wirken, da bei den häufig vorkommenden Schar- mützeln der Vortheil meist auf Seiten der Bauern blieb. Dreißig, vierzig Wagen zogen zugleich aus in den schönen Mondnächten mit ungefähr doppelt so viel Mannschaft jedes Alters, vom halbwüchsigen Knaben bis zum siebzigjährigen Ortsvorsteher, der als erfahrener Leitbock den Zug mit gleich stolzem Bewußtsein anführte, als er seinen Sitz in der Gerichtsstube einnahm. Die Zurückgebliebenen horch- ten sorglos dem allmähligen Verhallen des Knarrens und Stoßens der Räder in den Hohlwegen und schlie- fen sacht weiter. Ein gelegentlicher Schuß, ein schwacher Schrei ließen wohl einmal eine junge Frau oder Braut auffahren; kein Anderer achtete darauf. Beim ersten Morgengrau kehrte der Zug eben so schwei- gend heim, die Gesichter glühend wie Erz, hier und dort einer mit verbundenem Kopf, was weiter nicht in Betracht kam, und nach ein paar Stunden war die Umgegend voll von dem Mißgeschick eines oder mehrerer Forstbeamten, die aus dem Walde getragen wurden, zerschlagen, mit Schnupftaback geblendet und für einige Zeit unfähig, ihrem Berufe nach- zukommen.
In diesen Umgebungen ward Friedrich Mergel geboren, in einem Hause, das durch die stolze Zu- gabe eines Rauchfanges und minder kleiner Glas- scheiben die Ansprüche seines Erbauers, so wie durch
wirken, da bei den häufig vorkommenden Schar- mützeln der Vortheil meiſt auf Seiten der Bauern blieb. Dreißig, vierzig Wagen zogen zugleich aus in den ſchönen Mondnächten mit ungefähr doppelt ſo viel Mannſchaft jedes Alters, vom halbwüchſigen Knaben bis zum ſiebzigjährigen Ortsvorſteher, der als erfahrener Leitbock den Zug mit gleich ſtolzem Bewußtſein anführte, als er ſeinen Sitz in der Gerichtsſtube einnahm. Die Zurückgebliebenen horch- ten ſorglos dem allmähligen Verhallen des Knarrens und Stoßens der Räder in den Hohlwegen und ſchlie- fen ſacht weiter. Ein gelegentlicher Schuß, ein ſchwacher Schrei ließen wohl einmal eine junge Frau oder Braut auffahren; kein Anderer achtete darauf. Beim erſten Morgengrau kehrte der Zug eben ſo ſchwei- gend heim, die Geſichter glühend wie Erz, hier und dort einer mit verbundenem Kopf, was weiter nicht in Betracht kam, und nach ein paar Stunden war die Umgegend voll von dem Mißgeſchick eines oder mehrerer Forſtbeamten, die aus dem Walde getragen wurden, zerſchlagen, mit Schnupftaback geblendet und für einige Zeit unfähig, ihrem Berufe nach- zukommen.
In dieſen Umgebungen ward Friedrich Mergel geboren, in einem Hauſe, das durch die ſtolze Zu- gabe eines Rauchfanges und minder kleiner Glas- ſcheiben die Anſprüche ſeines Erbauers, ſo wie durch
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0164"n="148"/>
wirken, da bei den häufig vorkommenden Schar-<lb/>
mützeln der Vortheil meiſt auf Seiten der Bauern<lb/>
blieb. Dreißig, vierzig Wagen zogen zugleich aus<lb/>
in den ſchönen Mondnächten mit ungefähr doppelt<lb/>ſo viel Mannſchaft jedes Alters, vom halbwüchſigen<lb/>
Knaben bis zum ſiebzigjährigen Ortsvorſteher, der<lb/>
als erfahrener Leitbock den Zug mit gleich ſtolzem<lb/>
Bewußtſein anführte, als er ſeinen Sitz in der<lb/>
Gerichtsſtube einnahm. Die Zurückgebliebenen horch-<lb/>
ten ſorglos dem allmähligen Verhallen des Knarrens<lb/>
und Stoßens der Räder in den Hohlwegen und ſchlie-<lb/>
fen ſacht weiter. Ein gelegentlicher Schuß, ein ſchwacher<lb/>
Schrei ließen wohl einmal eine junge Frau oder<lb/>
Braut auffahren; kein Anderer achtete darauf. Beim<lb/>
erſten Morgengrau kehrte der Zug eben ſo ſchwei-<lb/>
gend heim, die Geſichter glühend wie Erz, hier und<lb/>
dort einer mit verbundenem Kopf, was weiter nicht<lb/>
in Betracht kam, und nach ein paar Stunden war<lb/>
die Umgegend voll von dem Mißgeſchick eines oder<lb/>
mehrerer Forſtbeamten, die aus dem Walde getragen<lb/>
wurden, zerſchlagen, mit Schnupftaback geblendet<lb/>
und für einige Zeit unfähig, ihrem Berufe nach-<lb/>
zukommen.</p><lb/><p>In dieſen Umgebungen ward Friedrich Mergel<lb/>
geboren, in einem Hauſe, das durch die ſtolze Zu-<lb/>
gabe eines Rauchfanges und minder kleiner Glas-<lb/>ſcheiben die Anſprüche ſeines Erbauers, ſo wie durch<lb/></p></div></body></text></TEI>
[148/0164]
wirken, da bei den häufig vorkommenden Schar-
mützeln der Vortheil meiſt auf Seiten der Bauern
blieb. Dreißig, vierzig Wagen zogen zugleich aus
in den ſchönen Mondnächten mit ungefähr doppelt
ſo viel Mannſchaft jedes Alters, vom halbwüchſigen
Knaben bis zum ſiebzigjährigen Ortsvorſteher, der
als erfahrener Leitbock den Zug mit gleich ſtolzem
Bewußtſein anführte, als er ſeinen Sitz in der
Gerichtsſtube einnahm. Die Zurückgebliebenen horch-
ten ſorglos dem allmähligen Verhallen des Knarrens
und Stoßens der Räder in den Hohlwegen und ſchlie-
fen ſacht weiter. Ein gelegentlicher Schuß, ein ſchwacher
Schrei ließen wohl einmal eine junge Frau oder
Braut auffahren; kein Anderer achtete darauf. Beim
erſten Morgengrau kehrte der Zug eben ſo ſchwei-
gend heim, die Geſichter glühend wie Erz, hier und
dort einer mit verbundenem Kopf, was weiter nicht
in Betracht kam, und nach ein paar Stunden war
die Umgegend voll von dem Mißgeſchick eines oder
mehrerer Forſtbeamten, die aus dem Walde getragen
wurden, zerſchlagen, mit Schnupftaback geblendet
und für einige Zeit unfähig, ihrem Berufe nach-
zukommen.
In dieſen Umgebungen ward Friedrich Mergel
geboren, in einem Hauſe, das durch die ſtolze Zu-
gabe eines Rauchfanges und minder kleiner Glas-
ſcheiben die Anſprüche ſeines Erbauers, ſo wie durch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/164>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.