Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673.Die Zehende Predigt ringen; sonderlich aber die heissen Thränen/ die ihm über die Wangenherab geflossen. Es seind zwar manchmal die grossen Schmertzen stumm/ und die Thränen-Quellen verstopfft/ man muß offt sein Leyd in sich fressen/ die temperamen a seind unterschiedlich; aber gewiß/ wer sonsten leichtlich zu bewegen/ der bewegt sich da/ ist anderst die Buße recht. Wer seinen zeitlichen Schaden beweinen kan/ und weinet nicht um die Sünde/ bey dem scheinet die Buß nicht rechtschaffen. Quid illis o[c]ulis formosius, schreibet Chrysost. hom. 30. in Genes. perpetuo lachrymorum imbre & quasi margatitarum decore. Was ist schöner als die jenigen Augen/ welche von unauff hörlichen Thränen Regen fliessen/ und mit denen Tröpfflein als mit Perlein gezieret? Und das ist/ M. L. die rechte Sünden-Reu/ so muß das Hertz zer- Wo wollen wir aber solche Buß finden? der jenigen gibts wol viel/ spatzier-
Die Zehende Predigt ringen; ſonderlich aber die heiſſen Thraͤnen/ die ihm uͤber die Wangenherab gefloſſen. Es ſeind zwar manchmal die groſſen Schmertzen ſtum̃/ und die Thraͤnen-Quellen verſtopfft/ man muß offt ſein Leyd in ſich freſſen/ die temperamen a ſeind unterſchiedlich; aber gewiß/ wer ſonſten leichtlich zu bewegen/ der bewegt ſich da/ iſt anderſt die Buße recht. Wer ſeinen zeitlichen Schaden beweinen kan/ und weinet nicht um die Suͤnde/ bey dem ſcheinet die Buß nicht rechtſchaffen. Quid illis o[c]ulis formoſius, ſchreibet Chryſoſt. hom. 30. in Geneſ. perpetuo lachrymorum imbre & quaſi margatitarum decore. Was iſt ſchoͤner als die jenigen Augen/ welche von unauff hoͤrlichen Thraͤnen Regen flieſſen/ und mit denen Troͤpfflein als mit Perlein gezieret? Und das iſt/ M. L. die rechte Suͤnden-Reu/ ſo muß das Hertz zer- Wo wollen wir aber ſolche Buß finden? der jenigen gibts wol viel/ ſpatzier-
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Die Zehende Predigt
ringen; ſonderlich aber die heiſſen Thraͤnen/ die ihm uͤber die Wangen
herab gefloſſen. Es ſeind zwar manchmal die groſſen Schmertzen ſtum̃/
und die Thraͤnen-Quellen verſtopfft/ man muß offt ſein Leyd in ſich freſſen/
die temperamen a ſeind unterſchiedlich; aber gewiß/ wer ſonſten leichtlich
zu bewegen/ der bewegt ſich da/ iſt anderſt die Buße recht. Wer ſeinen
zeitlichen Schaden beweinen kan/ und weinet nicht um die Suͤnde/ bey
dem ſcheinet die Buß nicht rechtſchaffen. Quid illis oculis formoſius,
ſchreibet Chryſoſt. hom. 30. in Geneſ. perpetuo lachrymorum imbre
& quaſi margatitarum decore. Was iſt ſchoͤner als die jenigen
Augen/ welche von unauff hoͤrlichen Thraͤnen Regen flieſſen/
und mit denen Troͤpfflein als mit Perlein gezieret?
Und das iſt/ M. L. die rechte Suͤnden-Reu/ ſo muß das Hertz zer-
knirſcht ſeyn. Soll ein metallin Gefaͤß/ das roſtig iſt/ wuͤſt/ alt und un-
formlich worden/ wieder huͤbſch werden/ ſo muß mans zerſchlagen/ zer-
brechen/ umſchmeltzen/ und in einen neuen Model gieſſen. Soll ein ar-
mer Suͤnder begnadet werden/ ſo muß er einen Fußfall thun; ſoll der
Wurm des Gewiſſens ruhen/ ſo muß man ihn fuͤhlen/ in die Wunden
ſcharffen Eſſig oder Wein gieſſen; ſoll man ſich zu Gott kehren/ ſo muß
man von der Welt und Suͤnden ſich abkehren. Alſo muß dann die
Buße geartet ſeyn/ ſoll ſie rechtſchaffen ſeyn/ nicht zwar meritoriè daß wir
etwas damit verdienen wolten/ ſondern iſt pars ordinis, ein Theil der
Ordnung/ alſo hat es Gott geordnet/ wann jemand zu ihm kommen
wil. Jſt demnach Contritio, die Reu anders nichts/ als eine ſolche von
dem H. Geiſt erweckte/ hertz-brechende und zuknirſchende Bewegung/ da
der Menſch in allen ſeinen Kraͤfften veraͤndert wird/ die Augen auffthut/
ſein Unrecht erkennet/ haſſet und laſſet/ alles zu GOttes Ehre/ damit ſein
geraubtes Gut wieder erſtattet/ er GOtt/ und der Menſch Staub und
Aſche bleibet.
Wo wollen wir aber ſolche Buß finden? der jenigen gibts wol viel/
die den Wurm des Gewiſſens mit Wein erſaͤuffen/ oder mit Wolluſt
daͤmpffen/ bey denen aber der kleine Wurm zu einem groſſen feurigen
Drachen wird. Fuͤr den Spiegel ſtellet man ſich wol/ ſtellet denſelben
hinden und vornen/ zu ſchauen wie der Pracht anſtehet; aber niemand
ſtehet fuͤr den Spiegel des Geſetzes/ man ſchauet wol/ aber niemand uͤbet
das παρακύψαι, und durchſchauen; ſo genau follen wir in den Spiegel
des Geſetzes ſchauen/ als fleiſſig die Maria ins Grab gegucket/ Joh.
20/ 11. hinden und fornen/ durch und durch/ alle Flecken und Runtzeln
beſchauen. Domitianus hatte in dem Palatio oder Gang/ da er
ſpatzier-
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