Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

Jn früheren Zeiten ist es selbst eine Streitfrage
gewesen, ob die Geburt der weiblichen Kinder ein dem
Willen der Natur entsprechender Akt sei? Bischöfe,
Philosophen, Heilige und Anatomen haben die Frage
verneint und in vollem Ernst behauptet, daß die Ge-
burt eines Mädchens etwas in der Schöpfung Unvor-
hergesehenes, eine Ungeheuerlichkeit sei, welche ohne
Wissen und Willen des Schöpfers aller Dinge vor
sich gegangen sei.

Jhrer Zeit angesehene Männer traten für diese
Meinung ein. So der Schriftsteller Martely in einer
lateinischen Schrift: "de natura animale", in der er
sagt, daß die Frau mit Recht ein Ungeheuer zu nennen
sei, denn es sei Brauch, in die Klasse der Ungeheuer
alles dasjenige zu verweisen, was gegen den Willen
der Natur in's Dasein trete; und da nun, fährt er
fort, die schöpferische Kraft der Natur, wie ich bewiesen,
nur dahin zielt, Männliches zu produciren, so folgt
daraus, daß die Geburt der Frau eine Art Anomalie ist
und sie zu denjenigen Bildungen zu rechnen ist, welche
als eine Ausnahme der natürlichen Schöpfungsgesetze
hervorgebracht werden.

Als Verfechter dieser Ansicht wird ferner ange-
führt ein Gelehrter Balthazar de Castillon in seinem
Buch: "le parfait courtisan".

Jn früheren Zeiten ist es selbst eine Streitfrage
gewesen, ob die Geburt der weiblichen Kinder ein dem
Willen der Natur entsprechender Akt sei? Bischöfe,
Philosophen, Heilige und Anatomen haben die Frage
verneint und in vollem Ernst behauptet, daß die Ge-
burt eines Mädchens etwas in der Schöpfung Unvor-
hergesehenes, eine Ungeheuerlichkeit sei, welche ohne
Wissen und Willen des Schöpfers aller Dinge vor
sich gegangen sei.

Jhrer Zeit angesehene Männer traten für diese
Meinung ein. So der Schriftsteller Martely in einer
lateinischen Schrift: „de natura animale‟, in der er
sagt, daß die Frau mit Recht ein Ungeheuer zu nennen
sei, denn es sei Brauch, in die Klasse der Ungeheuer
alles dasjenige zu verweisen, was gegen den Willen
der Natur in's Dasein trete; und da nun, fährt er
fort, die schöpferische Kraft der Natur, wie ich bewiesen,
nur dahin zielt, Männliches zu produciren, so folgt
daraus, daß die Geburt der Frau eine Art Anomalie ist
und sie zu denjenigen Bildungen zu rechnen ist, welche
als eine Ausnahme der natürlichen Schöpfungsgesetze
hervorgebracht werden.

Als Verfechter dieser Ansicht wird ferner ange-
führt ein Gelehrter Balthazar de Castillon in seinem
Buch: „le parfait courtisan‟.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0080" n="72"/>
        <p>Jn früheren Zeiten ist es selbst eine Streitfrage<lb/>
gewesen, ob die Geburt der weiblichen Kinder ein dem<lb/>
Willen der Natur entsprechender Akt sei? Bischöfe,<lb/>
Philosophen, Heilige und Anatomen haben die Frage<lb/>
verneint und in vollem Ernst behauptet, daß die Ge-<lb/>
burt eines Mädchens etwas in der Schöpfung Unvor-<lb/>
hergesehenes, eine Ungeheuerlichkeit sei, welche ohne<lb/>
Wissen und Willen des Schöpfers aller Dinge vor<lb/>
sich gegangen sei.</p><lb/>
        <p>Jhrer Zeit angesehene Männer traten für diese<lb/>
Meinung ein. So der Schriftsteller Martely in einer<lb/>
lateinischen Schrift: &#x201E;<hi rendition="#aq">de natura animale</hi>&#x201F;, in der er<lb/>
sagt, daß die Frau mit Recht ein Ungeheuer zu nennen<lb/>
sei, denn es sei Brauch, in die Klasse der Ungeheuer<lb/>
alles dasjenige zu verweisen, was gegen den Willen<lb/>
der Natur in's Dasein trete; und da nun, fährt er<lb/>
fort, die schöpferische Kraft der Natur, wie ich bewiesen,<lb/>
nur dahin zielt, Männliches zu produciren, so folgt<lb/>
daraus, daß die Geburt der Frau eine Art Anomalie ist<lb/>
und sie zu denjenigen Bildungen zu rechnen ist, welche<lb/>
als eine Ausnahme der natürlichen Schöpfungsgesetze<lb/>
hervorgebracht werden.</p><lb/>
        <p>Als Verfechter dieser Ansicht wird ferner ange-<lb/>
führt ein Gelehrter <hi rendition="#aq">Balthazar de Castillon</hi> in seinem<lb/>
Buch: &#x201E;<hi rendition="#aq">le parfait courtisan</hi>&#x201F;.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0080] Jn früheren Zeiten ist es selbst eine Streitfrage gewesen, ob die Geburt der weiblichen Kinder ein dem Willen der Natur entsprechender Akt sei? Bischöfe, Philosophen, Heilige und Anatomen haben die Frage verneint und in vollem Ernst behauptet, daß die Ge- burt eines Mädchens etwas in der Schöpfung Unvor- hergesehenes, eine Ungeheuerlichkeit sei, welche ohne Wissen und Willen des Schöpfers aller Dinge vor sich gegangen sei. Jhrer Zeit angesehene Männer traten für diese Meinung ein. So der Schriftsteller Martely in einer lateinischen Schrift: „de natura animale‟, in der er sagt, daß die Frau mit Recht ein Ungeheuer zu nennen sei, denn es sei Brauch, in die Klasse der Ungeheuer alles dasjenige zu verweisen, was gegen den Willen der Natur in's Dasein trete; und da nun, fährt er fort, die schöpferische Kraft der Natur, wie ich bewiesen, nur dahin zielt, Männliches zu produciren, so folgt daraus, daß die Geburt der Frau eine Art Anomalie ist und sie zu denjenigen Bildungen zu rechnen ist, welche als eine Ausnahme der natürlichen Schöpfungsgesetze hervorgebracht werden. Als Verfechter dieser Ansicht wird ferner ange- führt ein Gelehrter Balthazar de Castillon in seinem Buch: „le parfait courtisan‟.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-04-07T16:13:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-04-07T16:13:32Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/80
Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/80>, abgerufen am 05.05.2024.