Bedeutung der Astronomie für die Lehre des Aristoteles von Gott.
und zwar sind die Bewegungen der Gestirne in ihrer Gedanken- mäßigkeit ein Ausdruck der im Zwecke liegenden Bewegungskraft; die Astronomie ist die der Philosophie nächstverwandte mathematische Wissenschaft 1). Diese Gedanken schreiten in der von Anaxagoras zuerst betretenen Bahn fort, und ein Zug der Ideen wirkt von ihnen weiter bis auf die von dem gedankenmäßigen, harmonischen Charakter der Welt getragenen Forschungen Kepler's, nach welchen in Abmessungen und Zahlen die Vollkommenheit Gottes sich ab- spiegelt.
Die Theologie des Aristoteles liegt in der Abhandlung vor, welche als zwölftes Buch der Sammlung der metaphysischen Schriften eingefügt ist. Sie enthält den Höhepunkt derselben; denn sie erweist das Dasein der Einzelsubstanz, welche immateriell und veränderungslos ist und von Anfang an als das eigentliche Objekt der ersten Philosophie von Aristoteles bezeichnet worden ist 2). Die Abhandlung steht einerseits mit dem Schluß der Physik sowie der Schrift über das Himmelsgebäude, andrerseits mit den Grund- bestimmungen der metaphysischen Schriften in Beziehung.
Diese aristotelische Theologie beherrscht das ganze Mittelalter. Jedoch übernahm in der späteren philosophischen Entwicklung die erstgeschaffene Intelligenz die Stelle des Bewegers des Fixsternhimmels, und aus den göttlichen Substanzen, durch welche Aristoteles die zusammengesetzen Bewegungen der anderen Welt- körper hervorbringen läßt, wurde ein phantastisches Reich von Gestirngeistern. Der Gegensatz der Welt des Aethers und der Kreisbewegung zu der Welt der vier andern Elemente und der gradlinigen Bewegungen, sonach des Bezirks des Ewigen zu dem des Entstehens und Vergehens wurde nun zum räumlichen Rahmen eines aus der inneren Welt stammenden Gegensatzes. So entstand jene Vorstellung, welche Dantes unsterbliches Gedicht verewigt hat.
Der Schluß des Aristoteles auf den unbewegten Beweger hat zwei Seiten.
1) Arist. Metaph. XII, 8 p. 1073 b 4.
2) Arist. Metaph. VI, 1 p. 1026 a 10.
Bedeutung der Aſtronomie für die Lehre des Ariſtoteles von Gott.
und zwar ſind die Bewegungen der Geſtirne in ihrer Gedanken- mäßigkeit ein Ausdruck der im Zwecke liegenden Bewegungskraft; die Aſtronomie iſt die der Philoſophie nächſtverwandte mathematiſche Wiſſenſchaft 1). Dieſe Gedanken ſchreiten in der von Anaxagoras zuerſt betretenen Bahn fort, und ein Zug der Ideen wirkt von ihnen weiter bis auf die von dem gedankenmäßigen, harmoniſchen Charakter der Welt getragenen Forſchungen Kepler’s, nach welchen in Abmeſſungen und Zahlen die Vollkommenheit Gottes ſich ab- ſpiegelt.
Die Theologie des Ariſtoteles liegt in der Abhandlung vor, welche als zwölftes Buch der Sammlung der metaphyſiſchen Schriften eingefügt iſt. Sie enthält den Höhepunkt derſelben; denn ſie erweiſt das Daſein der Einzelſubſtanz, welche immateriell und veränderungslos iſt und von Anfang an als das eigentliche Objekt der erſten Philoſophie von Ariſtoteles bezeichnet worden iſt 2). Die Abhandlung ſteht einerſeits mit dem Schluß der Phyſik ſowie der Schrift über das Himmelsgebäude, andrerſeits mit den Grund- beſtimmungen der metaphyſiſchen Schriften in Beziehung.
Dieſe ariſtoteliſche Theologie beherrſcht das ganze Mittelalter. Jedoch übernahm in der ſpäteren philoſophiſchen Entwicklung die erſtgeſchaffene Intelligenz die Stelle des Bewegers des Fixſternhimmels, und aus den göttlichen Subſtanzen, durch welche Ariſtoteles die zuſammengeſetzen Bewegungen der anderen Welt- körper hervorbringen läßt, wurde ein phantaſtiſches Reich von Geſtirngeiſtern. Der Gegenſatz der Welt des Aethers und der Kreisbewegung zu der Welt der vier andern Elemente und der gradlinigen Bewegungen, ſonach des Bezirks des Ewigen zu dem des Entſtehens und Vergehens wurde nun zum räumlichen Rahmen eines aus der inneren Welt ſtammenden Gegenſatzes. So entſtand jene Vorſtellung, welche Dantes unſterbliches Gedicht verewigt hat.
Der Schluß des Ariſtoteles auf den unbewegten Beweger hat zwei Seiten.
1) Ariſt. Metaph. XII, 8 p. 1073 b 4.
2) Ariſt. Metaph. VI, 1 p. 1026 a 10.
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Bedeutung der Aſtronomie für die Lehre des Ariſtoteles von Gott.
und zwar ſind die Bewegungen der Geſtirne in ihrer Gedanken-
mäßigkeit ein Ausdruck der im Zwecke liegenden Bewegungskraft;
die Aſtronomie iſt die der Philoſophie nächſtverwandte mathematiſche
Wiſſenſchaft 1). Dieſe Gedanken ſchreiten in der von Anaxagoras
zuerſt betretenen Bahn fort, und ein Zug der Ideen wirkt von
ihnen weiter bis auf die von dem gedankenmäßigen, harmoniſchen
Charakter der Welt getragenen Forſchungen Kepler’s, nach welchen
in Abmeſſungen und Zahlen die Vollkommenheit Gottes ſich ab-
ſpiegelt.
Die Theologie des Ariſtoteles liegt in der Abhandlung
vor, welche als zwölftes Buch der Sammlung der metaphyſiſchen
Schriften eingefügt iſt. Sie enthält den Höhepunkt derſelben; denn
ſie erweiſt das Daſein der Einzelſubſtanz, welche immateriell und
veränderungslos iſt und von Anfang an als das eigentliche Objekt
der erſten Philoſophie von Ariſtoteles bezeichnet worden iſt 2).
Die Abhandlung ſteht einerſeits mit dem Schluß der Phyſik ſowie
der Schrift über das Himmelsgebäude, andrerſeits mit den Grund-
beſtimmungen der metaphyſiſchen Schriften in Beziehung.
Dieſe ariſtoteliſche Theologie beherrſcht das ganze Mittelalter.
Jedoch übernahm in der ſpäteren philoſophiſchen Entwicklung
die erſtgeſchaffene Intelligenz die Stelle des Bewegers des
Fixſternhimmels, und aus den göttlichen Subſtanzen, durch welche
Ariſtoteles die zuſammengeſetzen Bewegungen der anderen Welt-
körper hervorbringen läßt, wurde ein phantaſtiſches Reich von
Geſtirngeiſtern. Der Gegenſatz der Welt des Aethers und der
Kreisbewegung zu der Welt der vier andern Elemente und der
gradlinigen Bewegungen, ſonach des Bezirks des Ewigen zu dem
des Entſtehens und Vergehens wurde nun zum räumlichen
Rahmen eines aus der inneren Welt ſtammenden Gegenſatzes. So
entſtand jene Vorſtellung, welche Dantes unſterbliches Gedicht
verewigt hat.
Der Schluß des Ariſtoteles auf den unbewegten Beweger hat
zwei Seiten.
1) Ariſt. Metaph. XII, 8 p. 1073 b 4.
2) Ariſt. Metaph. VI, 1 p. 1026 a 10.
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Dilthey, Wilhelm: Einleitung in die Geisteswissenschaften. Versuch einer Grundlegung für das Studium der Gesellschaft und der Geschichte. Bd. 1. Leipzig, 1883, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dilthey_geisteswissenschaften_1883/290>, abgerufen am 16.06.2024.
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