Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Staatsverfassung der Alten. Rom. Tribunat auf dem Wege zur neuen Ordnung zu beseitigen.Wirklich hörte unter der Herrschaft der zehn Gesetzgeber das Tribunat ganz auf; und die Plebs hielt sich für hinlänglich entschädigt, seit sie, bis dahin ausgeschlossen von hohen Staatsämtern, und selbst einen nur der Con- suln aus Patriciern zu wählen berechtigt, im zweiten Decemvirat Männer auch ihres Standes unter den Gesetz- gebern thronen sah. Allein der Ausgang betrog die Er- wartung der Antragsteller; die alte Satzung war am Ende durch die Schrift weit mehr bestätigt als gereinigt, die Scheidewand der Stände urkundlich gezogen, und was ja neues erschien, die Aufnahme von Patriciern und Clienten in die Tribus, versetzte den fortan noch unvermeidlicheren Kampf auf einen für die Plebs vor der Hand weit un- günstigeren Boden; und so mag es eine Folge der neuein- geführten Mischung gewesen seyn, daß nicht lange darauf eine neue Tribunats-Verfassung die Collegialität der Tri- bunen aufhob, indem sie die Abstimmung über einen An- trag davon abhängig machte, daß alle zehen für einen Mann ständen. Nicht also die berufenen Gesetzgeber beider Stände waren es, es war vielmehr die drohende Volks- bewegung, die den jähen Umsturz der frevelhaft zur Usur- pation misbrauchten Decemviralgewalt begleitete, welche die Bürgerfreiheit weiter führte. Consulat und Tribunat keh- ren wieder, aber die Centurien wählen nun zum ersten Mahle beide Consuln, und auf eben dieser Consuln An- trag wird den Beschlüssen der Tribut-Comitien gleiche Geltung mit den Centuriat-Beschlüssen für die Gesetzge- bung verliehen. Von daher die Macht der Tribut-Comi- tien, in welchen der kühnste Antrag Anklang findet, un- widerstehlich, seit die Clienten mit den Plebejern zu denselben Standes-Interessen zusammenwachsen. Das Staatsverfaſſung der Alten. Rom. Tribunat auf dem Wege zur neuen Ordnung zu beſeitigen.Wirklich hoͤrte unter der Herrſchaft der zehn Geſetzgeber das Tribunat ganz auf; und die Plebs hielt ſich fuͤr hinlaͤnglich entſchaͤdigt, ſeit ſie, bis dahin ausgeſchloſſen von hohen Staatsaͤmtern, und ſelbſt einen nur der Con- ſuln aus Patriciern zu waͤhlen berechtigt, im zweiten Decemvirat Maͤnner auch ihres Standes unter den Geſetz- gebern thronen ſah. Allein der Ausgang betrog die Er- wartung der Antragſteller; die alte Satzung war am Ende durch die Schrift weit mehr beſtaͤtigt als gereinigt, die Scheidewand der Staͤnde urkundlich gezogen, und was ja neues erſchien, die Aufnahme von Patriciern und Clienten in die Tribus, verſetzte den fortan noch unvermeidlicheren Kampf auf einen fuͤr die Plebs vor der Hand weit un- guͤnſtigeren Boden; und ſo mag es eine Folge der neuein- gefuͤhrten Miſchung geweſen ſeyn, daß nicht lange darauf eine neue Tribunats-Verfaſſung die Collegialitaͤt der Tri- bunen aufhob, indem ſie die Abſtimmung uͤber einen An- trag davon abhaͤngig machte, daß alle zehen fuͤr einen Mann ſtaͤnden. Nicht alſo die berufenen Geſetzgeber beider Staͤnde waren es, es war vielmehr die drohende Volks- bewegung, die den jaͤhen Umſturz der frevelhaft zur Uſur- pation misbrauchten Decemviralgewalt begleitete, welche die Buͤrgerfreiheit weiter fuͤhrte. Conſulat und Tribunat keh- ren wieder, aber die Centurien waͤhlen nun zum erſten Mahle beide Conſuln, und auf eben dieſer Conſuln An- trag wird den Beſchluͤſſen der Tribut-Comitien gleiche Geltung mit den Centuriat-Beſchluͤſſen fuͤr die Geſetzge- bung verliehen. Von daher die Macht der Tribut-Comi- tien, in welchen der kuͤhnſte Antrag Anklang findet, un- widerſtehlich, ſeit die Clienten mit den Plebejern zu denſelben Standes-Intereſſen zuſammenwachſen. Das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0051" n="39"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Staatsverfaſſung der Alten. 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Staatsverfaſſung der Alten. Rom.
Tribunat auf dem Wege zur neuen Ordnung zu beſeitigen.
Wirklich hoͤrte unter der Herrſchaft der zehn Geſetzgeber
das Tribunat ganz auf; und die Plebs hielt ſich fuͤr
hinlaͤnglich entſchaͤdigt, ſeit ſie, bis dahin ausgeſchloſſen
von hohen Staatsaͤmtern, und ſelbſt einen nur der Con-
ſuln aus Patriciern zu waͤhlen berechtigt, im zweiten
Decemvirat Maͤnner auch ihres Standes unter den Geſetz-
gebern thronen ſah. Allein der Ausgang betrog die Er-
wartung der Antragſteller; die alte Satzung war am Ende
durch die Schrift weit mehr beſtaͤtigt als gereinigt, die
Scheidewand der Staͤnde urkundlich gezogen, und was ja
neues erſchien, die Aufnahme von Patriciern und Clienten
in die Tribus, verſetzte den fortan noch unvermeidlicheren
Kampf auf einen fuͤr die Plebs vor der Hand weit un-
guͤnſtigeren Boden; und ſo mag es eine Folge der neuein-
gefuͤhrten Miſchung geweſen ſeyn, daß nicht lange darauf
eine neue Tribunats-Verfaſſung die Collegialitaͤt der Tri-
bunen aufhob, indem ſie die Abſtimmung uͤber einen An-
trag davon abhaͤngig machte, daß alle zehen fuͤr einen
Mann ſtaͤnden. Nicht alſo die berufenen Geſetzgeber beider
Staͤnde waren es, es war vielmehr die drohende Volks-
bewegung, die den jaͤhen Umſturz der frevelhaft zur Uſur-
pation misbrauchten Decemviralgewalt begleitete, welche die
Buͤrgerfreiheit weiter fuͤhrte. Conſulat und Tribunat keh-
ren wieder, aber die Centurien waͤhlen nun zum erſten
Mahle beide Conſuln, und auf eben dieſer Conſuln An-
trag wird den Beſchluͤſſen der Tribut-Comitien gleiche
Geltung mit den Centuriat-Beſchluͤſſen fuͤr die Geſetzge-
bung verliehen. Von daher die Macht der Tribut-Comi-
tien, in welchen der kuͤhnſte Antrag Anklang findet, un-
widerſtehlich, ſeit die Clienten mit den Plebejern zu
denſelben Standes-Intereſſen zuſammenwachſen. Das
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