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Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

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Von einem, durch politische Meinungsverschieden-
heit gefährdeten Frieden, dürfte wohl nur da die Rede
sein, wo beide Gatten Politiker von Fach wären, ein
Fall, der doch immerhin zu den Ausnahmen gehören
würde. Und übrigens ist es doch auch nicht Sache
des Staates, sich um eheliche Zänkereien zu bekümmern.
Wäre das seine Mission, so müßte er auch den Männern
das Billard- und Kartenspielen, das Kneipen und Cour-
machen und ähnliche Dinge, die ebenfalls dazu ange-
than sind, das Glück der Ehe zu stören, verbieten und
er müßte Sorge tragen, für das übereinstimmende Ur-
theil der Gatten in Betreff literarischer Productionen,
und dafür, daß sie nicht etwa für die Meininger Schau-
spielkunst schwärme, während er fanatisch dagegen ent-
brannt ist u.s.w. u.s.w.

Die Gattin darf nur die Meinung des Gatten
haben, das heißt, sie darf überhaupt keine Meinung
haben, denn unsere aufrichtige und wahrhaftige Mei-
nung hängt nicht von unserm Willen ab und von
unserer Liebe für den Gatten, sondern von einem Denk-,
processe über den wir keine Macht haben, von unserm
Gewissen, das keine Dressur zuläßt.

Nach dieser Auffassung verlieren also die Frauen
in der Ehe ihre Seele, umgekehrt wie in jenem schönen

Von einem, durch politische Meinungsverschieden-
heit gefährdeten Frieden, dürfte wohl nur da die Rede
sein, wo beide Gatten Politiker von Fach wären, ein
Fall, der doch immerhin zu den Ausnahmen gehören
würde. Und übrigens ist es doch auch nicht Sache
des Staates, sich um eheliche Zänkereien zu bekümmern.
Wäre das seine Mission, so müßte er auch den Männern
das Billard- und Kartenspielen, das Kneipen und Cour-
machen und ähnliche Dinge, die ebenfalls dazu ange-
than sind, das Glück der Ehe zu stören, verbieten und
er müßte Sorge tragen, für das übereinstimmende Ur-
theil der Gatten in Betreff literarischer Productionen,
und dafür, daß sie nicht etwa für die Meininger Schau-
spielkunst schwärme, während er fanatisch dagegen ent-
brannt ist u.s.w. u.s.w.

Die Gattin darf nur die Meinung des Gatten
haben, das heißt, sie darf überhaupt keine Meinung
haben, denn unsere aufrichtige und wahrhaftige Mei-
nung hängt nicht von unserm Willen ab und von
unserer Liebe für den Gatten, sondern von einem Denk-,
processe über den wir keine Macht haben, von unserm
Gewissen, das keine Dressur zuläßt.

Nach dieser Auffassung verlieren also die Frauen
in der Ehe ihre Seele, umgekehrt wie in jenem schönen

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[142/0150] Von einem, durch politische Meinungsverschieden- heit gefährdeten Frieden, dürfte wohl nur da die Rede sein, wo beide Gatten Politiker von Fach wären, ein Fall, der doch immerhin zu den Ausnahmen gehören würde. Und übrigens ist es doch auch nicht Sache des Staates, sich um eheliche Zänkereien zu bekümmern. Wäre das seine Mission, so müßte er auch den Männern das Billard- und Kartenspielen, das Kneipen und Cour- machen und ähnliche Dinge, die ebenfalls dazu ange- than sind, das Glück der Ehe zu stören, verbieten und er müßte Sorge tragen, für das übereinstimmende Ur- theil der Gatten in Betreff literarischer Productionen, und dafür, daß sie nicht etwa für die Meininger Schau- spielkunst schwärme, während er fanatisch dagegen ent- brannt ist u.s.w. u.s.w. Die Gattin darf nur die Meinung des Gatten haben, das heißt, sie darf überhaupt keine Meinung haben, denn unsere aufrichtige und wahrhaftige Mei- nung hängt nicht von unserm Willen ab und von unserer Liebe für den Gatten, sondern von einem Denk-, processe über den wir keine Macht haben, von unserm Gewissen, das keine Dressur zuläßt. Nach dieser Auffassung verlieren also die Frauen in der Ehe ihre Seele, umgekehrt wie in jenem schönen  

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/150>, abgerufen am 28.04.2024.