Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.Beim Eintritt in das Wohnzimmer sah er "Nun, Johannes," sagte der Gutsherr, "erzähl Johannes begann: wie Mergel ihn Nachts Beim Eintritt in das Wohnzimmer ſah er „Nun, Johannes,“ ſagte der Gutsherr, „erzähl Johannes begann: wie Mergel ihn Nachts <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0233" n="217"/> <p>Beim Eintritt in das Wohnzimmer ſah er<lb/> ſcheu umher, wie vom Licht geblendet, und dann<lb/> auf den Baron, der ſehr zuſammengefallen in ſeinem<lb/> Lehnſtuhl ſaß, aber noch immer mit den hellen<lb/> Augen und dem rothen Käppchen auf dem Kopfe<lb/> wie vor achtundzwanzig Jahren; neben ihm die<lb/> gnädige Frau, auch alt, ſehr alt geworden.</p><lb/> <p>„Nun, Johannes,“ ſagte der Gutsherr, „erzähl<lb/> mir einmal recht ordentlich von deinen Abenteuern.<lb/> Aber,“ er muſterte ihn durch die Brille, „du biſt<lb/> ja erbärmlich mitgenommen in der Türkei!“ —</p><lb/> <p>Johannes begann: wie Mergel ihn Nachts<lb/> von der Heerde abgerufen und geſagt, er müſſe<lb/> mit ihm fort. — „Aber warum lief der dumme<lb/> Junge denn? Du weißt doch, daß er unſchuldig<lb/> war?“ — Johannes ſah vor ſich nieder: „Ich<lb/> weiß nicht recht, mich dünkt, es war wegen Holz-<lb/> geſchichten. Simon hatte ſo allerlei Geſchäfte; mir<lb/> ſagte man nichts davon, aber ich glaube nicht, daß<lb/> Alles war, wie es ſein ſollte.“ — „Was hat<lb/> denn Friedrich dir geſagt?“ — „Nichts, als daß<lb/> wir laufen müßten, ſie wären hinter uns her.<lb/> So liefen wir bis Heerſe; da war es noch dunkel<lb/> und wir verſteckten uns hinter das große Kreuz<lb/> am Kirchhofe bis es etwas heller wurde, weil wir<lb/> uns vor den Steinbrüchen am Zellerfelde fürchteten,<lb/> und wie wir eine Weile geſeſſen hatten, hörten<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [217/0233]
Beim Eintritt in das Wohnzimmer ſah er
ſcheu umher, wie vom Licht geblendet, und dann
auf den Baron, der ſehr zuſammengefallen in ſeinem
Lehnſtuhl ſaß, aber noch immer mit den hellen
Augen und dem rothen Käppchen auf dem Kopfe
wie vor achtundzwanzig Jahren; neben ihm die
gnädige Frau, auch alt, ſehr alt geworden.
„Nun, Johannes,“ ſagte der Gutsherr, „erzähl
mir einmal recht ordentlich von deinen Abenteuern.
Aber,“ er muſterte ihn durch die Brille, „du biſt
ja erbärmlich mitgenommen in der Türkei!“ —
Johannes begann: wie Mergel ihn Nachts
von der Heerde abgerufen und geſagt, er müſſe
mit ihm fort. — „Aber warum lief der dumme
Junge denn? Du weißt doch, daß er unſchuldig
war?“ — Johannes ſah vor ſich nieder: „Ich
weiß nicht recht, mich dünkt, es war wegen Holz-
geſchichten. Simon hatte ſo allerlei Geſchäfte; mir
ſagte man nichts davon, aber ich glaube nicht, daß
Alles war, wie es ſein ſollte.“ — „Was hat
denn Friedrich dir geſagt?“ — „Nichts, als daß
wir laufen müßten, ſie wären hinter uns her.
So liefen wir bis Heerſe; da war es noch dunkel
und wir verſteckten uns hinter das große Kreuz
am Kirchhofe bis es etwas heller wurde, weil wir
uns vor den Steinbrüchen am Zellerfelde fürchteten,
und wie wir eine Weile geſeſſen hatten, hörten
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