Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.Und weiß nicht wo ich die Gedanken trug. Ein Schimmer jetzt auf den Enthüllten fällt,
Auf Züge, edel doch gefällig nicht. Dies Auge kalt und unbezwungen bricht Da sich dem Tod' zum Kampf die Seele stellt. Vor Grimm dies Antlitz schien mir zu erbleichen Um einen Gegner dem es jetzt muß weichen. Kraftsammlung, tiefes Brüten, sollt' man glauben, Bewegung ihm und Sprache müsse rauben; Und drüber, wahrlich, noch ein Hauch sich rührt Von dem was Herzen anlockt und verführt. Ich sah wohl wie es mit uns zweien stand, Mit mir und ihm, wir beid' an Grabes Rand, Da hab' ich auch gefühlt zu diesem Mal, Wie Todesangst in vollem Laube thut. Man meint, am besten sey's so kurz und gut, Bevor uns Krankheit Zoll um Zoll verzehrt; Glaub mir, es ist 'ne wunderliche Wahl, So um sich, neben sich kein Fußbreit Raum, Und über'm Haupt an Einem Haar das Schwert, Fürwahr die Zunge klebte mir am Gaum! Vielleicht dem Fischer mag ich mich vergleichen, Der sonder Nahrung im verschlag'nen Boot Die Möve streifen sieht und an dem bleichen Gewölk aufzucken ferner Blitze Roth, Gleich nah dem Abgrund und dem Hungertod. Und weiß nicht wo ich die Gedanken trug. Ein Schimmer jetzt auf den Enthüllten fällt,
Auf Züge, edel doch gefällig nicht. Dies Auge kalt und unbezwungen bricht Da ſich dem Tod' zum Kampf die Seele ſtellt. Vor Grimm dies Antlitz ſchien mir zu erbleichen Um einen Gegner dem es jetzt muß weichen. Kraftſammlung, tiefes Brüten, ſollt' man glauben, Bewegung ihm und Sprache müſſe rauben; Und drüber, wahrlich, noch ein Hauch ſich rührt Von dem was Herzen anlockt und verführt. Ich ſah wohl wie es mit uns zweien ſtand, Mit mir und ihm, wir beid' an Grabes Rand, Da hab' ich auch gefühlt zu dieſem Mal, Wie Todesangſt in vollem Laube thut. Man meint, am beſten ſey's ſo kurz und gut, Bevor uns Krankheit Zoll um Zoll verzehrt; Glaub mir, es iſt 'ne wunderliche Wahl, So um ſich, neben ſich kein Fußbreit Raum, Und über'm Haupt an Einem Haar das Schwert, Fürwahr die Zunge klebte mir am Gaum! Vielleicht dem Fiſcher mag ich mich vergleichen, Der ſonder Nahrung im verſchlag'nen Boot Die Möve ſtreifen ſieht und an dem bleichen Gewölk aufzucken ferner Blitze Roth, Gleich nah dem Abgrund und dem Hungertod. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="7"> <pb facs="#f0480" n="466"/> <l>Und weiß nicht wo ich die Gedanken trug.</l><lb/> <l>Gleich einer fremden Stimme ſprach's aus mir:</l><lb/> <l>„Bei Gott! bei Gott! bei Gott! der hat genug.“</l><lb/> <l>Ob man's vernommen hat? ich glaub' es kaum;</l><lb/> <l>Mich dünkt, gemurmelt hab' ich wie im Traum.</l><lb/> </lg> <lg n="8"> <l>Ein Schimmer jetzt auf den Enthüllten fällt,</l><lb/> <l>Auf Züge, edel doch gefällig nicht.</l><lb/> <l>Dies Auge kalt und unbezwungen bricht</l><lb/> <l>Da ſich dem Tod' zum Kampf die Seele ſtellt.</l><lb/> <l>Vor Grimm dies Antlitz ſchien mir zu erbleichen</l><lb/> <l>Um einen Gegner dem es jetzt muß weichen.</l><lb/> <l>Kraftſammlung, tiefes Brüten, ſollt' man glauben,</l><lb/> <l>Bewegung ihm und Sprache müſſe rauben;</l><lb/> <l>Und drüber, wahrlich, noch ein Hauch ſich rührt</l><lb/> <l>Von dem was Herzen anlockt und verführt.</l><lb/> <l>Ich ſah wohl wie es mit uns zweien ſtand,</l><lb/> <l>Mit mir und ihm, wir beid' an Grabes Rand,</l><lb/> <l>Da hab' ich auch gefühlt zu dieſem Mal,</l><lb/> <l>Wie Todesangſt in vollem Laube thut.</l><lb/> <l>Man meint, am beſten ſey's ſo kurz und gut,</l><lb/> <l>Bevor uns Krankheit Zoll um Zoll verzehrt;</l><lb/> <l>Glaub mir, es iſt 'ne wunderliche Wahl,</l><lb/> <l>So um ſich, neben ſich kein Fußbreit Raum,</l><lb/> <l>Und über'm Haupt an Einem Haar das Schwert,</l><lb/> <l>Fürwahr die Zunge klebte mir am Gaum!</l><lb/> <l>Vielleicht dem Fiſcher mag ich mich vergleichen,</l><lb/> <l>Der ſonder Nahrung im verſchlag'nen Boot</l><lb/> <l>Die Möve ſtreifen ſieht und an dem bleichen</l><lb/> <l>Gewölk aufzucken ferner Blitze Roth,</l><lb/> <l>Gleich nah dem Abgrund und dem Hungertod.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [466/0480]
Und weiß nicht wo ich die Gedanken trug.
Gleich einer fremden Stimme ſprach's aus mir:
„Bei Gott! bei Gott! bei Gott! der hat genug.“
Ob man's vernommen hat? ich glaub' es kaum;
Mich dünkt, gemurmelt hab' ich wie im Traum.
Ein Schimmer jetzt auf den Enthüllten fällt,
Auf Züge, edel doch gefällig nicht.
Dies Auge kalt und unbezwungen bricht
Da ſich dem Tod' zum Kampf die Seele ſtellt.
Vor Grimm dies Antlitz ſchien mir zu erbleichen
Um einen Gegner dem es jetzt muß weichen.
Kraftſammlung, tiefes Brüten, ſollt' man glauben,
Bewegung ihm und Sprache müſſe rauben;
Und drüber, wahrlich, noch ein Hauch ſich rührt
Von dem was Herzen anlockt und verführt.
Ich ſah wohl wie es mit uns zweien ſtand,
Mit mir und ihm, wir beid' an Grabes Rand,
Da hab' ich auch gefühlt zu dieſem Mal,
Wie Todesangſt in vollem Laube thut.
Man meint, am beſten ſey's ſo kurz und gut,
Bevor uns Krankheit Zoll um Zoll verzehrt;
Glaub mir, es iſt 'ne wunderliche Wahl,
So um ſich, neben ſich kein Fußbreit Raum,
Und über'm Haupt an Einem Haar das Schwert,
Fürwahr die Zunge klebte mir am Gaum!
Vielleicht dem Fiſcher mag ich mich vergleichen,
Der ſonder Nahrung im verſchlag'nen Boot
Die Möve ſtreifen ſieht und an dem bleichen
Gewölk aufzucken ferner Blitze Roth,
Gleich nah dem Abgrund und dem Hungertod.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |