Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.Doch ferner, schwächer schon der Schall sich bricht. Oft sinn' ich wie mir alles noch so klar; Ich war betäubt, drum scheint mir's sonderbar. Ja, Angst ist fein, und schier bewußtlos doch, Mechanisch sammeln ein die Sinne noch. Nun stand mein Führer: schwere Riegel klirrten, Schnell schwand das Tuch, und schneller vor's Gesicht Schlug ich die Hand, mich blendete das Licht, Man sprach zu mir, ich sah und hörte nicht; Von allen Seiten bunte Flügel flirrten: Es that der Binde Druck, denn da's zerging, Ein einsam Lämpchen nur im Winkel hing, Wo einer Scheibe vieldurchlöchert Ziel Das Erste war was mir in's Auge fiel. Und, als ich noch dem Schwindel kaum entrann, Zu einer Wölbung zieht man mich hinan, Bis dicht vor meinen Füßen liegt ein Mann. Und Dieser ist's? vom groben Pelz bedeckt? So ausgespannt wie sich die Leiche streckt? Und Diesem soll ich helfen? Wenn ich kann. Ich sah den halbentblößten Fuß, die Hand, Kalt, todtenfahl, erschlafft der Muskeln Band; Ich sah recht um der Lunge Sitz das Tuch, Wodurch ein Streif sich naß und dunkel wand; Ich sah das schwarze Blut am Boden hier, v. Droste-Hülshof, Gedichte. 30
Doch ferner, ſchwächer ſchon der Schall ſich bricht. Oft ſinn' ich wie mir alles noch ſo klar; Ich war betäubt, drum ſcheint mir's ſonderbar. Ja, Angſt iſt fein, und ſchier bewußtlos doch, Mechaniſch ſammeln ein die Sinne noch. Nun ſtand mein Führer: ſchwere Riegel klirrten, Schnell ſchwand das Tuch, und ſchneller vor's Geſicht Schlug ich die Hand, mich blendete das Licht, Man ſprach zu mir, ich ſah und hörte nicht; Von allen Seiten bunte Flügel flirrten: Es that der Binde Druck, denn da's zerging, Ein einſam Lämpchen nur im Winkel hing, Wo einer Scheibe vieldurchlöchert Ziel Das Erſte war was mir in's Auge fiel. Und, als ich noch dem Schwindel kaum entrann, Zu einer Wölbung zieht man mich hinan, Bis dicht vor meinen Füßen liegt ein Mann. Und Dieſer iſt's? vom groben Pelz bedeckt? So ausgeſpannt wie ſich die Leiche ſtreckt? Und Dieſem ſoll ich helfen? Wenn ich kann. Ich ſah den halbentblößten Fuß, die Hand, Kalt, todtenfahl, erſchlafft der Muskeln Band; Ich ſah recht um der Lunge Sitz das Tuch, Wodurch ein Streif ſich naß und dunkel wand; Ich ſah das ſchwarze Blut am Boden hier, v. Droste-Hülshof, Gedichte. 30
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="6"> <pb facs="#f0479" n="465"/> <l>Doch ferner, ſchwächer ſchon der Schall ſich bricht.</l><lb/> <l>Nur immer weiter, wie die Wege drehn,</l><lb/> <l>Und bald verſchwimmt das Klirren, Rufen, Gehn</l><lb/> <l>In ein Geſchwirr, dem Hall des Waſſers gleich,</l><lb/> <l>Wenn's niederrauſcht in einer Grotte Reich.</l><lb/> </lg> <lg n="7"> <l>Oft ſinn' ich wie mir alles noch ſo klar;</l><lb/> <l>Ich war betäubt, drum ſcheint mir's ſonderbar.</l><lb/> <l>Ja, Angſt iſt fein, und ſchier bewußtlos doch,</l><lb/> <l>Mechaniſch ſammeln ein die Sinne noch.</l><lb/> <l>Nun ſtand mein Führer: ſchwere Riegel klirrten,</l><lb/> <l>Schnell ſchwand das Tuch, und ſchneller vor's Geſicht</l><lb/> <l>Schlug ich die Hand, mich blendete das Licht,</l><lb/> <l>Man ſprach zu mir, ich ſah und hörte nicht;</l><lb/> <l>Von allen Seiten bunte Flügel flirrten:</l><lb/> <l>Es that der Binde Druck, denn da's zerging,</l><lb/> <l>Ein einſam Lämpchen nur im Winkel hing,</l><lb/> <l>Wo einer Scheibe vieldurchlöchert Ziel</l><lb/> <l>Das Erſte war was mir in's Auge fiel.</l><lb/> <l>Und, als ich noch dem Schwindel kaum entrann,</l><lb/> <l>Zu einer Wölbung zieht man mich hinan,</l><lb/> <l>Bis dicht vor meinen Füßen liegt ein Mann.</l><lb/> <l>Und Dieſer iſt's? vom groben Pelz bedeckt?</l><lb/> <l>So ausgeſpannt wie ſich die Leiche ſtreckt?</l><lb/> <l>Und Dieſem ſoll ich helfen? Wenn ich kann.</l><lb/> <l>Ich ſah den halbentblößten Fuß, die Hand,</l><lb/> <l>Kalt, todtenfahl, erſchlafft der Muskeln Band;</l><lb/> <l>Ich ſah recht um der Lunge Sitz das Tuch,</l><lb/> <l>Wodurch ein Streif ſich naß und dunkel wand;</l><lb/> <l>Ich ſah das ſchwarze Blut am Boden hier,</l><lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">v</hi>. <hi rendition="#g">Droste-Hülshof</hi>, Gedichte. 30<lb/></fw> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [465/0479]
Doch ferner, ſchwächer ſchon der Schall ſich bricht.
Nur immer weiter, wie die Wege drehn,
Und bald verſchwimmt das Klirren, Rufen, Gehn
In ein Geſchwirr, dem Hall des Waſſers gleich,
Wenn's niederrauſcht in einer Grotte Reich.
Oft ſinn' ich wie mir alles noch ſo klar;
Ich war betäubt, drum ſcheint mir's ſonderbar.
Ja, Angſt iſt fein, und ſchier bewußtlos doch,
Mechaniſch ſammeln ein die Sinne noch.
Nun ſtand mein Führer: ſchwere Riegel klirrten,
Schnell ſchwand das Tuch, und ſchneller vor's Geſicht
Schlug ich die Hand, mich blendete das Licht,
Man ſprach zu mir, ich ſah und hörte nicht;
Von allen Seiten bunte Flügel flirrten:
Es that der Binde Druck, denn da's zerging,
Ein einſam Lämpchen nur im Winkel hing,
Wo einer Scheibe vieldurchlöchert Ziel
Das Erſte war was mir in's Auge fiel.
Und, als ich noch dem Schwindel kaum entrann,
Zu einer Wölbung zieht man mich hinan,
Bis dicht vor meinen Füßen liegt ein Mann.
Und Dieſer iſt's? vom groben Pelz bedeckt?
So ausgeſpannt wie ſich die Leiche ſtreckt?
Und Dieſem ſoll ich helfen? Wenn ich kann.
Ich ſah den halbentblößten Fuß, die Hand,
Kalt, todtenfahl, erſchlafft der Muskeln Band;
Ich ſah recht um der Lunge Sitz das Tuch,
Wodurch ein Streif ſich naß und dunkel wand;
Ich ſah das ſchwarze Blut am Boden hier,
v. Droste-Hülshof, Gedichte. 30
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |