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Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673.

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Die Eilffte Predigt
cken/ und lassen sich bereden/ die ungebeichte Sünden werden nicht verziehen.
Jst aber 1. agraphos, eine Schrifft-Lose Lehr/ die mit keinem einigen
bewährten Zeugnuß mag bewiesen werden. 2. Impossibilis, unmüglich
zu halten/ dann entweder kan man alle und jede/ oder aber nur etliche Sün-
den erzehlen und beichten: Jenes ist unmüglich/ laut des 19. Ps. wer kan
mercken/ consequenter beichten/ erzehlen/ wie offt er fehlet? E.
muß dieses wahr seyn. Nun fraget sichs weiter: Entweder werden die
nicht bekandte und nicht gebeichtete Sünden vergeben oder nicht vergeben?
Werden sie vergeben/ wann sie schon nicht erzehlet worden/ ey warum nit
auch andere/ die man weiß/ ob man sie schon nicht beichtet? Werden sie aber
nicht vergeben/ so ist und bleibet solche Beicht eine carnificina, ein Zweif-
fels-Strick/ damit die Menschen in Verzweifflung und folgens in die ewi-
ge Verdamnuß gezogen werden. 3. Jst sie nova in primitiva Ecclesia da-
mnata,
eine in der ersten Christlichen Kirchen schon verdammte/
jetzt aber wieder erneuerte Lehre. Nectarius, Bischoff zu Constantinopel/
hat dergleichen Beicht wegen einer mit einer edlen Frauen von einem Ca-
plan in der Kirchen begangenen Unzucht abgeschafft/ und hat es sein Suc-
cessor Chrysostomus
gebilliget; solus te DEUS confitentem videat, DE-
US, qui non exprobrat peccata tua, sed solvit peccata propter confusio-
nem,
das ist: Beichte allein GOtt/ GOtt/ der keinem seine
Sünden vorwirfft/ sondern sie erlasset um der Schande wil-
len. Dabey lassen wir es auch bleiben/ und dancken Gott/ der uns von
solcher Gewissens-Tortur erlöset hat.

3. Sehen wir auch hierauß Confessionis ingenuae, plenae, parrisia-
sticae humilis & apertae fructuositatem,
den Nutzen einer auffrichti-
gen/ völligen/ freudigen/ demühtigen und offentlichen Beicht.
Gleich wie der Vater des verlohrnen Sohns seinem Sohn mit dem osculo
Kuß/ und also mit der Absolution vorgekommen/ und denselben nicht auß-
reden lassen/ votum confessionis erat instar confessionis, der gute Will
und Vorhaben zu beichten/ war so viel als die Beicht selbst.
Daß er gesagt/ er wolle zum Vater gehen/ das war ihm genug: So sollen
wir uns auch unsern himmlischen Vater einbilden/ ehe dann wir ruf-
fen/ will Er uns hören/ und ehe wir zu ihm schreyen/ will Er
uns antworten.

Im Geistlichen Rechten findet sich ein schöner locus caus. 33. q. 3. de poenit. dist. 3.
Omnis qui &c. Non ergo in confessione peccatum remittitur, sed iam re-
missum esse probatur. Fit itaque confessio ad ostensionem poenitentiae,
non ad impetrationem gratiae & veniae. Et sicut circumcisiodata Abrahae
in signum

Die Eilffte Predigt
cken/ und laſſen ſich bereden/ die ungebeichte Suͤnden werden nicht verziehẽ.
Jſt aber 1. ἀγραφος, eine Schrifft-Loſe Lehr/ die mit keinem einigen
bewaͤhrten Zeugnuß mag bewieſen werden. 2. Impoſſibilis, unmuͤglich
zu halten/ dann entweder kan man alle und jede/ oder aber nur etliche Suͤn-
den erzehlen und beichten: Jenes iſt unmuͤglich/ laut des 19. Pſ. wer kan
mercken/ conſequenter beichten/ erzehlen/ wie offt er fehlet? E.
muß dieſes wahr ſeyn. Nun fraget ſichs weiter: Entweder werden die
nicht bekandte und nicht gebeichtete Suͤnden vergeben oder nicht vergeben?
Werden ſie vergeben/ wann ſie ſchon nicht erzehlet worden/ ey warum nit
auch andere/ die man weiß/ ob man ſie ſchon nicht beichtet? Werden ſie aber
nicht vergeben/ ſo iſt und bleibet ſolche Beicht eine carnificina, ein Zweif-
fels-Strick/ damit die Menſchen in Verzweifflung und folgens in die ewi-
ge Verdamnuß gezogen werden. 3. Jſt ſie nova in primitiva Eccleſia da-
mnata,
eine in der erſten Chriſtlichen Kirchen ſchon verdammte/
jetzt aber wieder erneuerte Lehre. Nectarius, Biſchoff zu Conſtantinopel/
hat dergleichen Beicht wegen einer mit einer edlen Frauen von einem Ca-
plan in der Kirchen begangenen Unzucht abgeſchafft/ und hat es ſein Suc-
ceſſor Chryſoſtomus
gebilliget; ſolus te DEUS confitentem videat, DE-
US, qui non exprobrat peccata tua, ſed ſolvit peccata propter confuſio-
nem,
das iſt: Beichte allein GOtt/ GOtt/ der keinem ſeine
Suͤnden vorwirfft/ ſondern ſie erlaſſet um der Schande wil-
len. Dabey laſſen wir es auch bleiben/ und dancken Gott/ der uns von
ſolcher Gewiſſens-Tortur erloͤſet hat.

3. Sehen wir auch hierauß Confeſſionis ingenuæ, plenæ, parriſia-
ſticæ humilis & apertæ fructuoſitatem,
den Nutzen einer auffrichti-
gen/ voͤlligen/ freudigen/ demuͤhtigen und offentlichen Beicht.
Gleich wie der Vater des verlohrnen Sohns ſeinem Sohn mit dem oſculo
Kuß/ und alſo mit der Abſolution vorgekommen/ und denſelben nicht auß-
reden laſſen/ votum confeſſionis erat inſtar confeſſionis, der gute Will
und Vorhaben zu beichten/ war ſo viel als die Beicht ſelbſt.
Daß er geſagt/ er wolle zum Vater gehen/ das war ihm genug: So ſollen
wir uns auch unſern himmliſchen Vater einbilden/ ehe dann wir ruf-
fen/ will Er uns hoͤren/ und ehe wir zu ihm ſchreyen/ will Er
uns antworten.

Im Geiſtlichen Rechten findet ſich ein ſchoͤner locus cauſ. 33. q. 3. de pœnit. diſt. 3.
Omnis qui &c. Non ergò in confeſſione peccatum remittitur, ſed iam re-
miſſum eſſe probatur. Fit itaque confeſſio ad oſtenſionem pœnitentiæ,
non ad impetrationem gratiæ & veniæ. Et ſicut circumciſiodata Abrahæ
in ſignum
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[94/0112] Die Eilffte Predigt cken/ und laſſen ſich bereden/ die ungebeichte Suͤnden werden nicht verziehẽ. Jſt aber 1. ἀγραφος, eine Schrifft-Loſe Lehr/ die mit keinem einigen bewaͤhrten Zeugnuß mag bewieſen werden. 2. Impoſſibilis, unmuͤglich zu halten/ dann entweder kan man alle und jede/ oder aber nur etliche Suͤn- den erzehlen und beichten: Jenes iſt unmuͤglich/ laut des 19. Pſ. wer kan mercken/ conſequenter beichten/ erzehlen/ wie offt er fehlet? E. muß dieſes wahr ſeyn. Nun fraget ſichs weiter: Entweder werden die nicht bekandte und nicht gebeichtete Suͤnden vergeben oder nicht vergeben? Werden ſie vergeben/ wann ſie ſchon nicht erzehlet worden/ ey warum nit auch andere/ die man weiß/ ob man ſie ſchon nicht beichtet? Werden ſie aber nicht vergeben/ ſo iſt und bleibet ſolche Beicht eine carnificina, ein Zweif- fels-Strick/ damit die Menſchen in Verzweifflung und folgens in die ewi- ge Verdamnuß gezogen werden. 3. Jſt ſie nova in primitiva Eccleſia da- mnata, eine in der erſten Chriſtlichen Kirchen ſchon verdammte/ jetzt aber wieder erneuerte Lehre. Nectarius, Biſchoff zu Conſtantinopel/ hat dergleichen Beicht wegen einer mit einer edlen Frauen von einem Ca- plan in der Kirchen begangenen Unzucht abgeſchafft/ und hat es ſein Suc- ceſſor Chryſoſtomus gebilliget; ſolus te DEUS confitentem videat, DE- US, qui non exprobrat peccata tua, ſed ſolvit peccata propter confuſio- nem, das iſt: Beichte allein GOtt/ GOtt/ der keinem ſeine Suͤnden vorwirfft/ ſondern ſie erlaſſet um der Schande wil- len. Dabey laſſen wir es auch bleiben/ und dancken Gott/ der uns von ſolcher Gewiſſens-Tortur erloͤſet hat. 3. Sehen wir auch hierauß Confeſſionis ingenuæ, plenæ, parriſia- ſticæ humilis & apertæ fructuoſitatem, den Nutzen einer auffrichti- gen/ voͤlligen/ freudigen/ demuͤhtigen und offentlichen Beicht. Gleich wie der Vater des verlohrnen Sohns ſeinem Sohn mit dem oſculo Kuß/ und alſo mit der Abſolution vorgekommen/ und denſelben nicht auß- reden laſſen/ votum confeſſionis erat inſtar confeſſionis, der gute Will und Vorhaben zu beichten/ war ſo viel als die Beicht ſelbſt. Daß er geſagt/ er wolle zum Vater gehen/ das war ihm genug: So ſollen wir uns auch unſern himmliſchen Vater einbilden/ ehe dann wir ruf- fen/ will Er uns hoͤren/ und ehe wir zu ihm ſchreyen/ will Er uns antworten. Im Geiſtlichen Rechten findet ſich ein ſchoͤner locus cauſ. 33. q. 3. de pœnit. diſt. 3. Omnis qui &c. Non ergò in confeſſione peccatum remittitur, ſed iam re- miſſum eſſe probatur. Fit itaque confeſſio ad oſtenſionem pœnitentiæ, non ad impetrationem gratiæ & veniæ. Et ſicut circumciſiodata Abrahæ in ſignum

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Zitationshilfe: Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus10_1673/112>, abgerufen am 21.11.2024.