Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.oder, warte -- doch: Niemand, Johannes Niemand Margreth stand auf und ging in die Kammer. Der Knabe raffte sich mit der Miene eines "Warte, Johannes," sagte Friedrich stolz, "ich "Laß doch," sagte Margreth, "er geht ja nach "Ja, aber er bekommt nichts mehr; Ohm oder, warte — doch: Niemand, Johannes Niemand Margreth ſtand auf und ging in die Kammer. Der Knabe raffte ſich mit der Miene eines „Warte, Johannes,“ ſagte Friedrich ſtolz, „ich „Laß doch,“ ſagte Margreth, „er geht ja nach „Ja, aber er bekommt nichts mehr; Ohm <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0185" n="169"/> oder, warte — doch: Niemand, Johannes Niemand<lb/> heißt er. — Er hat keinen Vater,“ fügte er leiſer hinzu.</p><lb/> <p>Margreth ſtand auf und ging in die Kammer.<lb/> Nach einer Weile kam ſie heraus mit einem harten,<lb/> finſtern Ausdruck in den Mienen. „So, Friedrich,“<lb/> ſagte ſie, „laß den Jungen gehen, daß er ſeine Be-<lb/> ſtellung machen kann. — Junge, was liegſt du da<lb/> in der Aſche? haſt du zu Hauſe nichts zu thun?“</p><lb/> <p>Der Knabe raffte ſich mit der Miene eines<lb/> Verfolgten ſo eilfertig auf, daß ihm alle Glieder<lb/> im Wege ſtanden und die Holzſchenvioline bei einem<lb/> Haar in’s Feuer gefallen wäre.</p><lb/> <p>„Warte, Johannes,“ ſagte Friedrich ſtolz, „ich<lb/> will dir mein halbes Butterbrod geben, es iſt mir<lb/> doch zu groß, die Mutter ſchneidet allemal über’s<lb/> ganze Brod.“</p><lb/> <p>„Laß doch,“ ſagte Margreth, „er geht ja nach<lb/> Hauſe.“</p><lb/> <p>„Ja, aber er bekommt nichts mehr; Ohm<lb/> Simon ißt um 7 Uhr.“ Margreth wandte ſich zu<lb/> dem Knaben: „Hebt man dir nichts auf? Sprich,<lb/> wer ſorgt für dich?“ — „Niemand,“ ſtotterte das<lb/> Kind. — „Niemand?“ wiederholte ſie; „da nimm,<lb/> nimm!“ fügte ſie heftig hinzu; „du heißt Niemand<lb/> und Niemand ſorgt für dich! Das ſei Gott geklagt!<lb/> Und nun mach dich fort! Friedrich, geh nicht mit<lb/> ihm, hörſt du, geht nicht zuſammen durch’s Dorf.“<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [169/0185]
oder, warte — doch: Niemand, Johannes Niemand
heißt er. — Er hat keinen Vater,“ fügte er leiſer hinzu.
Margreth ſtand auf und ging in die Kammer.
Nach einer Weile kam ſie heraus mit einem harten,
finſtern Ausdruck in den Mienen. „So, Friedrich,“
ſagte ſie, „laß den Jungen gehen, daß er ſeine Be-
ſtellung machen kann. — Junge, was liegſt du da
in der Aſche? haſt du zu Hauſe nichts zu thun?“
Der Knabe raffte ſich mit der Miene eines
Verfolgten ſo eilfertig auf, daß ihm alle Glieder
im Wege ſtanden und die Holzſchenvioline bei einem
Haar in’s Feuer gefallen wäre.
„Warte, Johannes,“ ſagte Friedrich ſtolz, „ich
will dir mein halbes Butterbrod geben, es iſt mir
doch zu groß, die Mutter ſchneidet allemal über’s
ganze Brod.“
„Laß doch,“ ſagte Margreth, „er geht ja nach
Hauſe.“
„Ja, aber er bekommt nichts mehr; Ohm
Simon ißt um 7 Uhr.“ Margreth wandte ſich zu
dem Knaben: „Hebt man dir nichts auf? Sprich,
wer ſorgt für dich?“ — „Niemand,“ ſtotterte das
Kind. — „Niemand?“ wiederholte ſie; „da nimm,
nimm!“ fügte ſie heftig hinzu; „du heißt Niemand
und Niemand ſorgt für dich! Das ſei Gott geklagt!
Und nun mach dich fort! Friedrich, geh nicht mit
ihm, hörſt du, geht nicht zuſammen durch’s Dorf.“
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