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Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

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an die Mitwirkung der Frau im Staat ist bei den
klügsten Männern unzertrennlich von der Vorstellung,
daß als Ausgleichung dafür ein Theil ihrer Kräfte
in Küche, Kinderstube und im Waschkeller zu Grunde
gehen müsse.

Nicht gegen die Männer richten sich unsere bittersten
Empfindungen, unsere härtesten Anklagen, sondern
gegen die Frauen, die feige es dulden, daß eine Ge-
neration nach der andern sie achtlos bei Seite schiebt.
Gegen die Frauen empört sich jeder stolzere Sinn und
jedes kühnere weibliche Herz, die sich begnügen mit
der Freiheit, nach Herzenslust kochen und nähen zu
dürfen, und die allergehorsamst vor den Männern zu
einem bedeutungslosen Nichts zusammenschrumpfen,
gegen die Frauen, die fort und fort ihre lebendigen
Geister und Herzen darbringen als Opfer auf dem
Altar der Männeranbetung, die es immer noch dul-
den, daß man ihnen das Jammerbild einer Grisel-
dis, dieser Jdiotin an Gefühl und Verstand, als Musterbild
vollkommener Weiblichkeit vorhält, und die, wenn un-
tauglich geworden zur Lust oder zum Nutzen des Mannes,
ohne Murren, mögen sie sich gleich noch Jahrzehnte
hindurch im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte befinden,
in stillen Winkeln das Gnadenbrot der Gesellschaft
essen.

an die Mitwirkung der Frau im Staat ist bei den
klügsten Männern unzertrennlich von der Vorstellung,
daß als Ausgleichung dafür ein Theil ihrer Kräfte
in Küche, Kinderstube und im Waschkeller zu Grunde
gehen müsse.

Nicht gegen die Männer richten sich unsere bittersten
Empfindungen, unsere härtesten Anklagen, sondern
gegen die Frauen, die feige es dulden, daß eine Ge-
neration nach der andern sie achtlos bei Seite schiebt.
Gegen die Frauen empört sich jeder stolzere Sinn und
jedes kühnere weibliche Herz, die sich begnügen mit
der Freiheit, nach Herzenslust kochen und nähen zu
dürfen, und die allergehorsamst vor den Männern zu
einem bedeutungslosen Nichts zusammenschrumpfen,
gegen die Frauen, die fort und fort ihre lebendigen
Geister und Herzen darbringen als Opfer auf dem
Altar der Männeranbetung, die es immer noch dul-
den, daß man ihnen das Jammerbild einer Grisel-
dis, dieser Jdiotin an Gefühl und Verstand, als Musterbild
vollkommener Weiblichkeit vorhält, und die, wenn un-
tauglich geworden zur Lust oder zum Nutzen des Mannes,
ohne Murren, mögen sie sich gleich noch Jahrzehnte
hindurch im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte befinden,
in stillen Winkeln das Gnadenbrot der Gesellschaft
essen.

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[180/0188] an die Mitwirkung der Frau im Staat ist bei den klügsten Männern unzertrennlich von der Vorstellung, daß als Ausgleichung dafür ein Theil ihrer Kräfte in Küche, Kinderstube und im Waschkeller zu Grunde gehen müsse. Nicht gegen die Männer richten sich unsere bittersten Empfindungen, unsere härtesten Anklagen, sondern gegen die Frauen, die feige es dulden, daß eine Ge- neration nach der andern sie achtlos bei Seite schiebt. Gegen die Frauen empört sich jeder stolzere Sinn und jedes kühnere weibliche Herz, die sich begnügen mit der Freiheit, nach Herzenslust kochen und nähen zu dürfen, und die allergehorsamst vor den Männern zu einem bedeutungslosen Nichts zusammenschrumpfen, gegen die Frauen, die fort und fort ihre lebendigen Geister und Herzen darbringen als Opfer auf dem Altar der Männeranbetung, die es immer noch dul- den, daß man ihnen das Jammerbild einer Grisel- dis, dieser Jdiotin an Gefühl und Verstand, als Musterbild vollkommener Weiblichkeit vorhält, und die, wenn un- tauglich geworden zur Lust oder zum Nutzen des Mannes, ohne Murren, mögen sie sich gleich noch Jahrzehnte hindurch im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte befinden, in stillen Winkeln das Gnadenbrot der Gesellschaft essen.

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/188>, abgerufen am 02.05.2024.