Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673.

Bild:
<< vorherige Seite

Vom verlohrnen Sohn.
2. Sam. 12, 13. Matth. 3, 6. und der alten Christlichen Kirchen haben/
und weil sie zu mehrerem Trost der forchtsamen Gewissen und mehrerem
Unterricht dienet/ so soll mans nicht unterwegen lassen/ wo sie kan auffkom-
men. Zu dem End/ schreibet B. Rhenanus über Tertull. de poenit. seye
vor zeiten die Beicht auffkommen/ ubi horulae spatio plus proficit laicus,
quam triduana, &c.
weil da in einer Stund ein gemeiner Lay
mehr außrichten und erbauet werden kan/ als sonsten in drey-
en Tagen Daher die Augspurgische Confession artic. 11. sagt: von
der Beicht wird also gelehret/ daß man in der Kirchen privatam
absolutionem
erhalten/ und nicht fallen lassen soll/ wiewol in
der Beicht nicht noth ist alle Missethat und Sünden zu erzeh-
len/ dieweil doch solches nicht müglich. Ps. 19. Wer kennet die
Missethat? Und in den Schmalkaldischen Articulen: Die Beicht
soll nimmer abgeschaffet werden wegen der zarten und schwa-
chen Gewissen/ und wegen der Jugend/ damit sie in der Christ-
lichen Lehre unterrichtet werde. Darum auch dieselbe auß Christ-
licher Freyheit behalten wird/ und sollen die Diener des Worts treulich
gewarnet seyn/ in solchen Fällen reinen Mund zuhalten; nicht zwar wie im
Pabstthum/ da ohne einige exception alles verschwiegen wird/ auch die
Verrähterey sub sigillo Confessionis, außgenommen/ wann man etwas
wider den Papst für hat; Sondern wann offentliche Gefahr darauff stün-
de/ als da ist Verrätherey/ Mord-Brand/ Brunnen-Vergifftung/ so mag
man die Sache wol offenbaren/ aber die Person unvermeldet lassen; sonst
heisset es/ ich hab es nicht gehöret/ er hat es Christo gebeichtet/ es ist ein de-
positum Divinum,
eine Göttliche Beylag; wil es GOtt offenbahren/ so
werdensich schon Mittel finden. Der Kirchendiener sitzet da an Christus
statt/ nicht aber an statt der Obrigkeit/ als ein Blutschreiber. So stehet
es auch einem jeden frey/ seine Sünde vertraulich zu beichten oder nicht/
sonderlich die ihm anliegen zu eröffnen.

2. Sehen wir auch hierauß Confessionis auricularis absurditatem,
wie ungereimt die Ohren-Beicht seye. Der verlohrne Sohn erzehlet nicht
alle Sünden in particulari, ein jede absonderlich/ sondern bleibet bey der ge-
neralit
ät/ und beichtet alle seine Sünde ins gemein. Jst zu mercken wi-
der das Päpstische Beicht-Weh/ da alle Sünden müssen bekant werden/
alles/ dessen man sich erinnern mag/ alle Tod-Sünde mit allen ihren Um-
ständen der Zeit/ des Orts/ wie/ womit/ etc. sie halten gar Register drüber/
damit ihnen nichts außfalle/ ja die allerheiligsten beichten auch ihre Gedan-

cken/
M iij

Vom verlohrnen Sohn.
2. Sam. 12, 13. Matth. 3, 6. und der alten Chriſtlichen Kirchen haben/
und weil ſie zu mehrerem Troſt der forchtſamen Gewiſſen und mehrerem
Unterricht dienet/ ſo ſoll mans nicht unterwegen laſſen/ wo ſie kan auffkom-
men. Zu dem End/ ſchreibet B. Rhenanus uͤber Tertull. de pœnit. ſeye
vor zeiten die Beicht auffkommen/ ubi horulæ ſpatio plus proficit laicus,
quàm triduana, &c.
weil da in einer Stund ein gemeiner Lay
mehr außrichten und erbauet werden kan/ als ſonſten in drey-
en Tagen Daher die Augſpurgiſche Confeſſion artic. 11. ſagt: von
der Beicht wird alſo gelehret/ daß man in der Kirchen privatam
abſolutionem
erhalten/ und nicht fallen laſſen ſoll/ wiewol in
der Beicht nicht noth iſt alle Miſſethat und Suͤnden zu erzeh-
len/ dieweil doch ſolches nicht muͤglich. Pſ. 19. Wer kennet die
Miſſethat? Und in den Schmalkaldiſchen Articulen: Die Beicht
ſoll nimmer abgeſchaffet werden wegen der zarten und ſchwa-
chen Gewiſſen/ und wegen der Jugend/ damit ſie in der Chriſt-
lichen Lehre unterrichtet werde. Darum auch dieſelbe auß Chriſt-
licher Freyheit behalten wird/ und ſollen die Diener des Worts treulich
gewarnet ſeyn/ in ſolchen Faͤllen reinen Mund zuhalten; nicht zwar wie im
Pabſtthum/ da ohne einige exception alles verſchwiegen wird/ auch die
Verraͤhterey ſub ſigillo Confeſſionis, außgenommen/ wann man etwas
wider den Papſt fuͤr hat; Sondern wann offentliche Gefahr darauff ſtuͤn-
de/ als da iſt Verraͤtherey/ Mord-Brand/ Brunnen-Vergifftung/ ſo mag
man die Sache wol offenbaren/ aber die Perſon unvermeldet laſſen; ſonſt
heiſſet es/ ich hab es nicht gehoͤret/ er hat es Chriſto gebeichtet/ es iſt ein de-
poſitum Divinum,
eine Goͤttliche Beylag; wil es GOtt offenbahren/ ſo
werdenſich ſchon Mittel finden. Der Kirchendiener ſitzet da an Chriſtus
ſtatt/ nicht aber an ſtatt der Obrigkeit/ als ein Blutſchreiber. So ſtehet
es auch einem jeden frey/ ſeine Suͤnde vertraulich zu beichten oder nicht/
ſonderlich die ihm anliegen zu eroͤffnen.

2. Sehen wir auch hierauß Confeſſionis auricularis abſurditatem,
wie ungereimt die Ohren-Beicht ſeye. Der verlohrne Sohn erzehlet nicht
alle Suͤnden in particulari, ein jede abſonderlich/ ſondern bleibet bey der ge-
neralit
aͤt/ und beichtet alle ſeine Suͤnde ins gemein. Jſt zu mercken wi-
der das Paͤpſtiſche Beicht-Weh/ da alle Suͤnden muͤſſen bekant werden/
alles/ deſſen man ſich erinnern mag/ alle Tod-Suͤnde mit allen ihren Um-
ſtaͤnden der Zeit/ des Orts/ wie/ womit/ ꝛc. ſie halten gar Regiſter druͤber/
damit ihnen nichts außfalle/ ja die allerheiligſten beichten auch ihre Gedan-

cken/
M iij
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0111" n="93"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vom verlohrnen Sohn.</hi></fw><lb/>
2. Sam. 12, 13. Matth. 3, 6. und der alten Chri&#x017F;tlichen Kirchen haben/<lb/>
und weil &#x017F;ie zu mehrerem Tro&#x017F;t der forcht&#x017F;amen Gewi&#x017F;&#x017F;en und mehrerem<lb/>
Unterricht dienet/ &#x017F;o &#x017F;oll mans nicht unterwegen la&#x017F;&#x017F;en/ wo &#x017F;ie kan auffkom-<lb/>
men. Zu dem End/ &#x017F;chreibet <hi rendition="#aq">B. Rhenanus</hi> u&#x0364;ber <hi rendition="#aq">Tertull. de p&#x0153;nit.</hi> &#x017F;eye<lb/>
vor zeiten die Beicht auffkommen/ <hi rendition="#aq">ubi horulæ &#x017F;patio plus proficit laicus,<lb/>
quàm triduana, &amp;c.</hi> weil da in einer Stund ein gemeiner Lay<lb/>
mehr außrichten und erbauet werden kan/ als &#x017F;on&#x017F;ten in drey-<lb/>
en Tagen Daher die Aug&#x017F;purgi&#x017F;che Confe&#x017F;&#x017F;ion <hi rendition="#aq">artic.</hi> 11. &#x017F;agt: von<lb/>
der Beicht wird al&#x017F;o gelehret/ daß man in der Kirchen <hi rendition="#aq">privatam<lb/>
ab&#x017F;olutionem</hi> erhalten/ und nicht fallen la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;oll/ wiewol in<lb/>
der Beicht nicht noth i&#x017F;t alle Mi&#x017F;&#x017F;ethat und Su&#x0364;nden zu erzeh-<lb/>
len/ dieweil doch &#x017F;olches nicht mu&#x0364;glich. P&#x017F;. 19. Wer kennet die<lb/>
Mi&#x017F;&#x017F;ethat<hi rendition="#fr">?</hi> Und in den Schmalkaldi&#x017F;chen Articulen: Die Beicht<lb/>
&#x017F;oll nimmer abge&#x017F;chaffet werden wegen der zarten und &#x017F;chwa-<lb/>
chen Gewi&#x017F;&#x017F;en/ und wegen der Jugend/ damit &#x017F;ie in der Chri&#x017F;t-<lb/>
lichen Lehre unterrichtet werde. Darum auch die&#x017F;elbe auß Chri&#x017F;t-<lb/>
licher Freyheit behalten wird/ und &#x017F;ollen die Diener des Worts treulich<lb/>
gewarnet &#x017F;eyn/ in &#x017F;olchen Fa&#x0364;llen reinen Mund zuhalten; nicht zwar wie im<lb/>
Pab&#x017F;tthum/ da ohne einige <hi rendition="#aq">exception</hi> alles ver&#x017F;chwiegen wird/ auch die<lb/>
Verra&#x0364;hterey <hi rendition="#aq">&#x017F;ub &#x017F;igillo Confe&#x017F;&#x017F;ionis,</hi> außgenommen/ wann man etwas<lb/>
wider den Pap&#x017F;t fu&#x0364;r hat; Sondern wann offentliche Gefahr darauff &#x017F;tu&#x0364;n-<lb/>
de/ als da i&#x017F;t Verra&#x0364;therey/ Mord-Brand/ Brunnen-Vergifftung/ &#x017F;o mag<lb/>
man die Sache wol offenbaren/ aber die Per&#x017F;on unvermeldet la&#x017F;&#x017F;en; &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
hei&#x017F;&#x017F;et es/ ich hab es nicht geho&#x0364;ret/ er hat es Chri&#x017F;to gebeichtet/ es i&#x017F;t ein <hi rendition="#aq">de-<lb/>
po&#x017F;itum Divinum,</hi> eine Go&#x0364;ttliche Beylag; wil es GOtt offenbahren/ &#x017F;o<lb/>
werden&#x017F;ich &#x017F;chon Mittel finden. Der Kirchendiener &#x017F;itzet da an Chri&#x017F;tus<lb/>
&#x017F;tatt/ nicht aber an &#x017F;tatt der Obrigkeit/ als ein Blut&#x017F;chreiber. So &#x017F;tehet<lb/>
es auch einem jeden frey/ &#x017F;eine Su&#x0364;nde vertraulich zu beichten oder nicht/<lb/>
&#x017F;onderlich die ihm anliegen zu ero&#x0364;ffnen.</p><lb/>
          <p>2. Sehen wir auch hierauß <hi rendition="#aq">Confe&#x017F;&#x017F;ionis auricularis ab&#x017F;urditatem,</hi><lb/>
wie ungereimt die Ohren-Beicht &#x017F;eye. Der verlohrne Sohn erzehlet nicht<lb/>
alle Su&#x0364;nden <hi rendition="#aq">in particulari,</hi> ein jede ab&#x017F;onderlich/ &#x017F;ondern bleibet bey der <hi rendition="#aq">ge-<lb/>
neralit</hi>a&#x0364;t/ und beichtet alle &#x017F;eine Su&#x0364;nde ins gemein. J&#x017F;t zu mercken wi-<lb/>
der das Pa&#x0364;p&#x017F;ti&#x017F;che Beicht-Weh/ da alle Su&#x0364;nden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en bekant werden/<lb/>
alles/ de&#x017F;&#x017F;en man &#x017F;ich erinnern mag/ alle Tod-Su&#x0364;nde mit allen ihren Um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nden der Zeit/ des Orts/ wie/ womit/ &#xA75B;c. &#x017F;ie halten gar Regi&#x017F;ter dru&#x0364;ber/<lb/>
damit ihnen nichts außfalle/ ja die allerheilig&#x017F;ten beichten auch ihre Gedan-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">M iij</fw><fw place="bottom" type="catch">cken/</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[93/0111] Vom verlohrnen Sohn. 2. Sam. 12, 13. Matth. 3, 6. und der alten Chriſtlichen Kirchen haben/ und weil ſie zu mehrerem Troſt der forchtſamen Gewiſſen und mehrerem Unterricht dienet/ ſo ſoll mans nicht unterwegen laſſen/ wo ſie kan auffkom- men. Zu dem End/ ſchreibet B. Rhenanus uͤber Tertull. de pœnit. ſeye vor zeiten die Beicht auffkommen/ ubi horulæ ſpatio plus proficit laicus, quàm triduana, &c. weil da in einer Stund ein gemeiner Lay mehr außrichten und erbauet werden kan/ als ſonſten in drey- en Tagen Daher die Augſpurgiſche Confeſſion artic. 11. ſagt: von der Beicht wird alſo gelehret/ daß man in der Kirchen privatam abſolutionem erhalten/ und nicht fallen laſſen ſoll/ wiewol in der Beicht nicht noth iſt alle Miſſethat und Suͤnden zu erzeh- len/ dieweil doch ſolches nicht muͤglich. Pſ. 19. Wer kennet die Miſſethat? Und in den Schmalkaldiſchen Articulen: Die Beicht ſoll nimmer abgeſchaffet werden wegen der zarten und ſchwa- chen Gewiſſen/ und wegen der Jugend/ damit ſie in der Chriſt- lichen Lehre unterrichtet werde. Darum auch dieſelbe auß Chriſt- licher Freyheit behalten wird/ und ſollen die Diener des Worts treulich gewarnet ſeyn/ in ſolchen Faͤllen reinen Mund zuhalten; nicht zwar wie im Pabſtthum/ da ohne einige exception alles verſchwiegen wird/ auch die Verraͤhterey ſub ſigillo Confeſſionis, außgenommen/ wann man etwas wider den Papſt fuͤr hat; Sondern wann offentliche Gefahr darauff ſtuͤn- de/ als da iſt Verraͤtherey/ Mord-Brand/ Brunnen-Vergifftung/ ſo mag man die Sache wol offenbaren/ aber die Perſon unvermeldet laſſen; ſonſt heiſſet es/ ich hab es nicht gehoͤret/ er hat es Chriſto gebeichtet/ es iſt ein de- poſitum Divinum, eine Goͤttliche Beylag; wil es GOtt offenbahren/ ſo werdenſich ſchon Mittel finden. Der Kirchendiener ſitzet da an Chriſtus ſtatt/ nicht aber an ſtatt der Obrigkeit/ als ein Blutſchreiber. So ſtehet es auch einem jeden frey/ ſeine Suͤnde vertraulich zu beichten oder nicht/ ſonderlich die ihm anliegen zu eroͤffnen. 2. Sehen wir auch hierauß Confeſſionis auricularis abſurditatem, wie ungereimt die Ohren-Beicht ſeye. Der verlohrne Sohn erzehlet nicht alle Suͤnden in particulari, ein jede abſonderlich/ ſondern bleibet bey der ge- neralitaͤt/ und beichtet alle ſeine Suͤnde ins gemein. Jſt zu mercken wi- der das Paͤpſtiſche Beicht-Weh/ da alle Suͤnden muͤſſen bekant werden/ alles/ deſſen man ſich erinnern mag/ alle Tod-Suͤnde mit allen ihren Um- ſtaͤnden der Zeit/ des Orts/ wie/ womit/ ꝛc. ſie halten gar Regiſter druͤber/ damit ihnen nichts außfalle/ ja die allerheiligſten beichten auch ihre Gedan- cken/ M iij

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus10_1673
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus10_1673/111
Zitationshilfe: Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus10_1673/111>, abgerufen am 21.11.2024.