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Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

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Jch erkenne Nichts an, was nicht Andere auch in
mir anerkennen. Es giebt keine Freiheit der Männer,
wenn es nicht eine Freiheit der Frauen giebt. Wenn
eine Frau ihren Willen nicht zur Geltung bringen
darf, warum soll es der Mann dürfen. Hat jede Frau
gesetzmäßig einen Tyrannen, so läßt mich die Tyrannei
kalt, die Männer von ihres gleichen erfahren. Einen
Tyrannen für den andern.

Und warum ertragen die Frauen so geduldig den
Mangel des natürlichsten aller Rechte?

Sehr einfach: Sie müssen; denn ihnen fehlt die
Macht, sich diese Rechte zu erzwingen.

Was die Frage des Frauenstimmrechts so schwierig
macht, ist ihre ungeheure Einfachheit. Die Gesellschaft
sagt: die Frauen sind Staatsangehörige, mit Kopf und
Herz begabt wie der Mann, sie haben neben den all-
gemeinen menschlichen Jnteressen bestimmte Jnteressen
ihres Geschlechts wahrzunehmen, sie bedürfen wie die
Männer eines Maßes von Freiheiten, um ihres Lebens
froh zu werden u.s.w. Wären diese Qualificationen
hinreichend für ihren Anspruch auf politische Rechte,
so raisonnirt die Gesellschaft weiter, so würden sie sich
längst im Besitz dieser Rechte befinden. Daß sie der-
selben nicht theilhaftig sind, ist ein Beweis, daß sie
ihnen von Natur- und Gotteswegen nicht zukommen.


Jch erkenne Nichts an, was nicht Andere auch in
mir anerkennen. Es giebt keine Freiheit der Männer,
wenn es nicht eine Freiheit der Frauen giebt. Wenn
eine Frau ihren Willen nicht zur Geltung bringen
darf, warum soll es der Mann dürfen. Hat jede Frau
gesetzmäßig einen Tyrannen, so läßt mich die Tyrannei
kalt, die Männer von ihres gleichen erfahren. Einen
Tyrannen für den andern.

Und warum ertragen die Frauen so geduldig den
Mangel des natürlichsten aller Rechte?

Sehr einfach: Sie müssen; denn ihnen fehlt die
Macht, sich diese Rechte zu erzwingen.

Was die Frage des Frauenstimmrechts so schwierig
macht, ist ihre ungeheure Einfachheit. Die Gesellschaft
sagt: die Frauen sind Staatsangehörige, mit Kopf und
Herz begabt wie der Mann, sie haben neben den all-
gemeinen menschlichen Jnteressen bestimmte Jnteressen
ihres Geschlechts wahrzunehmen, sie bedürfen wie die
Männer eines Maßes von Freiheiten, um ihres Lebens
froh zu werden u.s.w. Wären diese Qualificationen
hinreichend für ihren Anspruch auf politische Rechte,
so raisonnirt die Gesellschaft weiter, so würden sie sich
längst im Besitz dieser Rechte befinden. Daß sie der-
selben nicht theilhaftig sind, ist ein Beweis, daß sie
ihnen von Natur- und Gotteswegen nicht zukommen.


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[172/0180] Jch erkenne Nichts an, was nicht Andere auch in mir anerkennen. Es giebt keine Freiheit der Männer, wenn es nicht eine Freiheit der Frauen giebt. Wenn eine Frau ihren Willen nicht zur Geltung bringen darf, warum soll es der Mann dürfen. Hat jede Frau gesetzmäßig einen Tyrannen, so läßt mich die Tyrannei kalt, die Männer von ihres gleichen erfahren. Einen Tyrannen für den andern. Und warum ertragen die Frauen so geduldig den Mangel des natürlichsten aller Rechte? Sehr einfach: Sie müssen; denn ihnen fehlt die Macht, sich diese Rechte zu erzwingen. Was die Frage des Frauenstimmrechts so schwierig macht, ist ihre ungeheure Einfachheit. Die Gesellschaft sagt: die Frauen sind Staatsangehörige, mit Kopf und Herz begabt wie der Mann, sie haben neben den all- gemeinen menschlichen Jnteressen bestimmte Jnteressen ihres Geschlechts wahrzunehmen, sie bedürfen wie die Männer eines Maßes von Freiheiten, um ihres Lebens froh zu werden u.s.w. Wären diese Qualificationen hinreichend für ihren Anspruch auf politische Rechte, so raisonnirt die Gesellschaft weiter, so würden sie sich längst im Besitz dieser Rechte befinden. Daß sie der- selben nicht theilhaftig sind, ist ein Beweis, daß sie ihnen von Natur- und Gotteswegen nicht zukommen.

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/180>, abgerufen am 02.05.2024.