Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897.in dem Erlöschen der Jdee vom allgemeinen Priester- "Es ist das eine Hauptquelle, warum bisher in unserer Kirche Es ist ein alter Erfahrungssatz, daß die größten Übel 1) Tholuk, II a. 131.
in dem Erlöſchen der Jdee vom allgemeinen Prieſter- „Es iſt das eine Hauptquelle, warum bisher in unſerer Kirche Es iſt ein alter Erfahrungsſatz, daß die größten Übel 1) Tholuk, II a. 131.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0066" n="54"/> in dem Erlöſchen der Jdee vom <hi rendition="#g">allgemeinen Prieſter-<lb/> tum</hi> im Volke gefunden haben, weßhalb er drei Predigten<lb/> hält und herausgiebt über das „regale ſacerdotium:‟</p><lb/> <cit> <quote>„Es iſt das eine Hauptquelle, warum bisher in unſerer Kirche<lb/> ſo gar wenig Hoffnung gefunden wird. Die Chriſten haben ſich zu<lb/> wenig als Prieſter Gottes erkannt. Daher die große Barbarei ent-<lb/> ſtanden, daß man nicht allein nicht chriſtlich, ſondern faſt ganz teufliſch<lb/> und viehiſch bei den meiſten lebt, ja faſt nicht einmal weiß, was Chriſti<lb/> Leben und heilige Nachfolge iſt, und was es fruchte! Ja eben daher<lb/> iſt endlich das unglückſelige Unweſen wie eine ungeheure Sündflut<lb/> über ganz Deutſchlaud und über uns ſelbſt gekommen und geſchwommen,<lb/> dadurch wir faſt in den Abgrund verſenkt oder bis auf den innerſten<lb/> Grund ausgezogen, abgezehrt und verheeret liegen und noch kein Auf-<lb/> hören ſehen.‟</quote> </cit><lb/> <p>Es iſt ein alter Erfahrungsſatz, daß die größten Übel<lb/> oft im Moment der höchſten Kriſis das Heilmittel in ſich<lb/> ſelbſt tragen und dadurch die Geneſung anbahnen. Die Größe<lb/> des allgemeinen Sittenverderbniſſes führte die Reaktion her-<lb/> bei. Dieſelbe wurde eingeleitet durch die Periode der Buß-<lb/> predigten, welche die erſte Hälfte 17. Jahrhunderts aus-<lb/> füllen. Solche Bußpredigten lieferten z. B. C. Dietrich,<lb/> C. Markus, Mengering, Hardkopf, Chr. Gros, Fr. Küffner,<lb/> N. Euſemius, Beſſel, H. Braunen, Hoe von Hohenegg,<lb/> J. Nuberus, J. Binſchius und viele andere. Vielfach<lb/> behandelten ſie das Thema vom <hi rendition="#g">verlorenen Sohne</hi> z. B.<lb/> C. Stiller und N. Cornapäus. Es galt nicht mehr die Ver-<lb/> teidigung der reinen Lehre, als vielmehr die Pflege eines<lb/> chriſtlichen Lebens |nach Jnnen<note place="foot" n="1)">Tholuk, <hi rendition="#aq">II a.</hi> 131.</note>. Die Anregung dazu war<lb/> gegeben durch Arndts „wahres Chriſtentum‟ 1605, durch<lb/> J. Gerhardts <hi rendition="#aq">„Meditationes sacrae‟</hi> 1606 und deſſen<lb/><hi rendition="#aq">„Scholae pietatis.‟</hi> Auch Oſianders „einfältiges Chriſten-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [54/0066]
in dem Erlöſchen der Jdee vom allgemeinen Prieſter-
tum im Volke gefunden haben, weßhalb er drei Predigten
hält und herausgiebt über das „regale ſacerdotium:‟
„Es iſt das eine Hauptquelle, warum bisher in unſerer Kirche
ſo gar wenig Hoffnung gefunden wird. Die Chriſten haben ſich zu
wenig als Prieſter Gottes erkannt. Daher die große Barbarei ent-
ſtanden, daß man nicht allein nicht chriſtlich, ſondern faſt ganz teufliſch
und viehiſch bei den meiſten lebt, ja faſt nicht einmal weiß, was Chriſti
Leben und heilige Nachfolge iſt, und was es fruchte! Ja eben daher
iſt endlich das unglückſelige Unweſen wie eine ungeheure Sündflut
über ganz Deutſchlaud und über uns ſelbſt gekommen und geſchwommen,
dadurch wir faſt in den Abgrund verſenkt oder bis auf den innerſten
Grund ausgezogen, abgezehrt und verheeret liegen und noch kein Auf-
hören ſehen.‟
Es iſt ein alter Erfahrungsſatz, daß die größten Übel
oft im Moment der höchſten Kriſis das Heilmittel in ſich
ſelbſt tragen und dadurch die Geneſung anbahnen. Die Größe
des allgemeinen Sittenverderbniſſes führte die Reaktion her-
bei. Dieſelbe wurde eingeleitet durch die Periode der Buß-
predigten, welche die erſte Hälfte 17. Jahrhunderts aus-
füllen. Solche Bußpredigten lieferten z. B. C. Dietrich,
C. Markus, Mengering, Hardkopf, Chr. Gros, Fr. Küffner,
N. Euſemius, Beſſel, H. Braunen, Hoe von Hohenegg,
J. Nuberus, J. Binſchius und viele andere. Vielfach
behandelten ſie das Thema vom verlorenen Sohne z. B.
C. Stiller und N. Cornapäus. Es galt nicht mehr die Ver-
teidigung der reinen Lehre, als vielmehr die Pflege eines
chriſtlichen Lebens |nach Jnnen 1). Die Anregung dazu war
gegeben durch Arndts „wahres Chriſtentum‟ 1605, durch
J. Gerhardts „Meditationes sacrae‟ 1606 und deſſen
„Scholae pietatis.‟ Auch Oſianders „einfältiges Chriſten-
1) Tholuk, II a. 131.
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