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Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673.

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Vom verlohrnen Sohn.
Dann gemeiniglich freuet man sich darüber/ wann man etwas verlohren/
und dasselbe wieder bekommt/ mehr als über alles/ das man noch hat/ wann
es auch schon viel besser oder köstlicher ist. Wer kranck gewesen/ und wie-
der gesund worden/ der freuet sich über die wieder erlangte Gesundheit viel-
mehr/ als zuvor jemahlen. Ein Wittwer oder Wittwe freuet sich öffters
mehr über die andere Ehe als über die erste/ sonderlich wann jene besser schei-
net zu gerahten als diese. Dannenhero sagt auch Christus/ Luc. 15, 7.
Es wird Freude seyn im Himmel über einen Sünder/ der Buße
thut/ mehr dann über neun und neuntzig Gerechten/ die der
Buße nicht bedörffen. Gregorius M. stimmet mit zu/ wann er sagt:
Fit plerumque gratior Deo amore ardens post culpam vita, quam secu-
ritate torpens innocentia, in pastoral. c.
29. Gemeiniglich wird das
Leben eines Menschen GOtt dem HErrn/ wann es nach dem
Fall vor Liebe gegen Jhm gleichsam brennet/ viel angeneh-
mer/ als ein unsträfflicher Wandel bey grosser Sicherheit.
Summa: Es freuet sich Gott der Vater über einen neuen Sohn/ gleich
wie sich Jacob über seinen gefundenen Sohn Joseph gefreuet/ und gesagt:
Jch wil nun gerne sterben/ nach dem ich dein Angesicht gese-
hen habe/ daß du noch lebest/ Gen. 46, 30. Gott der Sohn freuet
sich über einen neuen Bruder/ an dem sein Leyden und Serben nicht ver-
lohren ist. GOtt der H. Geist freuet sich über einen neuen Tempel/ in dem
er zu wohnen Lust hat. Es gieng auch frölich her ob congratulationem
amicorum & vicinorum,
wegen des Glück-Wunsches/ den die Be-
kandte/ Freunde und Nachbaren gegen ihm abgelegt. Dann
eben darum hat er ein gemästet Kalb schlachten lassen/ dieweil er ihm für-
genommen/ Nachbaren und Freunde zu Gast zu laden. Daß ist die Christ-
liche Mit-Freude/ die ein Christ gegen dem andern tragen und bezeugen
soll; Ein recht Englisches Werck/ weil es grosse Freude ist auch bey den
Englen GOttes über einen Sünder/ der Buße thut. Endlich
gieng es frölich her ob Musicam, Symphoniam & Chorum, wegen des
Gesangs und Reyens/ das angestellet worden/ da je einer dem an-
dern durch freundlichen Zuspruch ein gut Hertz gemacht/ und zur Mit-
Freude auffgemuntert. Jst das jenige/ welches wir auch in unsern Christ-
lichen Gemeinden zu thun pflegen/ wann die gantze Kirch/ als auß einem
Munde/ zusamen stimmet:

Nun freut euch lieben Christen g'mein/
Und laßt uns frölich springen/
Daß
Zehender Theil. R

Vom verlohrnen Sohn.
Dann gemeiniglich freuet man ſich daruͤber/ wann man etwas verlohren/
und daſſelbe wieder bekom̃t/ mehr als uͤber alles/ das man noch hat/ wann
es auch ſchon viel beſſer oder koͤſtlicher iſt. Wer kranck geweſen/ und wie-
der geſund worden/ der freuet ſich uͤber die wieder erlangte Geſundheit viel-
mehr/ als zuvor jemahlen. Ein Wittwer oder Wittwe freuet ſich oͤffters
mehr uͤber die andere Ehe als uͤber die erſte/ ſonderlich wann jene beſſer ſchei-
net zu gerahten als dieſe. Dannenhero ſagt auch Chriſtus/ Luc. 15, 7.
Es wird Freude ſeyn im Him̃el uͤber einen Suͤnder/ der Buße
thut/ mehr dann uͤber neun und neuntzig Gerechten/ die der
Buße nicht bedoͤrffen. Gregorius M. ſtimmet mit zu/ wann er ſagt:
Fit plerumque gratior Deo amore ardens poſt culpam vita, quàm ſecu-
ritate torpens innocentia, in paſtoral. c.
29. Gemeiniglich wird das
Leben eines Menſchen GOtt dem HErꝛn/ wann es nach dem
Fall vor Liebe gegen Jhm gleichſam brennet/ viel angeneh-
mer/ als ein unſtraͤfflicher Wandel bey groſſer Sicherheit.
Summa: Es freuet ſich Gott der Vater uͤber einen neuen Sohn/ gleich
wie ſich Jacob uͤber ſeinen gefundenen Sohn Joſeph gefreuet/ und geſagt:
Jch wil nun gerne ſterben/ nach dem ich dein Angeſicht geſe-
hen habe/ daß du noch lebeſt/ Gen. 46, 30. Gott der Sohn freuet
ſich uͤber einen neuen Bruder/ an dem ſein Leyden und Serben nicht ver-
lohren iſt. GOtt der H. Geiſt freuet ſich uͤber einen neuen Tempel/ in dem
er zu wohnen Luſt hat. Es gieng auch froͤlich her ob congratulationem
amicorum & vicinorum,
wegen des Gluͤck-Wunſches/ den die Be-
kandte/ Freunde und Nachbaren gegen ihm abgelegt. Dann
eben darum hat er ein gemaͤſtet Kalb ſchlachten laſſen/ dieweil er ihm fuͤr-
genommen/ Nachbaren und Freunde zu Gaſt zu laden. Daß iſt die Chriſt-
liche Mit-Freude/ die ein Chriſt gegen dem andern tragen und bezeugen
ſoll; Ein recht Engliſches Werck/ weil es groſſe Freude iſt auch bey den
Englen GOttes uͤber einen Suͤnder/ der Buße thut. Endlich
gieng es froͤlich her ob Muſicam, Symphoniam & Chorum, wegen des
Geſangs und Reyens/ das angeſtellet worden/ da je einer dem an-
dern durch freundlichen Zuſpruch ein gut Hertz gemacht/ und zur Mit-
Freude auffgemuntert. Jſt das jenige/ welches wir auch in unſern Chriſt-
lichen Gemeinden zu thun pflegen/ wann die gantze Kirch/ als auß einem
Munde/ zuſamen ſtimmet:

Nun freut euch lieben Chriſten g’mein/
Und laßt uns froͤlich ſpringen/
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Zehender Theil. R
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[129/0147] Vom verlohrnen Sohn. Dann gemeiniglich freuet man ſich daruͤber/ wann man etwas verlohren/ und daſſelbe wieder bekom̃t/ mehr als uͤber alles/ das man noch hat/ wann es auch ſchon viel beſſer oder koͤſtlicher iſt. Wer kranck geweſen/ und wie- der geſund worden/ der freuet ſich uͤber die wieder erlangte Geſundheit viel- mehr/ als zuvor jemahlen. Ein Wittwer oder Wittwe freuet ſich oͤffters mehr uͤber die andere Ehe als uͤber die erſte/ ſonderlich wann jene beſſer ſchei- net zu gerahten als dieſe. Dannenhero ſagt auch Chriſtus/ Luc. 15, 7. Es wird Freude ſeyn im Him̃el uͤber einen Suͤnder/ der Buße thut/ mehr dann uͤber neun und neuntzig Gerechten/ die der Buße nicht bedoͤrffen. Gregorius M. ſtimmet mit zu/ wann er ſagt: Fit plerumque gratior Deo amore ardens poſt culpam vita, quàm ſecu- ritate torpens innocentia, in paſtoral. c. 29. Gemeiniglich wird das Leben eines Menſchen GOtt dem HErꝛn/ wann es nach dem Fall vor Liebe gegen Jhm gleichſam brennet/ viel angeneh- mer/ als ein unſtraͤfflicher Wandel bey groſſer Sicherheit. Summa: Es freuet ſich Gott der Vater uͤber einen neuen Sohn/ gleich wie ſich Jacob uͤber ſeinen gefundenen Sohn Joſeph gefreuet/ und geſagt: Jch wil nun gerne ſterben/ nach dem ich dein Angeſicht geſe- hen habe/ daß du noch lebeſt/ Gen. 46, 30. Gott der Sohn freuet ſich uͤber einen neuen Bruder/ an dem ſein Leyden und Serben nicht ver- lohren iſt. GOtt der H. Geiſt freuet ſich uͤber einen neuen Tempel/ in dem er zu wohnen Luſt hat. Es gieng auch froͤlich her ob congratulationem amicorum & vicinorum, wegen des Gluͤck-Wunſches/ den die Be- kandte/ Freunde und Nachbaren gegen ihm abgelegt. Dann eben darum hat er ein gemaͤſtet Kalb ſchlachten laſſen/ dieweil er ihm fuͤr- genommen/ Nachbaren und Freunde zu Gaſt zu laden. Daß iſt die Chriſt- liche Mit-Freude/ die ein Chriſt gegen dem andern tragen und bezeugen ſoll; Ein recht Engliſches Werck/ weil es groſſe Freude iſt auch bey den Englen GOttes uͤber einen Suͤnder/ der Buße thut. Endlich gieng es froͤlich her ob Muſicam, Symphoniam & Chorum, wegen des Geſangs und Reyens/ das angeſtellet worden/ da je einer dem an- dern durch freundlichen Zuſpruch ein gut Hertz gemacht/ und zur Mit- Freude auffgemuntert. Jſt das jenige/ welches wir auch in unſern Chriſt- lichen Gemeinden zu thun pflegen/ wann die gantze Kirch/ als auß einem Munde/ zuſamen ſtimmet: Nun freut euch lieben Chriſten g’mein/ Und laßt uns froͤlich ſpringen/ Daß Zehender Theil. R

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Zitationshilfe: Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus10_1673/147>, abgerufen am 17.05.2024.