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Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.

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Leider ward das Verhör durch die Mittags-
stunde unterbrochen, und während wir tafelten, hat
sich der Hund von einem Juden an einem Strumpf-
bande erhängt. Was sagen Sie dazu? Aaron
ist zwar ein verbreiteter Name u. s. w. --

"Was sagen Sie dazu?" wiederholte der
Gutsherr: "und weshalb wäre der Esel von einem
Burschen denn gelaufen?"

Der Amtsschreiber dachte nach. -- "Nun,
vielleicht der Holzfrevel wegen, mit denen wir ja
gerade in Untersuchung waren. Heißt es nicht:
der Böse läuft vor seinem eigenen Schatten?
Mergels Gewissen war schmutzig genug auch ohne
diesen Flecken."

Dabei beruhigte man sich. Friedrich war hin,
verschwunden und -- Johannes Niemand, der arme,
unbeachtete Johannes, am gleichen Tage mit ihm.

Eine schöne lange Zeit war verflossen, acht-
undzwanzig Jahre, fast die Hälfte eines Menschen-
lebens; der Gutsherr war sehr alt und grau ge-
worden, sein gutmüthiger Gehülfe Kapp längst be-
graben. Menschen, Thiere und Pflanzen waren
entstanden, gereift, vergangen, nur Schloß B. sah
immer gleich grau und vornehm auf die Hütten
herab, die wie alte hektische Leute immer fallen zu
wollen schienen und immer standen.

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Leider ward das Verhör durch die Mittags-
ſtunde unterbrochen, und während wir tafelten, hat
ſich der Hund von einem Juden an einem Strumpf-
bande erhängt. Was ſagen Sie dazu? Aaron
iſt zwar ein verbreiteter Name u. ſ. w. —

„Was ſagen Sie dazu?“ wiederholte der
Gutsherr: „und weshalb wäre der Eſel von einem
Burſchen denn gelaufen?“

Der Amtsſchreiber dachte nach. — „Nun,
vielleicht der Holzfrevel wegen, mit denen wir ja
gerade in Unterſuchung waren. Heißt es nicht:
der Böſe läuft vor ſeinem eigenen Schatten?
Mergels Gewiſſen war ſchmutzig genug auch ohne
dieſen Flecken.“

Dabei beruhigte man ſich. Friedrich war hin,
verſchwunden und — Johannes Niemand, der arme,
unbeachtete Johannes, am gleichen Tage mit ihm.

Eine ſchöne lange Zeit war verfloſſen, acht-
undzwanzig Jahre, faſt die Hälfte eines Menſchen-
lebens; der Gutsherr war ſehr alt und grau ge-
worden, ſein gutmüthiger Gehülfe Kapp längſt be-
graben. Menſchen, Thiere und Pflanzen waren
entſtanden, gereift, vergangen, nur Schloß B. ſah
immer gleich grau und vornehm auf die Hütten
herab, die wie alte hektiſche Leute immer fallen zu
wollen ſchienen und immer ſtanden.

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[211/0227] Leider ward das Verhör durch die Mittags- ſtunde unterbrochen, und während wir tafelten, hat ſich der Hund von einem Juden an einem Strumpf- bande erhängt. Was ſagen Sie dazu? Aaron iſt zwar ein verbreiteter Name u. ſ. w. — „Was ſagen Sie dazu?“ wiederholte der Gutsherr: „und weshalb wäre der Eſel von einem Burſchen denn gelaufen?“ Der Amtsſchreiber dachte nach. — „Nun, vielleicht der Holzfrevel wegen, mit denen wir ja gerade in Unterſuchung waren. Heißt es nicht: der Böſe läuft vor ſeinem eigenen Schatten? Mergels Gewiſſen war ſchmutzig genug auch ohne dieſen Flecken.“ Dabei beruhigte man ſich. Friedrich war hin, verſchwunden und — Johannes Niemand, der arme, unbeachtete Johannes, am gleichen Tage mit ihm. Eine ſchöne lange Zeit war verfloſſen, acht- undzwanzig Jahre, faſt die Hälfte eines Menſchen- lebens; der Gutsherr war ſehr alt und grau ge- worden, ſein gutmüthiger Gehülfe Kapp längſt be- graben. Menſchen, Thiere und Pflanzen waren entſtanden, gereift, vergangen, nur Schloß B. ſah immer gleich grau und vornehm auf die Hütten herab, die wie alte hektiſche Leute immer fallen zu wollen ſchienen und immer ſtanden. 14*

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/227>, abgerufen am 23.11.2024.