Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

der einzige Ruhm, der ihr erreichbar ist, und darum
muß er auch der höchste sein.

Und nun bricht diese Emancipirte den Burgfrieden
ihres Hauses und behauptet keck, man könnte den Haus-
halt leiten und daneben noch allerhand Allotria treiben,
wie Bücher führen, Bilder malen, Unterricht geben,
Zähne ausziehen u. s. w.

Gäbe die Hausfrau ihr Recht, so müßte sie ja ein-
gestehen, daß sie nur einen sehr bescheidenen Platz in
der menschlichen Gesellschaft ausfülle, daß man mehr
leisten könne, als sie bisher geleistet hat. Jhre ganze
moralische Existenz steht auf dem Spiel, wer will es ihr
verdenken, daß ihre Galle steigt und steigt, und wenn
sie französisch versteht, sich in dem Ausruf Luft macht:
"ecrasez l'infame."

Schon sieht sie im Geiste Geschichtstabellen, riesige
Landkarten und lateinische Grammatiken, die sie aus-
wendig lernen soll, vor sich aufsteigen, Phantome un-
gestopfter Löcher scheuchen den Nachmittagsschlummer von
ihrer Stirn, und - vorahnenden Gcmüthts schaut sie
- o Schreckbild - Carolinen in der unverschlossenen
Speisekammer - naschen.

Es ist wahr, die gute Hausfrau raisonnirt wohl
auch ein bischen über jene reichen, vornehmen und ver-
gnügungssüchtigen Damen, die von Soiree zu Soiree

der einzige Ruhm, der ihr erreichbar ist, und darum
muß er auch der höchste sein.

Und nun bricht diese Emancipirte den Burgfrieden
ihres Hauses und behauptet keck, man könnte den Haus-
halt leiten und daneben noch allerhand Allotria treiben,
wie Bücher führen, Bilder malen, Unterricht geben,
Zähne ausziehen u. s. w.

Gäbe die Hausfrau ihr Recht, so müßte sie ja ein-
gestehen, daß sie nur einen sehr bescheidenen Platz in
der menschlichen Gesellschaft ausfülle, daß man mehr
leisten könne, als sie bisher geleistet hat. Jhre ganze
moralische Existenz steht auf dem Spiel, wer will es ihr
verdenken, daß ihre Galle steigt und steigt, und wenn
sie französisch versteht, sich in dem Ausruf Luft macht:
écrasez l'infame.‟

Schon sieht sie im Geiste Geschichtstabellen, riesige
Landkarten und lateinische Grammatiken, die sie aus-
wendig lernen soll, vor sich aufsteigen, Phantome un-
gestopfter Löcher scheuchen den Nachmittagsschlummer von
ihrer Stirn, und – vorahnenden Gcmüthts schaut sie
– o Schreckbild – Carolinen in der unverschlossenen
Speisekammer – naschen.

Es ist wahr, die gute Hausfrau raisonnirt wohl
auch ein bischen über jene reichen, vornehmen und ver-
gnügungssüchtigen Damen, die von Soirée zu Soirée

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0032" n="24"/>
der einzige Ruhm, der ihr erreichbar ist, und darum<lb/>
muß er auch der höchste sein.</p><lb/>
        <p>Und nun bricht diese Emancipirte den Burgfrieden<lb/>
ihres Hauses und behauptet keck, man könnte den Haus-<lb/>
halt leiten und daneben noch allerhand Allotria treiben,<lb/>
wie Bücher führen, Bilder malen, Unterricht geben,<lb/>
Zähne ausziehen u. s. w.</p><lb/>
        <p>Gäbe die Hausfrau ihr Recht, so müßte sie ja ein-<lb/>
gestehen, daß sie nur einen sehr bescheidenen Platz in<lb/>
der menschlichen Gesellschaft ausfülle, daß man mehr<lb/>
leisten könne, als sie bisher geleistet hat. Jhre ganze<lb/>
moralische Existenz steht auf dem Spiel, wer will es ihr<lb/>
verdenken, daß ihre Galle steigt und steigt, und wenn<lb/>
sie französisch versteht, sich in dem Ausruf Luft macht:<lb/>
&#x201E;<hi rendition="#aq">écrasez l'infame</hi>.&#x201F;</p><lb/>
        <p>Schon sieht sie im Geiste Geschichtstabellen, riesige<lb/>
Landkarten und lateinische Grammatiken, die sie aus-<lb/>
wendig lernen soll, vor sich aufsteigen, Phantome un-<lb/>
gestopfter Löcher scheuchen den Nachmittagsschlummer von<lb/>
ihrer Stirn, und &#x2013; vorahnenden Gcmüthts schaut sie<lb/>
&#x2013; o Schreckbild &#x2013; Carolinen in der unverschlossenen<lb/>
Speisekammer &#x2013; naschen.</p><lb/>
        <p>Es ist wahr, die gute Hausfrau raisonnirt wohl<lb/>
auch ein bischen über jene reichen, vornehmen und ver-<lb/>
gnügungssüchtigen Damen, die von <hi rendition="#aq">Soirée</hi> zu <hi rendition="#aq">Soirée</hi><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0032] der einzige Ruhm, der ihr erreichbar ist, und darum muß er auch der höchste sein. Und nun bricht diese Emancipirte den Burgfrieden ihres Hauses und behauptet keck, man könnte den Haus- halt leiten und daneben noch allerhand Allotria treiben, wie Bücher führen, Bilder malen, Unterricht geben, Zähne ausziehen u. s. w. Gäbe die Hausfrau ihr Recht, so müßte sie ja ein- gestehen, daß sie nur einen sehr bescheidenen Platz in der menschlichen Gesellschaft ausfülle, daß man mehr leisten könne, als sie bisher geleistet hat. Jhre ganze moralische Existenz steht auf dem Spiel, wer will es ihr verdenken, daß ihre Galle steigt und steigt, und wenn sie französisch versteht, sich in dem Ausruf Luft macht: „écrasez l'infame.‟ Schon sieht sie im Geiste Geschichtstabellen, riesige Landkarten und lateinische Grammatiken, die sie aus- wendig lernen soll, vor sich aufsteigen, Phantome un- gestopfter Löcher scheuchen den Nachmittagsschlummer von ihrer Stirn, und – vorahnenden Gcmüthts schaut sie – o Schreckbild – Carolinen in der unverschlossenen Speisekammer – naschen. Es ist wahr, die gute Hausfrau raisonnirt wohl auch ein bischen über jene reichen, vornehmen und ver- gnügungssüchtigen Damen, die von Soirée zu Soirée

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-07-10T17:06:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-07-10T17:06:15Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/32
Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/32>, abgerufen am 03.12.2024.