Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Sünderin.
sonst versprach sie Alles zu thun, was er von ihr ver¬
langte; der Beamte blieb diesmal unerbittlich.

"Wenn es Ihr Ernst mit solchen Versprechen wäre,"
sagte er achselzuckend, "so hätte Sie längst meine War¬
nung befolgt. Jetzt ist es zu spät; man kennt ja auch
solche Versprechen der Angst. -- Also marsch! Rasch
zurechtgemacht, ich habe keine Zeit, länger auf Ihr La¬
mentiren zu hören. Nehm' Sie Ihren Mantel, damit
wir vorwärts kommen!" --

Als Mathilde zuletzt einsah, daß Nichts sie mehr
von diesem, für sie entsetzlichen Loos retten könne, riß
sie plötzlich in einer Art Wahnsinn das Kind aus der
Wiege und rief, indem sie mit der einen Hand das Kind
in die Höhe hielt und mit der andern auf den Polizei¬
beamten zeigte:

"Sieh, das ist der Mann, der Dein und Deiner
Mutter Verderben zu verantworten hat!" --

Einen Augenblick schien der Kommissair von dem
verzweiflungsvollen Ton dieser Worte bestürzt und ergrif¬
fen zu sein, dann aber schoß ihm die Gluth des Zornes
ins Gesicht und er gab der Tochter der Prostitution eine
schallende Ohrfeige.


Die Suͤnderin.
ſonſt verſprach ſie Alles zu thun, was er von ihr ver¬
langte; der Beamte blieb diesmal unerbittlich.

„Wenn es Ihr Ernſt mit ſolchen Verſprechen waͤre,“
ſagte er achſelzuckend, „ſo haͤtte Sie laͤngſt meine War¬
nung befolgt. Jetzt iſt es zu ſpaͤt; man kennt ja auch
ſolche Verſprechen der Angſt. — Alſo marſch! Raſch
zurechtgemacht, ich habe keine Zeit, laͤnger auf Ihr La¬
mentiren zu hoͤren. Nehm' Sie Ihren Mantel, damit
wir vorwaͤrts kommen!“ —

Als Mathilde zuletzt einſah, daß Nichts ſie mehr
von dieſem, fuͤr ſie entſetzlichen Loos retten koͤnne, riß
ſie ploͤtzlich in einer Art Wahnſinn das Kind aus der
Wiege und rief, indem ſie mit der einen Hand das Kind
in die Hoͤhe hielt und mit der andern auf den Polizei¬
beamten zeigte:

„Sieh, das iſt der Mann, der Dein und Deiner
Mutter Verderben zu verantworten hat!“ —

Einen Augenblick ſchien der Kommiſſair von dem
verzweiflungsvollen Ton dieſer Worte beſtuͤrzt und ergrif¬
fen zu ſein, dann aber ſchoß ihm die Gluth des Zornes
ins Geſicht und er gab der Tochter der Proſtitution eine
ſchallende Ohrfeige.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0103" n="89"/><fw place="top" type="header">Die Su&#x0364;nderin.<lb/></fw> &#x017F;on&#x017F;t ver&#x017F;prach &#x017F;ie Alles zu thun, was er von ihr ver¬<lb/>
langte; der Beamte blieb diesmal unerbittlich.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wenn es Ihr Ern&#x017F;t mit &#x017F;olchen Ver&#x017F;prechen wa&#x0364;re,&#x201C;<lb/>
&#x017F;agte er ach&#x017F;elzuckend, &#x201E;&#x017F;o ha&#x0364;tte Sie la&#x0364;ng&#x017F;t meine War¬<lb/>
nung befolgt. Jetzt i&#x017F;t es zu &#x017F;pa&#x0364;t; man kennt ja auch<lb/>
&#x017F;olche Ver&#x017F;prechen der Ang&#x017F;t. &#x2014; Al&#x017F;o mar&#x017F;ch! Ra&#x017F;ch<lb/>
zurechtgemacht, ich habe keine Zeit, la&#x0364;nger auf Ihr La¬<lb/>
mentiren zu ho&#x0364;ren. Nehm' Sie Ihren Mantel, damit<lb/>
wir vorwa&#x0364;rts kommen!&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Als Mathilde zuletzt ein&#x017F;ah, daß Nichts &#x017F;ie mehr<lb/>
von die&#x017F;em, fu&#x0364;r &#x017F;ie ent&#x017F;etzlichen Loos retten ko&#x0364;nne, riß<lb/>
&#x017F;ie plo&#x0364;tzlich in einer Art Wahn&#x017F;inn das Kind aus der<lb/>
Wiege und rief, indem &#x017F;ie mit der einen Hand das Kind<lb/>
in die Ho&#x0364;he hielt und mit der andern auf den Polizei¬<lb/>
beamten zeigte:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sieh, das i&#x017F;t der Mann, der Dein und Deiner<lb/>
Mutter Verderben zu verantworten hat!&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Einen Augenblick &#x017F;chien der Kommi&#x017F;&#x017F;air von dem<lb/>
verzweiflungsvollen Ton die&#x017F;er Worte be&#x017F;tu&#x0364;rzt und ergrif¬<lb/>
fen zu &#x017F;ein, dann aber &#x017F;choß ihm die Gluth des Zornes<lb/>
ins Ge&#x017F;icht und er gab der Tochter der Pro&#x017F;titution eine<lb/>
&#x017F;challende Ohrfeige.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0103] Die Suͤnderin. ſonſt verſprach ſie Alles zu thun, was er von ihr ver¬ langte; der Beamte blieb diesmal unerbittlich. „Wenn es Ihr Ernſt mit ſolchen Verſprechen waͤre,“ ſagte er achſelzuckend, „ſo haͤtte Sie laͤngſt meine War¬ nung befolgt. Jetzt iſt es zu ſpaͤt; man kennt ja auch ſolche Verſprechen der Angſt. — Alſo marſch! Raſch zurechtgemacht, ich habe keine Zeit, laͤnger auf Ihr La¬ mentiren zu hoͤren. Nehm' Sie Ihren Mantel, damit wir vorwaͤrts kommen!“ — Als Mathilde zuletzt einſah, daß Nichts ſie mehr von dieſem, fuͤr ſie entſetzlichen Loos retten koͤnne, riß ſie ploͤtzlich in einer Art Wahnſinn das Kind aus der Wiege und rief, indem ſie mit der einen Hand das Kind in die Hoͤhe hielt und mit der andern auf den Polizei¬ beamten zeigte: „Sieh, das iſt der Mann, der Dein und Deiner Mutter Verderben zu verantworten hat!“ — Einen Augenblick ſchien der Kommiſſair von dem verzweiflungsvollen Ton dieſer Worte beſtuͤrzt und ergrif¬ fen zu ſein, dann aber ſchoß ihm die Gluth des Zornes ins Geſicht und er gab der Tochter der Proſtitution eine ſchallende Ohrfeige.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/103
Zitationshilfe: Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/103>, abgerufen am 22.12.2024.