insofern die Einwirkung derselben (durch Cultur etc.) auf deren äußere Form dies erlaubt.
Wir haben bei Wesel die Ufer des Niederrheins verlassen und nähern uns durch das, auf der Karte mit Unrecht Westphalen zugezählte, noch echt rhei- nische Herzogthum Cleve, den Grenzen jenes Landes. Das allmähliche Verlöschen des Grüns und der Betriebsamkeit; das Zunehmen der glänzenden Sand- dünen und einer gewissen lauen träumerischen At- mosphäre, sowie die aus den seltenen Hütten immer blonder und weicher hervorschauenden Kindergesichter sagen uns, daß wir sie überschritten haben, -- wir sind in den Grenzstrichen des Bisthums Münster. -- Eine trostlose Gegend! unabsehbare Sandflächen, nur am Horizonte hier und dort von kleinen Wal- dungen und einzelnen Baumgruppen unterbrochen. -- Die von Seewinden geschwängerte Luft scheint nur im Schlafe aufzuzucken. -- Bei jedem Hauche geht ein zartes, dem Rauschen der Fichten ähnliches Ge- riesel über die Fläche, und säet den Sandkies in glühenden Streifen bis an die nächste Düne, wo der Hirt in halb somnambüler Beschaulichkeit seine Socken strickt und sich so wenig um uns kümmert, als sein gleichfalls somnambüler Hund und seine Haidschnucken. Schwärme badender Krähen liegen quer über den Pfad, und flattern erst auf, wenn wir sie fast greifen könnten, um einige Schritte seit-
inſofern die Einwirkung derſelben (durch Cultur ꝛc.) auf deren äußere Form dies erlaubt.
Wir haben bei Weſel die Ufer des Niederrheins verlaſſen und nähern uns durch das, auf der Karte mit Unrecht Weſtphalen zugezählte, noch echt rhei- niſche Herzogthum Cleve, den Grenzen jenes Landes. Das allmähliche Verlöſchen des Grüns und der Betriebſamkeit; das Zunehmen der glänzenden Sand- dünen und einer gewiſſen lauen träumeriſchen At- moſphäre, ſowie die aus den ſeltenen Hütten immer blonder und weicher hervorſchauenden Kindergeſichter ſagen uns, daß wir ſie überſchritten haben, — wir ſind in den Grenzſtrichen des Bisthums Münſter. — Eine troſtloſe Gegend! unabſehbare Sandflächen, nur am Horizonte hier und dort von kleinen Wal- dungen und einzelnen Baumgruppen unterbrochen. — Die von Seewinden geſchwängerte Luft ſcheint nur im Schlafe aufzuzucken. — Bei jedem Hauche geht ein zartes, dem Rauſchen der Fichten ähnliches Ge- rieſel über die Fläche, und ſäet den Sandkies in glühenden Streifen bis an die nächſte Düne, wo der Hirt in halb ſomnambüler Beſchaulichkeit ſeine Socken ſtrickt und ſich ſo wenig um uns kümmert, als ſein gleichfalls ſomnambüler Hund und ſeine Haidſchnucken. Schwärme badender Krähen liegen quer über den Pfad, und flattern erſt auf, wenn wir ſie faſt greifen könnten, um einige Schritte ſeit-
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inſofern die Einwirkung derſelben (durch Cultur ꝛc.)
auf deren äußere Form dies erlaubt.
Wir haben bei Weſel die Ufer des Niederrheins
verlaſſen und nähern uns durch das, auf der Karte
mit Unrecht Weſtphalen zugezählte, noch echt rhei-
niſche Herzogthum Cleve, den Grenzen jenes Landes.
Das allmähliche Verlöſchen des Grüns und der
Betriebſamkeit; das Zunehmen der glänzenden Sand-
dünen und einer gewiſſen lauen träumeriſchen At-
moſphäre, ſowie die aus den ſeltenen Hütten immer
blonder und weicher hervorſchauenden Kindergeſichter
ſagen uns, daß wir ſie überſchritten haben, — wir
ſind in den Grenzſtrichen des Bisthums Münſter. —
Eine troſtloſe Gegend! unabſehbare Sandflächen,
nur am Horizonte hier und dort von kleinen Wal-
dungen und einzelnen Baumgruppen unterbrochen. —
Die von Seewinden geſchwängerte Luft ſcheint nur
im Schlafe aufzuzucken. — Bei jedem Hauche geht
ein zartes, dem Rauſchen der Fichten ähnliches Ge-
rieſel über die Fläche, und ſäet den Sandkies in
glühenden Streifen bis an die nächſte Düne, wo
der Hirt in halb ſomnambüler Beſchaulichkeit ſeine
Socken ſtrickt und ſich ſo wenig um uns kümmert,
als ſein gleichfalls ſomnambüler Hund und ſeine
Haidſchnucken. Schwärme badender Krähen liegen
quer über den Pfad, und flattern erſt auf, wenn
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/249>, abgerufen am 23.11.2024.
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