Dilthey, Wilhelm: Einleitung in die Geisteswissenschaften. Versuch einer Grundlegung für das Studium der Gesellschaft und der Geschichte. Bd. 1. Leipzig, 1883.Fortgang zur Metaphysik der veritates aeternae. intelligas besagt zunächst, daß die volle Erfahrung für die Analysisda sein muß, soll diese erschöpfend sein. Das Unterscheidende des Inhaltes dieser christlichen Erfahrung liegt vor Allem in der Demuth, welche in dem Ernst des richtenden Gewissens begrün- det ist 1). Die Selbstbesinnung des Augustinus, wie sie in diesen Grund- So entspringt aus seiner Selbstbesinnung zunächst ver- In jener Stelle des Gottesstaates sagt er weiterhin: "Ich, der 1) Augustinus ep. 118 c. 3, de civ. Dei II c. 7. 2) De civ. Dei XI c. 26.
Fortgang zur Metaphyſik der veritates aeternae. intelligas beſagt zunächſt, daß die volle Erfahrung für die Analyſisda ſein muß, ſoll dieſe erſchöpfend ſein. Das Unterſcheidende des Inhaltes dieſer chriſtlichen Erfahrung liegt vor Allem in der Demuth, welche in dem Ernſt des richtenden Gewiſſens begrün- det iſt 1). Die Selbſtbeſinnung des Auguſtinus, wie ſie in dieſen Grund- So entſpringt aus ſeiner Selbſtbeſinnung zunächſt ver- In jener Stelle des Gottesſtaates ſagt er weiterhin: „Ich, der 1) Auguſtinus ep. 118 c. 3, de civ. Dei II c. 7. 2) De civ. Dei XI c. 26.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0352" n="329"/><fw place="top" type="header">Fortgang zur Metaphyſik der <hi rendition="#aq">veritates aeternae</hi>.</fw><lb/><hi rendition="#aq">intelligas</hi> beſagt zunächſt, daß die volle Erfahrung für die Analyſis<lb/> da ſein muß, ſoll dieſe erſchöpfend ſein. Das Unterſcheidende des<lb/> Inhaltes dieſer chriſtlichen Erfahrung liegt vor Allem in der<lb/> Demuth, welche in dem Ernſt des richtenden Gewiſſens begrün-<lb/> det iſt <note place="foot" n="1)">Auguſtinus <hi rendition="#aq">ep. 118 c. 3, de civ. Dei II c.</hi> 7.</note>.</p><lb/> <p>Die Selbſtbeſinnung des Auguſtinus, wie ſie in dieſen Grund-<lb/> zügen ſich von jedem früheren verwandten wiſſenſchaftlichen Ver-<lb/> ſuch unterſcheidet, unterwirft zunächſt das Wiſſen ſelber der Analyſis;<lb/> eine der drei Hauptfragen war die nach dem Grunde der Gewiß-<lb/> heit für das Denken. Und dennoch geht eine <hi rendition="#g">erkenntniß-<lb/> theoretiſche Grundlegung</hi> auch aus dieſer Selbſtbeſinnung<lb/><hi rendition="#g">nicht</hi> hervor. Die chriſtliche Wiſſenſchaft, welche von dieſem<lb/> Ausgangspunkte aus entworfen wird, löſt ihre Aufgabe nicht in<lb/> angemeſſener Weiſe. Warum das nicht geſchah? In den Jahren,<lb/> in welchen der Gedanke einer ſolchen Grundlegung den Auguſtinus<lb/> beſchäftigte, verharrten ſeine Gedanken noch in der ihm von den<lb/> Neuplatonikern gegebenen Richtung; ſpäter, als auch das für ihn<lb/> abgethan war, wurden die objektiven Gewalten der katholiſchen Kirche<lb/> und des katholiſchen Dogma zu übermächtig in ſeinem Bewußtſein,<lb/> auch nahmen die Intereſſen der großen kirchlichen und dogma-<lb/> tiſchen Kämpfe Tag für Tag ihn in Anſpruch; als entſcheidend<lb/> wird ſich uns aber die in ſeiner Natur ſelber liegende Grenze<lb/> ergeben.</p><lb/> <p>So entſpringt aus ſeiner Selbſtbeſinnung zunächſt <hi rendition="#g">ver-<lb/> mittelſt des platoniſirenden Begriffs der <hi rendition="#aq">veritates<lb/> aeternae</hi></hi> wieder <hi rendition="#g">Metaphyſik</hi>.</p><lb/> <p>In jener Stelle des Gottesſtaates ſagt er weiterhin: „Ich, der<lb/> ſich täuſchte, würde doch exiſtiren, auch wenn ich mich täuſchte;<lb/> darum täuſche ich mich ohne Zweifel darin nicht, daß ich erkenne:<lb/> ich bin. Hieraus folgt aber, daß ich mich auch darin nicht täuſche:<lb/> ich weiß, daß ich weiß. Denn ganz ſo wie ich weiß, daß ich<lb/> bin, weiß ich auch, daß ich weiß <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">De civ. Dei XI c</hi>. 26.</note>.“ An dieſe Idee des Wiſſens<lb/> ſchließt ſich in dem Syſtem des Auguſtinus unmittelbar die Lehre<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [329/0352]
Fortgang zur Metaphyſik der veritates aeternae.
intelligas beſagt zunächſt, daß die volle Erfahrung für die Analyſis
da ſein muß, ſoll dieſe erſchöpfend ſein. Das Unterſcheidende des
Inhaltes dieſer chriſtlichen Erfahrung liegt vor Allem in der
Demuth, welche in dem Ernſt des richtenden Gewiſſens begrün-
det iſt 1).
Die Selbſtbeſinnung des Auguſtinus, wie ſie in dieſen Grund-
zügen ſich von jedem früheren verwandten wiſſenſchaftlichen Ver-
ſuch unterſcheidet, unterwirft zunächſt das Wiſſen ſelber der Analyſis;
eine der drei Hauptfragen war die nach dem Grunde der Gewiß-
heit für das Denken. Und dennoch geht eine erkenntniß-
theoretiſche Grundlegung auch aus dieſer Selbſtbeſinnung
nicht hervor. Die chriſtliche Wiſſenſchaft, welche von dieſem
Ausgangspunkte aus entworfen wird, löſt ihre Aufgabe nicht in
angemeſſener Weiſe. Warum das nicht geſchah? In den Jahren,
in welchen der Gedanke einer ſolchen Grundlegung den Auguſtinus
beſchäftigte, verharrten ſeine Gedanken noch in der ihm von den
Neuplatonikern gegebenen Richtung; ſpäter, als auch das für ihn
abgethan war, wurden die objektiven Gewalten der katholiſchen Kirche
und des katholiſchen Dogma zu übermächtig in ſeinem Bewußtſein,
auch nahmen die Intereſſen der großen kirchlichen und dogma-
tiſchen Kämpfe Tag für Tag ihn in Anſpruch; als entſcheidend
wird ſich uns aber die in ſeiner Natur ſelber liegende Grenze
ergeben.
So entſpringt aus ſeiner Selbſtbeſinnung zunächſt ver-
mittelſt des platoniſirenden Begriffs der veritates
aeternae wieder Metaphyſik.
In jener Stelle des Gottesſtaates ſagt er weiterhin: „Ich, der
ſich täuſchte, würde doch exiſtiren, auch wenn ich mich täuſchte;
darum täuſche ich mich ohne Zweifel darin nicht, daß ich erkenne:
ich bin. Hieraus folgt aber, daß ich mich auch darin nicht täuſche:
ich weiß, daß ich weiß. Denn ganz ſo wie ich weiß, daß ich
bin, weiß ich auch, daß ich weiß 2).“ An dieſe Idee des Wiſſens
ſchließt ſich in dem Syſtem des Auguſtinus unmittelbar die Lehre
1) Auguſtinus ep. 118 c. 3, de civ. Dei II c. 7.
2) De civ. Dei XI c. 26.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDarüber hinaus sind keine weiteren Bände erschien… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |