Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673.Die Vierzehende Predigt es erschaffen worden; Er hat nachmals gesehen die gantze massam, unsereverderbte und grund-böse Natur/ unsern elenden Stand/ unsere Blöße und grossen Mangel/ da wir ruffen mußten:
Da hat es geheissen: Ecce Adam, siehe Adam ist worden als unser II. Motio affectus, die hertzliche Bewegung und Erbarmen behielte
Die Vierzehende Predigt es erſchaffen worden; Er hat nachmals geſehen die gantze maſſam, unſereverderbte und grund-boͤſe Natur/ unſern elenden Stand/ unſere Bloͤße und groſſen Mangel/ da wir ruffen mußten:
Da hat es geheiſſen: Ecce Adam, ſiehe Adam iſt worden als unſer II. Motio affectus, die hertzliche Bewegung und Erbarmen behielte
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Die Vierzehende Predigt
es erſchaffen worden; Er hat nachmals geſehen die gantze maſſam, unſere
verderbte und grund-boͤſe Natur/ unſern elenden Stand/ unſere Bloͤße
und groſſen Mangel/ da wir ruffen mußten:
Dem Teuffel ich gefangen lag/
Jm Tod war ich verlohren/
Mein Suͤnd mich quaͤlet Nacht und Tag/
Darinn ich bin gebohren/
Jch fall auch immer tieffer drein/
Es iſt kein Guts am Leben mein/
Die Suͤnd hat mich beſeſſen.
Da hat es geheiſſen: Ecce Adam, ſiehe Adam iſt worden als unſer
Einer! Ja hinderſich nauß! Ach wie iſt doch der Menſch/ die edle Creatur/
das ſchoͤne Bild/ ſo ſchaͤndlich verderbet/ wie iſt es ſo haͤßlich zugericht!
Aber es ſahe uns Gott an nicht oculo nequam & maligno, mit einem
Schalcks-Aug/ als ein Schaden-Froh/ wie die Feinde Chriſti/ Pſalm. 40.
& 41. und Matth. 27. Nicht otioſo, mit einem muͤſſigen Schau-Aug/
wie dorten Luc. 10. der Prieſter und Levit den armen Menſchen in ſeinem
Blut ligend geſehen/ die aber voruͤber gegangen/ und ihn liegen laſſen;
ſondern oculo ἐγγυτέρῳ, mit einem nahen Gnaden-Aug/ Er hat uns
gleichſam in die Wunden hinein geſchauet/ und ſie ihm recht vaͤtterlich zu
Hertzen gehen laſſen/ Er hat auff Mittel ſich bedacht/ wie uns wiederum
moͤchte geholffen werden. Jſt
II. Motio affectus, die hertzliche Bewegung und Erbarmen
gegen ihm; es jammerte ihn. Es ſiehet der Vater ſeinen Sohn von
ferne kommen/ cordis commotione mit ſonderbarer Bewegung des Hertz-
ens/ mit Samariters Augen/ Luc. 10. Zweiffels frey hat er ihn eben alſo-
bald nicht gekennet/ er ſiehet einen armen elenden Menſchen daher kom̃en/
das gieng ihm zu Hertzen/ je naͤher er aber zu ihm gekommen/ je mehr dun-
cket ihn/ er ſoll den Menſchen kennen/ er ſiehet ihn auch je laͤnger je friſcher
darauff tretten/ biß er ihn endlich eygentlich in das Geſicht gefaßt und er-
kant/ daß er es ſeye. Da wird er bey ſich geſagt haben: Ey/ behuͤte Gott/ iſt
das mein Sohn? O des elenden Anblicks! das heißt hinauß reißen/ mit
ſo ſchoͤnem Gut wegziehen/ und ſo elend wieder heimkommen? Nun was
ſoll ich thun? ſoll ich ihn wiederum heiſſen fortziehen/ wo er hergekommen?
ſoll ich ihn auch laſſen fuͤr meine Augen kommen? da gieng die lucta,
der Streit des vaͤtterlichen Hertzens und Gerichts an/ endlich aber
behielte
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