Habt ihr auf euren Zügen denn von der Gesellschaft nichts vernommen?" Der Täuscher blickt verwirrt umher, Und: "die Gesellschaft?" murmelt er.
"Wie, die so manchen braven Mann aus seinen Nöthen hat gezogen Und keinen Heller Zinsen nimmt, zwei Worte nur auf weißem Bogen, Die euch, und lebt ihr hundert Jahr, mit keiner Mahnung wird beschämen, Die kennt ihr nicht? die kennt ihr nicht? fürwahr, das muß mich Wunder nehmen!" Der Täuscher horcht, er spricht kein Wort, Und flüsternd fährt der Andre fort:
"Hört an, wenn in Silvesternacht das Mondlicht steigt in volle Bahnen, Kein Dach, kein Baum es schatten mag, wenn silbern stehn der Thürme Fahnen, Zum Schleusenthor geht dann hinaus, den Strom zur Rechten, links die Föhren, Wer euch begegnet -- achtet's nicht; wer euch begrüßt -- laßt euch nicht stören, Und hinterm Friedhof liegt ein Haus, Ein wenig öde sieht es aus.
Verstorbnen Wuchrers Erb' um das sich sieben Lumpe hitzig streiten,
Habt ihr auf euren Zügen denn von der Geſellſchaft nichts vernommen?“ Der Täuſcher blickt verwirrt umher, Und: „die Geſellſchaft?“ murmelt er.
„Wie, die ſo manchen braven Mann aus ſeinen Nöthen hat gezogen Und keinen Heller Zinſen nimmt, zwei Worte nur auf weißem Bogen, Die euch, und lebt ihr hundert Jahr, mit keiner Mahnung wird beſchämen, Die kennt ihr nicht? die kennt ihr nicht? fürwahr, das muß mich Wunder nehmen!“ Der Täuſcher horcht, er ſpricht kein Wort, Und flüſternd fährt der Andre fort:
„Hört an, wenn in Silveſternacht das Mondlicht ſteigt in volle Bahnen, Kein Dach, kein Baum es ſchatten mag, wenn ſilbern ſtehn der Thürme Fahnen, Zum Schleuſenthor geht dann hinaus, den Strom zur Rechten, links die Föhren, Wer euch begegnet — achtet's nicht; wer euch begrüßt — laßt euch nicht ſtören, Und hinterm Friedhof liegt ein Haus, Ein wenig öde ſieht es aus.
Verſtorbnen Wuchrers Erb' um das ſich ſieben Lumpe hitzig ſtreiten,
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Habt ihr auf euren Zügen denn von der Geſellſchaft
nichts vernommen?“
Der Täuſcher blickt verwirrt umher,
Und: „die Geſellſchaft?“ murmelt er.
„Wie, die ſo manchen braven Mann aus ſeinen Nöthen hat
gezogen
Und keinen Heller Zinſen nimmt, zwei Worte nur auf weißem
Bogen,
Die euch, und lebt ihr hundert Jahr, mit keiner Mahnung
wird beſchämen,
Die kennt ihr nicht? die kennt ihr nicht? fürwahr, das muß
mich Wunder nehmen!“
Der Täuſcher horcht, er ſpricht kein Wort,
Und flüſternd fährt der Andre fort:
„Hört an, wenn in Silveſternacht das Mondlicht ſteigt in
volle Bahnen,
Kein Dach, kein Baum es ſchatten mag, wenn ſilbern ſtehn
der Thürme Fahnen,
Zum Schleuſenthor geht dann hinaus, den Strom zur Rechten,
links die Föhren,
Wer euch begegnet — achtet's nicht; wer euch begrüßt —
laßt euch nicht ſtören,
Und hinterm Friedhof liegt ein Haus,
Ein wenig öde ſieht es aus.
Verſtorbnen Wuchrers Erb' um das ſich ſieben Lumpe hitzig
ſtreiten,
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/387>, abgerufen am 22.11.2024.
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