fremde Knabe hatte sich wieder über die Kohlen gebeugt mit einem Ausdruck augenblicklichen Wohl- behagens, der an Albernheit grenzte, während in Friedrichs Zügen der Wechsel eines offenbar mehr selbstischen als gutmüthigen Mitgefühls spielte und sein Auge in fast glasartiger Klarheit zum ersten- male bestimmt den Ausdruck jenes ungebändigten Ehrgeizes und Hanges zum Großthun zeigte, der nachher als so starkes Motiv seiner meisten Hand- lungen hervortrat.
Der Ruf seiner Mutter störte ihn aus Ge- danken, die ihm eben so neu als angenehm waren.
Sie saß wieder am Spinnrade.
"Friedrich," sagte sie zögernd, "sag' einmal --" und schwieg dann. Friedrich sah auf und wandte sich, da er nichts weiter vernahm, wieder zu seinem Schützling. -- "Nein, höre --" und dann leiser: "was ist das für ein Junge? wie heißt er?" -- Friedrich antwortete eben so leise: "Das ist des Ohms Simon Schweinehirt, der eine Botschaft an den Hülsmeyer hat. Der Ohm hat mir ein paar Schuhe und eine Weste von Drillich gegeben, die hat mir der Junge unterwegs getragen; dafür hab' ich ihm meine Violine versprochen; er ist ja doch ein armes Kind; Johannes heißt er." -- "Nun?" sagte Margreth. -- "Was willst du, Mutter?" -- "Wie heißt er weiter?" -- "Ja -- weiter nicht --
fremde Knabe hatte ſich wieder über die Kohlen gebeugt mit einem Ausdruck augenblicklichen Wohl- behagens, der an Albernheit grenzte, während in Friedrichs Zügen der Wechſel eines offenbar mehr ſelbſtiſchen als gutmüthigen Mitgefühls ſpielte und ſein Auge in faſt glasartiger Klarheit zum erſten- male beſtimmt den Ausdruck jenes ungebändigten Ehrgeizes und Hanges zum Großthun zeigte, der nachher als ſo ſtarkes Motiv ſeiner meiſten Hand- lungen hervortrat.
Der Ruf ſeiner Mutter ſtörte ihn aus Ge- danken, die ihm eben ſo neu als angenehm waren.
Sie ſaß wieder am Spinnrade.
„Friedrich,“ ſagte ſie zögernd, „ſag’ einmal —“ und ſchwieg dann. Friedrich ſah auf und wandte ſich, da er nichts weiter vernahm, wieder zu ſeinem Schützling. — „Nein, höre —“ und dann leiſer: „was iſt das für ein Junge? wie heißt er?“ — Friedrich antwortete eben ſo leiſe: „Das iſt des Ohms Simon Schweinehirt, der eine Botſchaft an den Hülsmeyer hat. Der Ohm hat mir ein paar Schuhe und eine Weſte von Drillich gegeben, die hat mir der Junge unterwegs getragen; dafür hab’ ich ihm meine Violine verſprochen; er iſt ja doch ein armes Kind; Johannes heißt er.“ — „Nun?“ ſagte Margreth. — „Was willſt du, Mutter?“ — „Wie heißt er weiter?“ — „Ja — weiter nicht —
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fremde Knabe hatte ſich wieder über die Kohlen
gebeugt mit einem Ausdruck augenblicklichen Wohl-
behagens, der an Albernheit grenzte, während in
Friedrichs Zügen der Wechſel eines offenbar mehr
ſelbſtiſchen als gutmüthigen Mitgefühls ſpielte und
ſein Auge in faſt glasartiger Klarheit zum erſten-
male beſtimmt den Ausdruck jenes ungebändigten
Ehrgeizes und Hanges zum Großthun zeigte, der
nachher als ſo ſtarkes Motiv ſeiner meiſten Hand-
lungen hervortrat.
Der Ruf ſeiner Mutter ſtörte ihn aus Ge-
danken, die ihm eben ſo neu als angenehm waren.
Sie ſaß wieder am Spinnrade.
„Friedrich,“ ſagte ſie zögernd, „ſag’ einmal —“
und ſchwieg dann. Friedrich ſah auf und wandte
ſich, da er nichts weiter vernahm, wieder zu ſeinem
Schützling. — „Nein, höre —“ und dann leiſer:
„was iſt das für ein Junge? wie heißt er?“ —
Friedrich antwortete eben ſo leiſe: „Das iſt des
Ohms Simon Schweinehirt, der eine Botſchaft an
den Hülsmeyer hat. Der Ohm hat mir ein paar
Schuhe und eine Weſte von Drillich gegeben, die
hat mir der Junge unterwegs getragen; dafür hab’
ich ihm meine Violine verſprochen; er iſt ja doch ein
armes Kind; Johannes heißt er.“ — „Nun?“
ſagte Margreth. — „Was willſt du, Mutter?“ —
„Wie heißt er weiter?“ — „Ja — weiter nicht —
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/184>, abgerufen am 16.07.2024.
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