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Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.

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wir mit einemmale über uns schnauben und stampfen
und sahen lange Feuerstrahlen in der Luft gerade
über dem Heerser Kirchthurm.

Wir sprangen auf und liefen, was wir konnten
in Gottes Namen gerade aus, und wie es dämmerte,
waren wir wirklich auf dem rechten Wege nach P."

Johannes schien noch vor der Erinnerung zu
schaudern, und der Gutsherr dachte an seinen seligen
Kapp und dessen Abenteuer am Heerser Hange. --

"Sonderbar!" lachte er, "so nah wart ihr
einander! aber fahr fort." --

Johannes erzählte nun, wie sie glücklich durch
P. und über die Grenze gekommen.

Von da hatten sie sich als wandernde Hand-
werksbursche durchgebettelt bis Freiburg im Breis-
gau. "Ich hatte meinen Brodsack bei mir," sagte
er, "und Friedrich ein Bündelchen; so glaubte man
uns." -- In Freiburg hatten sie sich von den
Oestreichern anwerben lassen: ihn hatte man nicht
gewollt, aber Friedrich bestand darauf. So kam
er unter den Train. "Den Winter über blieben
wir in Freiburg," fuhr er fort, "und es ging uns
ziemlich gut; mir auch, weil Friedrich mich oft
erinnerte und mir half, wenn ich etwas verkehrt
machte. Im Frühling mußten wir marschiren,
nach Ungarn, und im Herbst ging der Krieg mit
den Türken los. Ich kann nicht viel davon nach-

wir mit einemmale über uns ſchnauben und ſtampfen
und ſahen lange Feuerſtrahlen in der Luft gerade
über dem Heerſer Kirchthurm.

Wir ſprangen auf und liefen, was wir konnten
in Gottes Namen gerade aus, und wie es dämmerte,
waren wir wirklich auf dem rechten Wege nach P.“

Johannes ſchien noch vor der Erinnerung zu
ſchaudern, und der Gutsherr dachte an ſeinen ſeligen
Kapp und deſſen Abenteuer am Heerſer Hange. —

„Sonderbar!“ lachte er, „ſo nah wart ihr
einander! aber fahr fort.“ —

Johannes erzählte nun, wie ſie glücklich durch
P. und über die Grenze gekommen.

Von da hatten ſie ſich als wandernde Hand-
werksburſche durchgebettelt bis Freiburg im Breis-
gau. „Ich hatte meinen Brodſack bei mir,“ ſagte
er, „und Friedrich ein Bündelchen; ſo glaubte man
uns.“ — In Freiburg hatten ſie ſich von den
Oeſtreichern anwerben laſſen: ihn hatte man nicht
gewollt, aber Friedrich beſtand darauf. So kam
er unter den Train. „Den Winter über blieben
wir in Freiburg,“ fuhr er fort, „und es ging uns
ziemlich gut; mir auch, weil Friedrich mich oft
erinnerte und mir half, wenn ich etwas verkehrt
machte. Im Frühling mußten wir marſchiren,
nach Ungarn, und im Herbſt ging der Krieg mit
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[218/0234] wir mit einemmale über uns ſchnauben und ſtampfen und ſahen lange Feuerſtrahlen in der Luft gerade über dem Heerſer Kirchthurm. Wir ſprangen auf und liefen, was wir konnten in Gottes Namen gerade aus, und wie es dämmerte, waren wir wirklich auf dem rechten Wege nach P.“ Johannes ſchien noch vor der Erinnerung zu ſchaudern, und der Gutsherr dachte an ſeinen ſeligen Kapp und deſſen Abenteuer am Heerſer Hange. — „Sonderbar!“ lachte er, „ſo nah wart ihr einander! aber fahr fort.“ — Johannes erzählte nun, wie ſie glücklich durch P. und über die Grenze gekommen. Von da hatten ſie ſich als wandernde Hand- werksburſche durchgebettelt bis Freiburg im Breis- gau. „Ich hatte meinen Brodſack bei mir,“ ſagte er, „und Friedrich ein Bündelchen; ſo glaubte man uns.“ — In Freiburg hatten ſie ſich von den Oeſtreichern anwerben laſſen: ihn hatte man nicht gewollt, aber Friedrich beſtand darauf. So kam er unter den Train. „Den Winter über blieben wir in Freiburg,“ fuhr er fort, „und es ging uns ziemlich gut; mir auch, weil Friedrich mich oft erinnerte und mir half, wenn ich etwas verkehrt machte. Im Frühling mußten wir marſchiren, nach Ungarn, und im Herbſt ging der Krieg mit den Türken los. Ich kann nicht viel davon nach-

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/234>, abgerufen am 17.05.2024.