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Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897.

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Mönchen und Nonnen, Löwen und Bären, Straußen und
Kauzen und aus dem Teufel selbst. Etliche unfläthige Wein-
schläuche trinken einander zu aus Schüsseln und Krügen,
Schuhen und Stiefeln, aus Nachttöpfen und Harnkacheln.
Vorher nehmen sie Antidota, bittere Mandeln, Pfirsichkerne,
Häringe, teils um sich zum Saufen zu armieren, teils um
sich zu präserwieren gegen zu rasche Trunkenheit1)."

Selbst auf das gewerbliche Leben äußerte die Religions-
neuerung nachteilige Folgen. Vornehmlich litten darunter die
Zünfte, welche ihr Handwerk ebenso mit dem kirchlichen
Wesen verknüpft hatten, wie Staat und Kirche miteinander
verwachsen waren. Wie hier die religiöse Neuerung Tren-
nung bewirkte und Umwälzungen schuf, so auch im Gewerbs-
leben des 16. Jahrhunderts. Hören wir darüber das Zeugnis
eines kompetenten Beurteilers aus neuerer Zeit.

"Die religiöse Seite des Zunftlebens, welche ehedem alle
Bestrebungen der Handwerkerkorporationen durchdrang, die
Pflege des Gottesdienstes, die Ausübung christlicher Mild-
thätigkeit gegen Arme und Kranke war geschwunden, seitdem
die Reformation die Bruderschaften in eine katholische und
eine protestantische Partei getrennt hatte. Überhaupt sind die
politischen Umwälzungen der Reformation für die selbständige
Entwicklung des Handwerkerstandes eher nachteilig als
vorteilhaft gewesen; denn die fürstliche Gewalt betrachtete sich
als natürliche Erbin der verdrängten alten Kirche und artete
überall da, wo sie dieses Erbe angetreten hatte, in eine Politik
des Absolutismus und der Unterdrückung des freien, unab-
hängigen Bürgertums aus; in demselben Maße, wie das letztere

1) Elf Predigten über die vornehmsten Laster. Tübingen 1603,
Cf. Lutherische Kanzel im 17. Jahrhundert von J. Diefenbach, Mainz.
Kirchheim 1887, S. 50--70.

Mönchen und Nonnen, Löwen und Bären, Straußen und
Kauzen und aus dem Teufel ſelbſt. Etliche unfläthige Wein-
ſchläuche trinken einander zu aus Schüſſeln und Krügen,
Schuhen und Stiefeln, aus Nachttöpfen und Harnkacheln.
Vorher nehmen ſie Antidota, bittere Mandeln, Pfirſichkerne,
Häringe, teils um ſich zum Saufen zu armieren, teils um
ſich zu präſerwieren gegen zu raſche Trunkenheit1).‟

Selbſt auf das gewerbliche Leben äußerte die Religions-
neuerung nachteilige Folgen. Vornehmlich litten darunter die
Zünfte, welche ihr Handwerk ebenſo mit dem kirchlichen
Weſen verknüpft hatten, wie Staat und Kirche miteinander
verwachſen waren. Wie hier die religiöſe Neuerung Tren-
nung bewirkte und Umwälzungen ſchuf, ſo auch im Gewerbs-
leben des 16. Jahrhunderts. Hören wir darüber das Zeugnis
eines kompetenten Beurteilers aus neuerer Zeit.

„Die religiöſe Seite des Zunftlebens, welche ehedem alle
Beſtrebungen der Handwerkerkorporationen durchdrang, die
Pflege des Gottesdienſtes, die Ausübung chriſtlicher Mild-
thätigkeit gegen Arme und Kranke war geſchwunden, ſeitdem
die Reformation die Bruderſchaften in eine katholiſche und
eine proteſtantiſche Partei getrennt hatte. Überhaupt ſind die
politiſchen Umwälzungen der Reformation für die ſelbſtändige
Entwicklung des Handwerkerſtandes eher nachteilig als
vorteilhaft geweſen; denn die fürſtliche Gewalt betrachtete ſich
als natürliche Erbin der verdrängten alten Kirche und artete
überall da, wo ſie dieſes Erbe angetreten hatte, in eine Politik
des Abſolutismus und der Unterdrückung des freien, unab-
hängigen Bürgertums aus; in demſelben Maße, wie das letztere

1) Elf Predigten über die vornehmſten Laſter. Tübingen 1603,
Cf. Lutheriſche Kanzel im 17. Jahrhundert von J. Diefenbach, Mainz.
Kirchheim 1887, S. 50—70.
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[50/0062] Mönchen und Nonnen, Löwen und Bären, Straußen und Kauzen und aus dem Teufel ſelbſt. Etliche unfläthige Wein- ſchläuche trinken einander zu aus Schüſſeln und Krügen, Schuhen und Stiefeln, aus Nachttöpfen und Harnkacheln. Vorher nehmen ſie Antidota, bittere Mandeln, Pfirſichkerne, Häringe, teils um ſich zum Saufen zu armieren, teils um ſich zu präſerwieren gegen zu raſche Trunkenheit 1).‟ Selbſt auf das gewerbliche Leben äußerte die Religions- neuerung nachteilige Folgen. Vornehmlich litten darunter die Zünfte, welche ihr Handwerk ebenſo mit dem kirchlichen Weſen verknüpft hatten, wie Staat und Kirche miteinander verwachſen waren. Wie hier die religiöſe Neuerung Tren- nung bewirkte und Umwälzungen ſchuf, ſo auch im Gewerbs- leben des 16. Jahrhunderts. Hören wir darüber das Zeugnis eines kompetenten Beurteilers aus neuerer Zeit. „Die religiöſe Seite des Zunftlebens, welche ehedem alle Beſtrebungen der Handwerkerkorporationen durchdrang, die Pflege des Gottesdienſtes, die Ausübung chriſtlicher Mild- thätigkeit gegen Arme und Kranke war geſchwunden, ſeitdem die Reformation die Bruderſchaften in eine katholiſche und eine proteſtantiſche Partei getrennt hatte. Überhaupt ſind die politiſchen Umwälzungen der Reformation für die ſelbſtändige Entwicklung des Handwerkerſtandes eher nachteilig als vorteilhaft geweſen; denn die fürſtliche Gewalt betrachtete ſich als natürliche Erbin der verdrängten alten Kirche und artete überall da, wo ſie dieſes Erbe angetreten hatte, in eine Politik des Abſolutismus und der Unterdrückung des freien, unab- hängigen Bürgertums aus; in demſelben Maße, wie das letztere 1) Elf Predigten über die vornehmſten Laſter. Tübingen 1603, Cf. Lutheriſche Kanzel im 17. Jahrhundert von J. Diefenbach, Mainz. Kirchheim 1887, S. 50—70.

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Zitationshilfe: Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/diefenbach_reformation_1897/62>, abgerufen am 04.12.2024.