Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Siebenzehende Predigt
was ihm zu wissen nöthig ist? warum lernet mans nicht? war-
um haltet man nicht gute Prediger? man will unwissend seyn.
Das Evangelium ist in Teutschland kommen/ viel verfolgens/
wenig begehrens/ viel weniger nehmens an/ und die es anneh-
men/ stellen sich so laß und faul dazu/ lassen die Schulen ver-
gehen/ Pfarren und Predigt-Stühl fallen/ niemand dencket dar-
an/ daß mans erhalte/ und Leute aufferziehe/ und lassen uns al-
len thalben stehen/ als wäre es uns leyd/ daß wir etwas lerneten/
und gern nichts wissen wolten/ etc. Man schützet keine Einfalt noch
die natürliche Unvermöglichkeit vor; man beklagt sich nicht/ daß es zu
schwer zu lernen; man unterscheidet nit die Ampts- und Nebens-Wercke/
welche wohl beysammen stehen. Wie machte es David/ und der Käm-
merer der Königin in Morenland/ Act. 8. die warteten ihres Beruffs/
und lerneten doch auch dabey ihren Gott und Heyland erkennen. Was thun
die Widertäuffer? sie handlen und wandlen in weltlichen dingen/ und die
Religion oder Gottesdienst leidet bey ihnen doch keinen Abbruch. Diese sol-
ten uns schamroth machen/ und eines bessern erinnern. 2. Jst diese
Blindheit damnosa & causa superbiae, eine verdammliche Mutter
des Pharisäischen Hochmuths. Dann/ lieber Mensch/ wiltu selig
werden/ so mustu auch wissen/ wie? meynestu/ GOtt werde dich unmittel-
bar in Himmel nehmen/ du glaubest was du wollest? O wehe nein! Er
hat dirs nirgend versprochen/ sonst könten auch Türcken/ Tartaren und
Barbaren selig werden. Wissen soltu/ daß Gott eine gantz vollkommene
und Engel-reine Gerechtigkeit von dir fordert; quod mala voluntate
perditum, justa voluntate repetit,
was der Mensch muthwillig ver-
lohren/ das begehret GOtt rechtmäßiger weise wieder von ihm.
Eine solche Gerechtigkeit aber hastu nicht/ dein Hertz verdammet dich/ dein
Leben überzeuget dich/ eine einige auch die geringste Sünde verdammet
dich. Wo dann nun hinauß? da zeigt dir das Evangelium die Gerech-
tigkeit JEsu Christi/ die er durch Thun und Leyden erworben/ und mit sei-
ner Erhöhung bestätiget. Wer ist aber Christus? wie wird man seiner
fähig? ist seine Gerechtigkeit auch allgemein? welches seind die Mittel/ daß
ich dazu gelange? was ist Wort und Sacramenten? womit ergreiffe ichs?
was ist der Glaub? was ist [d]er seligmachende/ oder historische/ oder
Tugend-Glaub? wo wird mir solches alles geoffenbahret? nit im Gesetz/
dann das ist nur ein Feur-Spiegel/ ein tödender Buchstab/ sondern im
Evangelio/ einer gantz neuen und der Vernunfft unbekandten Lehre. Da
lehret man glauben/ da empfängt man den kindlichen Geist/ nicht gezwun-

gen

Die Siebenzehende Predigt
was ihm zu wiſſen noͤthig iſt? warum lernet mans nicht? war-
um haltet man nicht gute Prediger? man will unwiſſend ſeyn.
Das Evangelium iſt in Teutſchland kommen/ viel verfolgens/
wenig begehrens/ viel weniger nehmens an/ und die es anneh-
men/ ſtellen ſich ſo laß und faul dazu/ laſſen die Schulen ver-
gehen/ Pfarꝛen und Predigt-Stuͤhl fallẽ/ niemand dencket dar-
an/ daß mans erhalte/ und Leute aufferziehe/ und laſſen uns al-
len thalben ſtehen/ als waͤre es uns leyd/ daß wir etwas lerneten/
und gern nichts wiſſen wolten/ ꝛc. Man ſchuͤtzet keine Einfalt noch
die natuͤrliche Unvermoͤglichkeit vor; man beklagt ſich nicht/ daß es zu
ſchwer zu lernen; man unterſcheidet nit die Ampts- und Nebens-Wercke/
welche wohl beyſammen ſtehen. Wie machte es David/ und der Kaͤm-
merer der Koͤnigin in Morenland/ Act. 8. die warteten ihres Beruffs/
und lerneten doch auch dabey ihren Gott und Heyland erkennẽ. Was thun
die Widertaͤuffer? ſie handlen und wandlen in weltlichen dingen/ und die
Religion oder Gottesdienſt leidet bey ihnen doch keinen Abbruch. Dieſe ſol-
ten uns ſchamroth machen/ und eines beſſern erinnern. 2. Jſt dieſe
Blindheit damnoſa & cauſa ſuperbiæ, eine verdammliche Mutter
des Phariſaͤiſchen Hochmuths. Dann/ lieber Menſch/ wiltu ſelig
werden/ ſo muſtu auch wiſſen/ wie? meyneſtu/ GOtt werde dich unmittel-
bar in Himmel nehmen/ du glaubeſt was du wolleſt? O wehe nein! Er
hat dirs nirgend verſprochen/ ſonſt koͤnten auch Tuͤrcken/ Tartaren und
Barbaren ſelig werden. Wiſſen ſoltu/ daß Gott eine gantz vollkommene
und Engel-reine Gerechtigkeit von dir fordert; quod malâ voluntate
perditum, juſtâ voluntate repetit,
was der Menſch muthwillig ver-
lohren/ das begehret GOtt rechtmaͤßiger weiſe wieder von ihm.
Eine ſolche Gerechtigkeit aber haſtu nicht/ dein Hertz verdammet dich/ dein
Leben uͤberzeuget dich/ eine einige auch die geringſte Suͤnde verdammet
dich. Wo dann nun hinauß? da zeigt dir das Evangelium die Gerech-
tigkeit JEſu Chriſti/ die er durch Thun und Leyden erworben/ und mit ſei-
ner Erhoͤhung beſtaͤtiget. Wer iſt aber Chriſtus? wie wird man ſeiner
faͤhig? iſt ſeine Gerechtigkeit auch allgemein? welches ſeind die Mittel/ daß
ich dazu gelange? was iſt Wort und Sacramentẽ? womit ergreiffe ichs?
was iſt der Glaub? was iſt [d]er ſeligmachende/ oder hiſtoriſche/ oder
Tugend-Glaub? wo wird mir ſolches alles geoffenbahret? nit im Geſetz/
dann das iſt nur ein Feur-Spiegel/ ein toͤdender Buchſtab/ ſondern im
Evangelio/ einer gantz neuen und der Vernunfft unbekandten Lehre. Da
lehret man glauben/ da empfaͤngt man den kindlichen Geiſt/ nicht gezwun-

gen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0170" n="152"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die Siebenzehende Predigt</hi></fw><lb/>
was ihm zu wi&#x017F;&#x017F;en no&#x0364;thig i&#x017F;t<hi rendition="#fr">?</hi> warum lernet mans nicht<hi rendition="#fr">?</hi> war-<lb/>
um haltet man nicht gute Prediger<hi rendition="#fr">?</hi> man will unwi&#x017F;&#x017F;end &#x017F;eyn.<lb/>
Das Evangelium i&#x017F;t in Teut&#x017F;chland kommen/ viel verfolgens/<lb/>
wenig begehrens/ viel weniger nehmens an/ und die es anneh-<lb/>
men/ &#x017F;tellen &#x017F;ich &#x017F;o laß und faul dazu/ la&#x017F;&#x017F;en die Schulen ver-<lb/>
gehen/ Pfar&#xA75B;en und Predigt-Stu&#x0364;hl falle&#x0303;/ niemand dencket dar-<lb/>
an/ daß mans erhalte/ und Leute aufferziehe/ und la&#x017F;&#x017F;en uns al-<lb/>
len thalben &#x017F;tehen/ als wa&#x0364;re es uns leyd/ daß wir etwas lerneten/<lb/>
und gern nichts wi&#x017F;&#x017F;en wolten/ <hi rendition="#fr">&#xA75B;c.</hi> Man &#x017F;chu&#x0364;tzet keine Einfalt noch<lb/>
die natu&#x0364;rliche Unvermo&#x0364;glichkeit vor; man beklagt &#x017F;ich nicht/ daß es zu<lb/>
&#x017F;chwer zu lernen; man unter&#x017F;cheidet nit die Ampts- und Nebens-Wercke/<lb/>
welche wohl bey&#x017F;ammen &#x017F;tehen. Wie machte es David/ und der Ka&#x0364;m-<lb/>
merer der Ko&#x0364;nigin in Morenland/ <hi rendition="#aq">Act.</hi> 8. die warteten ihres Beruffs/<lb/>
und lerneten doch auch dabey ihren Gott und Heyland erkenne&#x0303;. Was thun<lb/>
die Widerta&#x0364;uffer? &#x017F;ie handlen und wandlen in weltlichen dingen/ und die<lb/>
Religion oder Gottesdien&#x017F;t leidet bey ihnen doch keinen Abbruch. Die&#x017F;e &#x017F;ol-<lb/>
ten uns &#x017F;chamroth machen/ und eines be&#x017F;&#x017F;ern erinnern. 2. J&#x017F;t die&#x017F;e<lb/>
Blindheit <hi rendition="#aq">damno&#x017F;a &amp; cau&#x017F;a &#x017F;uperbiæ,</hi> eine verdammliche Mutter<lb/>
des Phari&#x017F;a&#x0364;i&#x017F;chen Hochmuths. Dann/ lieber Men&#x017F;ch/ wiltu &#x017F;elig<lb/>
werden/ &#x017F;o mu&#x017F;tu auch wi&#x017F;&#x017F;en/ wie? meyne&#x017F;tu/ GOtt werde dich unmittel-<lb/>
bar in Himmel nehmen/ du glaube&#x017F;t was du wolle&#x017F;t? O wehe nein! Er<lb/>
hat dirs nirgend ver&#x017F;prochen/ &#x017F;on&#x017F;t ko&#x0364;nten auch Tu&#x0364;rcken/ Tartaren und<lb/>
Barbaren &#x017F;elig werden. Wi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;oltu/ daß <hi rendition="#k">Gott</hi> eine gantz vollkommene<lb/>
und Engel-reine Gerechtigkeit von dir fordert; <hi rendition="#aq">quod malâ voluntate<lb/>
perditum, ju&#x017F;tâ voluntate repetit,</hi> was der Men&#x017F;ch muthwillig ver-<lb/>
lohren/ das begehret GOtt rechtma&#x0364;ßiger wei&#x017F;e wieder von ihm.<lb/>
Eine &#x017F;olche Gerechtigkeit aber ha&#x017F;tu nicht/ dein Hertz verdammet dich/ dein<lb/>
Leben u&#x0364;berzeuget dich/ eine einige auch die gering&#x017F;te Su&#x0364;nde verdammet<lb/>
dich. Wo dann nun hinauß? da zeigt dir das Evangelium die Gerech-<lb/>
tigkeit JE&#x017F;u Chri&#x017F;ti/ die er durch Thun und Leyden erworben/ und mit &#x017F;ei-<lb/>
ner Erho&#x0364;hung be&#x017F;ta&#x0364;tiget. Wer i&#x017F;t aber Chri&#x017F;tus? wie wird man &#x017F;einer<lb/>
fa&#x0364;hig? i&#x017F;t &#x017F;eine Gerechtigkeit auch allgemein? welches &#x017F;eind die Mittel/ daß<lb/>
ich dazu gelange? was i&#x017F;t Wort und Sacramente&#x0303;? womit ergreiffe ichs?<lb/>
was i&#x017F;t der Glaub? was i&#x017F;t <supplied>d</supplied>er &#x017F;eligmachende/ oder hi&#x017F;tori&#x017F;che/ oder<lb/>
Tugend-Glaub? wo wird mir &#x017F;olches alles geoffenbahret? nit im Ge&#x017F;etz/<lb/>
dann das i&#x017F;t nur ein Feur-Spiegel/ ein to&#x0364;dender Buch&#x017F;tab/ &#x017F;ondern im<lb/>
Evangelio/ einer gantz neuen und der Vernunfft unbekandten Lehre. Da<lb/>
lehret man glauben/ da empfa&#x0364;ngt man den kindlichen Gei&#x017F;t/ nicht gezwun-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[152/0170] Die Siebenzehende Predigt was ihm zu wiſſen noͤthig iſt? warum lernet mans nicht? war- um haltet man nicht gute Prediger? man will unwiſſend ſeyn. Das Evangelium iſt in Teutſchland kommen/ viel verfolgens/ wenig begehrens/ viel weniger nehmens an/ und die es anneh- men/ ſtellen ſich ſo laß und faul dazu/ laſſen die Schulen ver- gehen/ Pfarꝛen und Predigt-Stuͤhl fallẽ/ niemand dencket dar- an/ daß mans erhalte/ und Leute aufferziehe/ und laſſen uns al- len thalben ſtehen/ als waͤre es uns leyd/ daß wir etwas lerneten/ und gern nichts wiſſen wolten/ ꝛc. Man ſchuͤtzet keine Einfalt noch die natuͤrliche Unvermoͤglichkeit vor; man beklagt ſich nicht/ daß es zu ſchwer zu lernen; man unterſcheidet nit die Ampts- und Nebens-Wercke/ welche wohl beyſammen ſtehen. Wie machte es David/ und der Kaͤm- merer der Koͤnigin in Morenland/ Act. 8. die warteten ihres Beruffs/ und lerneten doch auch dabey ihren Gott und Heyland erkennẽ. Was thun die Widertaͤuffer? ſie handlen und wandlen in weltlichen dingen/ und die Religion oder Gottesdienſt leidet bey ihnen doch keinen Abbruch. Dieſe ſol- ten uns ſchamroth machen/ und eines beſſern erinnern. 2. Jſt dieſe Blindheit damnoſa & cauſa ſuperbiæ, eine verdammliche Mutter des Phariſaͤiſchen Hochmuths. Dann/ lieber Menſch/ wiltu ſelig werden/ ſo muſtu auch wiſſen/ wie? meyneſtu/ GOtt werde dich unmittel- bar in Himmel nehmen/ du glaubeſt was du wolleſt? O wehe nein! Er hat dirs nirgend verſprochen/ ſonſt koͤnten auch Tuͤrcken/ Tartaren und Barbaren ſelig werden. Wiſſen ſoltu/ daß Gott eine gantz vollkommene und Engel-reine Gerechtigkeit von dir fordert; quod malâ voluntate perditum, juſtâ voluntate repetit, was der Menſch muthwillig ver- lohren/ das begehret GOtt rechtmaͤßiger weiſe wieder von ihm. Eine ſolche Gerechtigkeit aber haſtu nicht/ dein Hertz verdammet dich/ dein Leben uͤberzeuget dich/ eine einige auch die geringſte Suͤnde verdammet dich. Wo dann nun hinauß? da zeigt dir das Evangelium die Gerech- tigkeit JEſu Chriſti/ die er durch Thun und Leyden erworben/ und mit ſei- ner Erhoͤhung beſtaͤtiget. Wer iſt aber Chriſtus? wie wird man ſeiner faͤhig? iſt ſeine Gerechtigkeit auch allgemein? welches ſeind die Mittel/ daß ich dazu gelange? was iſt Wort und Sacramentẽ? womit ergreiffe ichs? was iſt der Glaub? was iſt der ſeligmachende/ oder hiſtoriſche/ oder Tugend-Glaub? wo wird mir ſolches alles geoffenbahret? nit im Geſetz/ dann das iſt nur ein Feur-Spiegel/ ein toͤdender Buchſtab/ ſondern im Evangelio/ einer gantz neuen und der Vernunfft unbekandten Lehre. Da lehret man glauben/ da empfaͤngt man den kindlichen Geiſt/ nicht gezwun- gen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus10_1673
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus10_1673/170
Zitationshilfe: Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus10_1673/170>, abgerufen am 24.11.2024.