ſcheint nicht der Fall mit der, ſeit der Polniſchen Revolu-
tion aufgehobenen, Univerſitaͤt Wilna geweſen zu ſeyn, inſofern
ſie uns getreu geſchildert wird. Die Profeſſoren, heißt es, ſind
verpflichtet, ihre Vorleſungen zur Pruͤfung an das Miniſterium
zu ſchicken. Sie muͤſſen nach ihren eigenen Heften leſen, die
Studenten duͤrfen waͤhrend der Vorleſung nichts aufſchreiben.
Dieſe muͤſſen 8 bis 10 Stunden taͤglich Vorleſungen hoͤren. Alle
halbe Jahre findet eine Pruͤfung ſtatt. Der Profeſſor giebt eine
Anzahl Fragen ſchriftlich auf, welche die Zuhoͤrer auswendig zu
lernen haben. Pedelle in Uniform und mit Degen gehen aus einem
Collegium in das andere, um zu ſehen, ob jeder Student auf
dem ihm angewieſenen Platze ſitzt, und ob auch alle anweſend
ſind. Fehlt einer, ſo kommt er bei Waſſer und Brod auf die
Hauptwache. Eben ſo beim Verſaͤumen der Kirche, ſogar bei
einem Spaziergange außer der Stadt ohne nachgeſuchte Erlaub-
niß. Sie muͤſſen einzeln arbeiten, worauf die Pedelle wachen,
duͤrfen auch keine oͤffentliche Luſtorte, Caffehaͤuſer u. dgl. beſu-
chen. ſ. Pabel, Rußland in der neueſten Zeit. Dresden ꝛc.
1829.
²⁾ Über den gegenwaͤrtigen Zuſtand der Univerſitaͤt Goͤttingen. Goͤtt.
1802. S. 333.
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