Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.Hier steht's: "Mir war nicht wohl, nun bin ich matt, Fürwahr, fürwahr, und auch des Lebens satt. Doch weiter -- da du's wissen mußt, mein Sohn -- Naphta bekam der Kranke, sagt' ich schon; Was soll man sonst in solcher Noth verschreiben? Noch einmal wollt' ich künstlich Feuer treiben Durch seine Adern, ob sich mir vielleicht Indeß der Himmel weiß welch' Ausweg zeigt: So jung noch sollt' ich in der Schlinge bleiben? Ein junges Blut ist hoffnungsreich und leicht; Ich gab ihm Naphta; bis die Wirkung kömmt Laß ich verstohlen meine Blicke streifen; Die Dämm'rung ferner nicht das Auge hemmt, Es möchte jeden Gegenstand ergreifen. Ich war in einem dunstigen Gemach, Langsame Tropfen glitten von den Wänden; Aufrecht gestellt träf' ich der Wölbung Dach; Ob dies die Werke sind von Menschenhänden? Zu schlecht zum Keller, und zu gut zum Stollen: Was mögen diese langen Zapfen sollen? Ich meinte Stalacktiten; in der That, Die erste Höhle war's so ich betrat. Und ring's, wie zu gemeiner Maskerade, Hing's überall in schmutziger Parade: Ein Bauernkittel und ein Mönchsgewand, Soldatenkleider, Roßkamms langer Rock, Beim Judenbart des Aelplers Hakenstock, Und gleich am Lager mir zur rechten Hand Hier ein Gewehr von Damascirung falb, Ein andres dort, beschmutzt, zertrümmert halb. Hier ſteht's: „Mir war nicht wohl, nun bin ich matt, Fürwahr, fürwahr, und auch des Lebens ſatt. Doch weiter — da du's wiſſen mußt, mein Sohn — Naphta bekam der Kranke, ſagt' ich ſchon; Was ſoll man ſonſt in ſolcher Noth verſchreiben? Noch einmal wollt' ich künſtlich Feuer treiben Durch ſeine Adern, ob ſich mir vielleicht Indeß der Himmel weiß welch' Ausweg zeigt: So jung noch ſollt' ich in der Schlinge bleiben? Ein junges Blut iſt hoffnungsreich und leicht; Ich gab ihm Naphta; bis die Wirkung kömmt Laß ich verſtohlen meine Blicke ſtreifen; Die Dämm'rung ferner nicht das Auge hemmt, Es möchte jeden Gegenſtand ergreifen. Ich war in einem dunſtigen Gemach, Langſame Tropfen glitten von den Wänden; Aufrecht geſtellt träf' ich der Wölbung Dach; Ob dies die Werke ſind von Menſchenhänden? Zu ſchlecht zum Keller, und zu gut zum Stollen: Was mögen dieſe langen Zapfen ſollen? Ich meinte Stalacktiten; in der That, Die erſte Höhle war's ſo ich betrat. Und ring's, wie zu gemeiner Maskerade, Hing's überall in ſchmutziger Parade: Ein Bauernkittel und ein Mönchsgewand, Soldatenkleider, Roßkamms langer Rock, Beim Judenbart des Aelplers Hakenſtock, Und gleich am Lager mir zur rechten Hand Hier ein Gewehr von Damascirung falb, Ein andres dort, beſchmutzt, zertrümmert halb. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0483" n="469"/> <lg n="11"> <l>Hier ſteht's: „Mir war nicht wohl, nun bin ich matt,</l><lb/> <l>Fürwahr, fürwahr, und auch des Lebens ſatt.</l><lb/> <l>Doch weiter — da du's wiſſen mußt, mein Sohn —</l><lb/> <l>Naphta bekam der Kranke, ſagt' ich ſchon;</l><lb/> <l>Was ſoll man ſonſt in ſolcher Noth verſchreiben?</l><lb/> <l>Noch einmal wollt' ich künſtlich Feuer treiben</l><lb/> <l>Durch ſeine Adern, ob ſich mir vielleicht</l><lb/> <l>Indeß der Himmel weiß welch' Ausweg zeigt:</l><lb/> <l>So jung noch ſollt' ich in der Schlinge bleiben?</l><lb/> <l>Ein junges Blut iſt hoffnungsreich und leicht;</l><lb/> <l>Ich gab ihm Naphta; bis die Wirkung kömmt</l><lb/> <l>Laß ich verſtohlen meine Blicke ſtreifen;</l><lb/> <l>Die Dämm'rung ferner nicht das Auge hemmt,</l><lb/> <l>Es möchte jeden Gegenſtand ergreifen.</l><lb/> <l>Ich war in einem dunſtigen Gemach,</l><lb/> <l>Langſame Tropfen glitten von den Wänden;</l><lb/> <l>Aufrecht geſtellt träf' ich der Wölbung Dach;</l><lb/> <l>Ob dies die Werke ſind von Menſchenhänden?</l><lb/> <l>Zu ſchlecht zum Keller, und zu gut zum Stollen:</l><lb/> <l>Was mögen dieſe langen Zapfen ſollen?</l><lb/> <l>Ich meinte Stalacktiten; in der That,</l><lb/> <l>Die erſte Höhle war's ſo ich betrat.</l><lb/> <l>Und ring's, wie zu gemeiner Maskerade,</l><lb/> <l>Hing's überall in ſchmutziger Parade:</l><lb/> <l>Ein Bauernkittel und ein Mönchsgewand,</l><lb/> <l>Soldatenkleider, Roßkamms langer Rock,</l><lb/> <l>Beim Judenbart des Aelplers Hakenſtock,</l><lb/> <l>Und gleich am Lager mir zur rechten Hand</l><lb/> <l>Hier ein Gewehr von Damascirung falb,</l><lb/> <l>Ein andres dort, beſchmutzt, zertrümmert halb.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [469/0483]
Hier ſteht's: „Mir war nicht wohl, nun bin ich matt,
Fürwahr, fürwahr, und auch des Lebens ſatt.
Doch weiter — da du's wiſſen mußt, mein Sohn —
Naphta bekam der Kranke, ſagt' ich ſchon;
Was ſoll man ſonſt in ſolcher Noth verſchreiben?
Noch einmal wollt' ich künſtlich Feuer treiben
Durch ſeine Adern, ob ſich mir vielleicht
Indeß der Himmel weiß welch' Ausweg zeigt:
So jung noch ſollt' ich in der Schlinge bleiben?
Ein junges Blut iſt hoffnungsreich und leicht;
Ich gab ihm Naphta; bis die Wirkung kömmt
Laß ich verſtohlen meine Blicke ſtreifen;
Die Dämm'rung ferner nicht das Auge hemmt,
Es möchte jeden Gegenſtand ergreifen.
Ich war in einem dunſtigen Gemach,
Langſame Tropfen glitten von den Wänden;
Aufrecht geſtellt träf' ich der Wölbung Dach;
Ob dies die Werke ſind von Menſchenhänden?
Zu ſchlecht zum Keller, und zu gut zum Stollen:
Was mögen dieſe langen Zapfen ſollen?
Ich meinte Stalacktiten; in der That,
Die erſte Höhle war's ſo ich betrat.
Und ring's, wie zu gemeiner Maskerade,
Hing's überall in ſchmutziger Parade:
Ein Bauernkittel und ein Mönchsgewand,
Soldatenkleider, Roßkamms langer Rock,
Beim Judenbart des Aelplers Hakenſtock,
Und gleich am Lager mir zur rechten Hand
Hier ein Gewehr von Damascirung falb,
Ein andres dort, beſchmutzt, zertrümmert halb.
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