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Dannhauer, Johann Conrad: Catechismvs-Milch. Bd. 8. Straßburg, 1666.

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Predigt.
geliebet/ und hat sich selbst für Mich in den Tod gegeben. Es muß eine
glaubige Seele thun/ als wäre Christus allein umb ihrent willen in die
Welt kommen/ gelitten/ gestorben/ als der auch umb einer einigen verlohr-
nen Seele willen wäre in die Welt kommen/ wie Chrysostomus in Epist.
ad Galat.
schreibet: Es ist billich/ daß ein jeglicher unter uns nicht
weniger Christo dancksage/ als ob er allein umb seinet willen
wäre in die Welt kommen: Wie er dann sich auch nicht würde
gewegert haben/ umb eines einigen Menschen willen solch
Werck über sich zu nehmen.
Derowegen liebet er einen jeden unter
uns mit gleichem Liebes-Affect/ womit er die gantze Welt liebet.

II. Auff die lepsin folget die geusis, das Kosten/ Schmecken und
Prüfen.
Moses hat den Jsraeliten nicht vergebens den Geschmack deß
Manna gerühmet/ es sey wie Semmel mit Honig/ sie damit gelocket/ daß sie
es recht und wol beriechen und schmecken sollen/ an welchem Stück es dem
alten Barsillai gefehlet/ 2. Sam. 19/35. darum er sich der Königlichen
Taffel Davids bedancket. Also muß eine glaubige Seele auch schmecken
und sehen/ wie freundlich der HErr sey/ Psal. 34. 1. Petr. 2/3. Hebr. 6/4. 5.
und bitten/ daß wir mögen schmecken mit Lust und Ergötzlichkeit/ seine
Süssigkeit im Hertzen/ sonderlich die Süsse seines Worts/ die aus seinem
holdseligen Munde geflossen/ mit geübten Sinnen die wolgeschmackte
Speise deß Evangelii von allen abgeschmackten/ stinckenden traditionen
und Vernunffts-Trachten separiren und absondern/ doch also schmecken/
daß mans nicht wieder außspeye/ wie Christus den Essig/ Matth. 27/34.
Sie gaben ihm Essig zu trincken mit Gallen vermischt/ und
da ersschmeckt/ wolt ers nicht trincken.
Worauß Augustinus ei-
ne schöne Vermahnung gesponnen Tract. 6. in Joh. p. 62. (*) Wie A-
grippa Act. 26/ 28. da ihm Paulus von dem Evangelio JEsu Christi ge-
prediget hatte/ gesprochen: Es fehlet nicht viel/ du überredest mich/
daß ich ein Christ würde.
Aber stund bald auff/ es wolte ihm nicht
munden. So sollen bey uns unsere Seelen-Speisen nicht seyn/ sondern
die geusis soll nur eine promulsis oder Leck-Bißlein seyn/ den Appetit zu er-
wecken.

III. Geusis zeucht nach sich Suctionem in satiabilem, das unersätt-

lich
(*) Timete insidias, imo cavete, & excipite verba contradicentium re-
spuenda, non transglutienda & visceribus danda. Tacite inde quod fecit Domi-
nus, quando illi obtulerunt amarum potum: Gustavit & respuit: sic & vos au-
dite & abjicite.
S s s s s s 3

Predigt.
geliebet/ und hat ſich ſelbſt für Mich in den Tod gegeben. Es muß eine
glaubige Seele thun/ als waͤre Chriſtus allein umb ihrent willen in die
Welt kommen/ gelitten/ geſtorben/ als der auch umb einer einigen verlohr-
nen Seele willen waͤre in die Welt kommen/ wie Chryſoſtomus in Epiſt.
ad Galat.
ſchreibet: Es iſt billich/ daß ein jeglicher unter uns nicht
weniger Chriſto danckſage/ als ob er allein umb ſeinet willen
waͤre in die Welt kom̃en: Wie er dann ſich auch nicht wuͤrde
gewegert haben/ umb eines einigen Menſchen willen ſolch
Werck uͤber ſich zu nehmen.
Derowegen liebet er einen jeden unter
uns mit gleichem Liebes-Affect/ womit er die gantze Welt liebet.

II. Auff die λῆψιν folget die γεῦσις, das Koſten/ Schmecken und
Pruͤfen.
Moſes hat den Jſraeliten nicht vergebens den Geſchmack deß
Manna geruͤhmet/ es ſey wie Semmel mit Honig/ ſie damit gelocket/ daß ſie
es recht und wol beriechen und ſchmecken ſollen/ an welchem Stuͤck es dem
alten Barſillai gefehlet/ 2. Sam. 19/35. darum er ſich der Koͤniglichen
Taffel Davids bedancket. Alſo muß eine glaubige Seele auch ſchmecken
und ſehen/ wie freundlich der HErr ſey/ Pſal. 34. 1. Petr. 2/3. Hebr. 6/4. 5.
und bitten/ daß wir moͤgen ſchmecken mit Luſt und Ergoͤtzlichkeit/ ſeine
Suͤſſigkeit im Hertzen/ ſonderlich die Suͤſſe ſeines Worts/ die aus ſeinem
holdſeligen Munde gefloſſen/ mit geuͤbten Sinnen die wolgeſchmackte
Speiſe deß Evangelii von allen abgeſchmackten/ ſtinckenden traditionen
und Vernunffts-Trachten ſepariren und abſondern/ doch alſo ſchmecken/
daß mans nicht wieder außſpeye/ wie Chriſtus den Eſſig/ Matth. 27/34.
Sie gaben ihm Eſſig zu trincken mit Gallen vermiſcht/ und
da ersſchmeckt/ wolt ers nicht trincken.
Worauß Auguſtinus ei-
ne ſchoͤne Vermahnung geſponnen Tract. 6. in Joh. p. 62. (*) Wie A-
grippa Act. 26/ 28. da ihm Paulus von dem Evangelio JEſu Chriſti ge-
prediget hatte/ geſprochen: Es fehlet nicht viel/ du uͤberredeſt mich/
daß ich ein Chriſt wuͤrde.
Aber ſtund bald auff/ es wolte ihm nicht
munden. So ſollen bey uns unſere Seelen-Speiſen nicht ſeyn/ ſondern
die γεῦσις ſoll nur eine promulſis oder Leck-Bißlein ſeyn/ den Appetit zu er-
wecken.

III. Γεῦσις zeucht nach ſich Suctionem in ſatiabilem, das unerſaͤtt-

lich
(*) Timete inſidias, imò cavete, & excipite verba contradicentium re-
ſpuenda, non transglutienda & viſceribus danda. Tacite inde quod fecit Domi-
nus, quando illi obtulerunt amarum potum: Guſtavit & reſpuit: ſic & vos au-
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S s s s s s 3
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[1061/1085] Predigt. geliebet/ und hat ſich ſelbſt für Mich in den Tod gegeben. Es muß eine glaubige Seele thun/ als waͤre Chriſtus allein umb ihrent willen in die Welt kommen/ gelitten/ geſtorben/ als der auch umb einer einigen verlohr- nen Seele willen waͤre in die Welt kommen/ wie Chryſoſtomus in Epiſt. ad Galat. ſchreibet: Es iſt billich/ daß ein jeglicher unter uns nicht weniger Chriſto danckſage/ als ob er allein umb ſeinet willen waͤre in die Welt kom̃en: Wie er dann ſich auch nicht wuͤrde gewegert haben/ umb eines einigen Menſchen willen ſolch Werck uͤber ſich zu nehmen. Derowegen liebet er einen jeden unter uns mit gleichem Liebes-Affect/ womit er die gantze Welt liebet. II. Auff die λῆψιν folget die γεῦσις, das Koſten/ Schmecken und Pruͤfen. Moſes hat den Jſraeliten nicht vergebens den Geſchmack deß Manna geruͤhmet/ es ſey wie Semmel mit Honig/ ſie damit gelocket/ daß ſie es recht und wol beriechen und ſchmecken ſollen/ an welchem Stuͤck es dem alten Barſillai gefehlet/ 2. Sam. 19/35. darum er ſich der Koͤniglichen Taffel Davids bedancket. Alſo muß eine glaubige Seele auch ſchmecken und ſehen/ wie freundlich der HErr ſey/ Pſal. 34. 1. Petr. 2/3. Hebr. 6/4. 5. und bitten/ daß wir moͤgen ſchmecken mit Luſt und Ergoͤtzlichkeit/ ſeine Suͤſſigkeit im Hertzen/ ſonderlich die Suͤſſe ſeines Worts/ die aus ſeinem holdſeligen Munde gefloſſen/ mit geuͤbten Sinnen die wolgeſchmackte Speiſe deß Evangelii von allen abgeſchmackten/ ſtinckenden traditionen und Vernunffts-Trachten ſepariren und abſondern/ doch alſo ſchmecken/ daß mans nicht wieder außſpeye/ wie Chriſtus den Eſſig/ Matth. 27/34. Sie gaben ihm Eſſig zu trincken mit Gallen vermiſcht/ und da ersſchmeckt/ wolt ers nicht trincken. Worauß Auguſtinus ei- ne ſchoͤne Vermahnung geſponnen Tract. 6. in Joh. p. 62. (*) Wie A- grippa Act. 26/ 28. da ihm Paulus von dem Evangelio JEſu Chriſti ge- prediget hatte/ geſprochen: Es fehlet nicht viel/ du uͤberredeſt mich/ daß ich ein Chriſt wuͤrde. Aber ſtund bald auff/ es wolte ihm nicht munden. So ſollen bey uns unſere Seelen-Speiſen nicht ſeyn/ ſondern die γεῦσις ſoll nur eine promulſis oder Leck-Bißlein ſeyn/ den Appetit zu er- wecken. III. Γεῦσις zeucht nach ſich Suctionem in ſatiabilem, das unerſaͤtt- lich (*) Timete inſidias, imò cavete, & excipite verba contradicentium re- ſpuenda, non transglutienda & viſceribus danda. Tacite inde quod fecit Domi- nus, quando illi obtulerunt amarum potum: Guſtavit & reſpuit: ſic & vos au- dite & abjicite. S s s s s s 3

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Zitationshilfe: Dannhauer, Johann Conrad: Catechismvs-Milch. Bd. 8. Straßburg, 1666, S. 1061. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus08_1666/1085>, abgerufen am 22.11.2024.