Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.Doch die Besinnung kehrte mir zum Heil,
Auch etwas Muth und eben List genug; Ich konnte fragen in geschäft'ger Eil' Nach jener Waffe so die Wunde schlug. Der Führer sprach -- fürwahr, ich weiß nicht was. Mein Blick hing an des Kranken Muskelspiel: Die Lippe bebt, das Auge hat kein Ziel. Auf seinen Busen legt' ich meine Hand, Und fühlte wie der Herzschlag kam und schwand, In Stößen bald, dann wieder träg und laß; Da grade ward das Eisen mir gereicht, Ein Messer aus dem Küchenschrank vielleicht, Mit einer Schling', es an die Wand zu hängen; Das Ansehn einer Waffe hat's zumal, Die man ergreift in Angst und Todesqual. Ich fühlte wohl wie mein Gesicht erblich. Und als der Klinge blutgefärbte Längen Am Ermel auf und ab der Führer strich, Und recht als ob ihn wilde Lust beschlich, Nun spielend zuckt und ausholt gegen mich: Es war mir doch als dringe ein der Stich. Verbergen wollt' ich meiner Kniee Schwanken, Und suchte nach des nächsten Schemels Halt, Man sollte wähnen, sorglos, in Gedanken: Da traf ich eine Hand, so feucht und kalt; Doch jene nicht der kämpfenden Gestalt, Nein, neben mir, daß Arm an Arm sich drücken, Sitzt eine Frau, das Auge wie von Stein, Auf Den gewendet, der dem öden Seyn, Es scheint, mit sich zugleich sie wird entrücken. Doch die Beſinnung kehrte mir zum Heil,
Auch etwas Muth und eben Liſt genug; Ich konnte fragen in geſchäft'ger Eil' Nach jener Waffe ſo die Wunde ſchlug. Der Führer ſprach — fürwahr, ich weiß nicht was. Mein Blick hing an des Kranken Muskelſpiel: Die Lippe bebt, das Auge hat kein Ziel. Auf ſeinen Buſen legt' ich meine Hand, Und fühlte wie der Herzſchlag kam und ſchwand, In Stößen bald, dann wieder träg und laß; Da grade ward das Eiſen mir gereicht, Ein Meſſer aus dem Küchenſchrank vielleicht, Mit einer Schling', es an die Wand zu hängen; Das Anſehn einer Waffe hat's zumal, Die man ergreift in Angſt und Todesqual. Ich fühlte wohl wie mein Geſicht erblich. Und als der Klinge blutgefärbte Längen Am Ermel auf und ab der Führer ſtrich, Und recht als ob ihn wilde Luſt beſchlich, Nun ſpielend zuckt und ausholt gegen mich: Es war mir doch als dringe ein der Stich. Verbergen wollt' ich meiner Kniee Schwanken, Und ſuchte nach des nächſten Schemels Halt, Man ſollte wähnen, ſorglos, in Gedanken: Da traf ich eine Hand, ſo feucht und kalt; Doch jene nicht der kämpfenden Geſtalt, Nein, neben mir, daß Arm an Arm ſich drücken, Sitzt eine Frau, das Auge wie von Stein, Auf Den gewendet, der dem öden Seyn, Es ſcheint, mit ſich zugleich ſie wird entrücken. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0481" n="467"/> <lg n="9"> <l>Doch die Beſinnung kehrte mir zum Heil,</l><lb/> <l>Auch etwas Muth und eben Liſt genug;</l><lb/> <l>Ich konnte fragen in geſchäft'ger Eil'</l><lb/> <l>Nach jener Waffe ſo die Wunde ſchlug.</l><lb/> <l>Der Führer ſprach — fürwahr, ich weiß nicht was.</l><lb/> <l>Mein Blick hing an des Kranken Muskelſpiel:</l><lb/> <l>Die Lippe bebt, das Auge hat kein Ziel.</l><lb/> <l>Auf ſeinen Buſen legt' ich meine Hand,</l><lb/> <l>Und fühlte wie der Herzſchlag kam und ſchwand,</l><lb/> <l>In Stößen bald, dann wieder träg und laß;</l><lb/> <l>Da grade ward das Eiſen mir gereicht,</l><lb/> <l>Ein Meſſer aus dem Küchenſchrank vielleicht,</l><lb/> <l>Mit einer Schling', es an die Wand zu hängen;</l><lb/> <l>Das Anſehn einer Waffe hat's zumal,</l><lb/> <l>Die man ergreift in Angſt und Todesqual.</l><lb/> <l>Ich fühlte wohl wie mein Geſicht erblich.</l><lb/> <l>Und als der Klinge blutgefärbte Längen</l><lb/> <l>Am Ermel auf und ab der Führer ſtrich,</l><lb/> <l>Und recht als ob ihn wilde Luſt beſchlich,</l><lb/> <l>Nun ſpielend zuckt und ausholt gegen mich:</l><lb/> <l>Es war mir doch als dringe ein der Stich.</l><lb/> <l>Verbergen wollt' ich meiner Kniee Schwanken,</l><lb/> <l>Und ſuchte nach des nächſten Schemels Halt,</l><lb/> <l>Man ſollte wähnen, ſorglos, in Gedanken:</l><lb/> <l>Da traf ich eine Hand, ſo feucht und kalt;</l><lb/> <l>Doch jene nicht der kämpfenden Geſtalt,</l><lb/> <l>Nein, neben mir, daß Arm an Arm ſich drücken,</l><lb/> <l>Sitzt eine Frau, das Auge wie von Stein,</l><lb/> <l>Auf Den gewendet, der dem öden Seyn,</l><lb/> <l>Es ſcheint, mit ſich zugleich ſie wird entrücken.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [467/0481]
Doch die Beſinnung kehrte mir zum Heil,
Auch etwas Muth und eben Liſt genug;
Ich konnte fragen in geſchäft'ger Eil'
Nach jener Waffe ſo die Wunde ſchlug.
Der Führer ſprach — fürwahr, ich weiß nicht was.
Mein Blick hing an des Kranken Muskelſpiel:
Die Lippe bebt, das Auge hat kein Ziel.
Auf ſeinen Buſen legt' ich meine Hand,
Und fühlte wie der Herzſchlag kam und ſchwand,
In Stößen bald, dann wieder träg und laß;
Da grade ward das Eiſen mir gereicht,
Ein Meſſer aus dem Küchenſchrank vielleicht,
Mit einer Schling', es an die Wand zu hängen;
Das Anſehn einer Waffe hat's zumal,
Die man ergreift in Angſt und Todesqual.
Ich fühlte wohl wie mein Geſicht erblich.
Und als der Klinge blutgefärbte Längen
Am Ermel auf und ab der Führer ſtrich,
Und recht als ob ihn wilde Luſt beſchlich,
Nun ſpielend zuckt und ausholt gegen mich:
Es war mir doch als dringe ein der Stich.
Verbergen wollt' ich meiner Kniee Schwanken,
Und ſuchte nach des nächſten Schemels Halt,
Man ſollte wähnen, ſorglos, in Gedanken:
Da traf ich eine Hand, ſo feucht und kalt;
Doch jene nicht der kämpfenden Geſtalt,
Nein, neben mir, daß Arm an Arm ſich drücken,
Sitzt eine Frau, das Auge wie von Stein,
Auf Den gewendet, der dem öden Seyn,
Es ſcheint, mit ſich zugleich ſie wird entrücken.
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