Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836.er hüllt sich in Unverständlichkeit ein, dem Wahne huldigend, 2) Man würde es nicht erleben, daß akademi- sche Lehrer ungeprüfte Neuerungen ihren Schülern als ewige Wahrheit vorlegten. Es ist eine sehr merkwürdige Erscheinung, daß man Dinge Es sind Staatsanstalten unsre Universitäten, ihre Lehrer er huͤllt ſich in Unverſtaͤndlichkeit ein, dem Wahne huldigend, 2) Man wuͤrde es nicht erleben, daß akademi- ſche Lehrer ungepruͤfte Neuerungen ihren Schuͤlern als ewige Wahrheit vorlegten. Es iſt eine ſehr merkwuͤrdige Erſcheinung, daß man Dinge Es ſind Staatsanſtalten unſre Univerſitaͤten, ihre Lehrer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0026" n="8"/> er huͤllt ſich in Unverſtaͤndlichkeit ein, dem Wahne huldigend,<lb/> daß ſie ein Merkmal der Tiefe der Forſchung ſei. Aber die<lb/> wahre Tiefe iſt klar und, weil ſie klar iſt, verſtaͤndlich und<lb/> dem aufmerkſamen Bewußtſein Gebildeter zugaͤnglich. Die<lb/> Unklarheit iſt entweder ein Mangel tiefer Forſchung, oder der<lb/> Methode, oder der Verſchrobenheit der Sprache, alſo jederzeit<lb/> ein Fehler. Wohin iſt nicht unſre Philoſophie gerathen, die<lb/> Philoſophie, von der es bis zum heutigen Tage ungewiß iſt,<lb/> ob ein Menſch ſie verſtanden, ja die vielleicht der Erfinder<lb/> ſelbſt nicht ganz verſtand! Geſtand doch ſchon <hi rendition="#g">Fichte</hi> ſpaͤter<lb/> in ſeiner Offenheit ſelbſt, daß er manchen Satz ſeiner Wiſſen-<lb/> ſchaftslehre nicht mehr verſtehe, und der mit der Sprachwiſ-<lb/> ſenſchaft vertraute, wiſſenſchaftliche <hi rendition="#g">Bernhardi,</hi> daß er,<lb/> ungeachtet ſiebenmaligen Hoͤrens und Studirens der <hi rendition="#g">Fichte’</hi>-<lb/> ſchen Wiſſenſchaftslehre, ſie nicht verſtanden habe. Und<lb/> dieſe Philoſophie, der ſogar ein <hi rendition="#g">Schelling,</hi> der Schoͤpfer<lb/> der Naturphiloſophie, dem man das Praͤdicat der durchſichti-<lb/> gen, lichten Verſtaͤndlichkeit, wie <hi rendition="#g">Leſſing</hi> und <hi rendition="#g">Kant</hi> ſie be-<lb/> ſaßen, nicht beilegen kann, den Vorwurf der Unverſtaͤndlich-<lb/> keit macht, traͤgt man unſern unphiloſophiſchen Juͤnglingen<lb/> vor! Wohin ſind wir in dieſer Beziehung gerathen, wohin<lb/> werden wir noch gerathen, wenn es ſo fortgeht in die Unklar-<lb/> heit, Unverſtaͤndlichkeit, Myſtik hinein!</p><lb/> <list> <item>2) <hi rendition="#g">Man wuͤrde es nicht erleben, daß akademi-<lb/> ſche Lehrer ungepruͤfte Neuerungen ihren<lb/> Schuͤlern als ewige Wahrheit vorlegten</hi>.</item> </list><lb/> <p>Es iſt eine ſehr merkwuͤrdige Erſcheinung, daß man Dinge<lb/> duldet, wie ſie alle Tage auf unſeren Univerſitaͤten paſſiren.</p><lb/> <p>Es ſind Staatsanſtalten unſre Univerſitaͤten, ihre Lehrer<lb/> vom Staate berufen, reifenden Juͤnglingen die Wahrheit der<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [8/0026]
er huͤllt ſich in Unverſtaͤndlichkeit ein, dem Wahne huldigend,
daß ſie ein Merkmal der Tiefe der Forſchung ſei. Aber die
wahre Tiefe iſt klar und, weil ſie klar iſt, verſtaͤndlich und
dem aufmerkſamen Bewußtſein Gebildeter zugaͤnglich. Die
Unklarheit iſt entweder ein Mangel tiefer Forſchung, oder der
Methode, oder der Verſchrobenheit der Sprache, alſo jederzeit
ein Fehler. Wohin iſt nicht unſre Philoſophie gerathen, die
Philoſophie, von der es bis zum heutigen Tage ungewiß iſt,
ob ein Menſch ſie verſtanden, ja die vielleicht der Erfinder
ſelbſt nicht ganz verſtand! Geſtand doch ſchon Fichte ſpaͤter
in ſeiner Offenheit ſelbſt, daß er manchen Satz ſeiner Wiſſen-
ſchaftslehre nicht mehr verſtehe, und der mit der Sprachwiſ-
ſenſchaft vertraute, wiſſenſchaftliche Bernhardi, daß er,
ungeachtet ſiebenmaligen Hoͤrens und Studirens der Fichte’-
ſchen Wiſſenſchaftslehre, ſie nicht verſtanden habe. Und
dieſe Philoſophie, der ſogar ein Schelling, der Schoͤpfer
der Naturphiloſophie, dem man das Praͤdicat der durchſichti-
gen, lichten Verſtaͤndlichkeit, wie Leſſing und Kant ſie be-
ſaßen, nicht beilegen kann, den Vorwurf der Unverſtaͤndlich-
keit macht, traͤgt man unſern unphiloſophiſchen Juͤnglingen
vor! Wohin ſind wir in dieſer Beziehung gerathen, wohin
werden wir noch gerathen, wenn es ſo fortgeht in die Unklar-
heit, Unverſtaͤndlichkeit, Myſtik hinein!
2) Man wuͤrde es nicht erleben, daß akademi-
ſche Lehrer ungepruͤfte Neuerungen ihren
Schuͤlern als ewige Wahrheit vorlegten.
Es iſt eine ſehr merkwuͤrdige Erſcheinung, daß man Dinge
duldet, wie ſie alle Tage auf unſeren Univerſitaͤten paſſiren.
Es ſind Staatsanſtalten unſre Univerſitaͤten, ihre Lehrer
vom Staate berufen, reifenden Juͤnglingen die Wahrheit der
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