festen Form und gänzlicher Beschränkung auf die nächsten Zustände, immer dem Volkscharakter und selbst der Natur einen Charakter von bald beschau- licher, bald in sich selbst arbeitender Abgeschlossenheit giebt, den wohl erst eine lange Reihe von Jahren, und die Folge mehrerer, unter fremden Einflüssen herangebildeter Generationen völlig verwischen dürf- ten. Das schärfere Auge wird indessen sehr bald von Abstufungen angezogen, die in ihren Endpunkten sich fast zum Contraste steigern, und, bei der noch großentheils erhaltenen Volksthümlichkeit, dem Lande ein Interesse zuwenden, was ein vielleicht besserer, aber zerflossener Zustand nicht erregen könnte. -- Gebirg und Fläche scheinen auch hier, wie überall, die schärferen Grenzlinien bezeichnen zu wollen; doch haben, was das Volk betrifft, Umstände die ge- wöhnliche Folgenreihe gestört, und statt aus dem flachen, haidigen Münsterland, durch die hügelige Grafschaft Mark und das Bisthum Paderborn, bis in die, dem Hochgebirge nahestehenden Bergkegel des Sauerlandes (Herzogthum Westphalen) sich der Natur nachzumetamorphosiren, bildet hier vielmehr der Sauerländer den Uebergang vom friedlichen Haidebewohner zum wilden, fast südlich durchglühten Insassen des Teutoburger Waldes. -- Doch lassen wir dies beiläufig bei Seite und fassen die Land- schaft in's Auge, unabhängig von ihren Bewohnern,
feſten Form und gänzlicher Beſchränkung auf die nächſten Zuſtände, immer dem Volkscharakter und ſelbſt der Natur einen Charakter von bald beſchau- licher, bald in ſich ſelbſt arbeitender Abgeſchloſſenheit giebt, den wohl erſt eine lange Reihe von Jahren, und die Folge mehrerer, unter fremden Einflüſſen herangebildeter Generationen völlig verwiſchen dürf- ten. Das ſchärfere Auge wird indeſſen ſehr bald von Abſtufungen angezogen, die in ihren Endpunkten ſich faſt zum Contraſte ſteigern, und, bei der noch großentheils erhaltenen Volksthümlichkeit, dem Lande ein Intereſſe zuwenden, was ein vielleicht beſſerer, aber zerfloſſener Zuſtand nicht erregen könnte. — Gebirg und Fläche ſcheinen auch hier, wie überall, die ſchärferen Grenzlinien bezeichnen zu wollen; doch haben, was das Volk betrifft, Umſtände die ge- wöhnliche Folgenreihe geſtört, und ſtatt aus dem flachen, haidigen Münſterland, durch die hügelige Grafſchaft Mark und das Bisthum Paderborn, bis in die, dem Hochgebirge naheſtehenden Bergkegel des Sauerlandes (Herzogthum Weſtphalen) ſich der Natur nachzumetamorphoſiren, bildet hier vielmehr der Sauerländer den Uebergang vom friedlichen Haidebewohner zum wilden, faſt ſüdlich durchglühten Inſaſſen des Teutoburger Waldes. — Doch laſſen wir dies beiläufig bei Seite und faſſen die Land- ſchaft in’s Auge, unabhängig von ihren Bewohnern,
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feſten Form und gänzlicher Beſchränkung auf die
nächſten Zuſtände, immer dem Volkscharakter und
ſelbſt der Natur einen Charakter von bald beſchau-
licher, bald in ſich ſelbſt arbeitender Abgeſchloſſenheit
giebt, den wohl erſt eine lange Reihe von Jahren,
und die Folge mehrerer, unter fremden Einflüſſen
herangebildeter Generationen völlig verwiſchen dürf-
ten. Das ſchärfere Auge wird indeſſen ſehr bald
von Abſtufungen angezogen, die in ihren Endpunkten
ſich faſt zum Contraſte ſteigern, und, bei der noch
großentheils erhaltenen Volksthümlichkeit, dem Lande
ein Intereſſe zuwenden, was ein vielleicht beſſerer,
aber zerfloſſener Zuſtand nicht erregen könnte. —
Gebirg und Fläche ſcheinen auch hier, wie überall,
die ſchärferen Grenzlinien bezeichnen zu wollen; doch
haben, was das Volk betrifft, Umſtände die ge-
wöhnliche Folgenreihe geſtört, und ſtatt aus dem
flachen, haidigen Münſterland, durch die hügelige
Grafſchaft Mark und das Bisthum Paderborn, bis
in die, dem Hochgebirge naheſtehenden Bergkegel des
Sauerlandes (Herzogthum Weſtphalen) ſich der
Natur nachzumetamorphoſiren, bildet hier vielmehr
der Sauerländer den Uebergang vom friedlichen
Haidebewohner zum wilden, faſt ſüdlich durchglühten
Inſaſſen des Teutoburger Waldes. — Doch laſſen
wir dies beiläufig bei Seite und faſſen die Land-
ſchaft in’s Auge, unabhängig von ihren Bewohnern,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/248>, abgerufen am 23.11.2024.
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