Spiel ermüdete Kinder umlagern, seinen stachlichen Sargrücken, und scheint nur den Cathagenberg ge- genüber, der ihn wie das Knochengebäude eines vorweltlichen Ungeheuers aus rothen Augenhöhlen anstarrt, seiner Beachtung werth zu halten. Von hier an beginnen die Ufer steil zu werden, mit jeder Viertelstunde steiler, hohler und felsiger, und bald sehen wir von einer stundenlangen, mit Mauern und Geländern eingehegten Klippe die Schiffe unter uns gleiten, klein, wie Kinderspielzeug, und hören den Ruf der Schiffer, dünn wie Mövengeschrei, während hoch über uns von der Feldterrasse junge Laubzweige niederwinken, wie die Hände schöner Frauen von Burgzinnen. -- Bei dem neu-antiken Schlosse Herstelle hat die Landschaft ihren Höhepunkt erreicht, und geht, nach einer reichen Aussicht die Weser entlang, und einem schwindelnden Nieder- blicke auf das hessische Grenzstädtchen Carlshafen, der Verflachung und überall dem Verfall entgegen.
Diesen ähnliche Bilder bietet die Grafschaft Mark, von gleicher theils sanfter, theils kräftiger auftre- tenden Romantik, und durch die gleichen Mittel. Doch ist die Landschaft hier belebter, reicher an Quellengeräusch und Echo, die Flüsse kleiner und rascher, und statt Segel bei uns vorbeigleiten zu lassen, schreiten wir selbst an schäumenden Wehren und Mühlrädern vorüber, und hören schon weit
Spiel ermüdete Kinder umlagern, ſeinen ſtachlichen Sargrücken, und ſcheint nur den Cathagenberg ge- genüber, der ihn wie das Knochengebäude eines vorweltlichen Ungeheuers aus rothen Augenhöhlen anſtarrt, ſeiner Beachtung werth zu halten. Von hier an beginnen die Ufer ſteil zu werden, mit jeder Viertelſtunde ſteiler, hohler und felſiger, und bald ſehen wir von einer ſtundenlangen, mit Mauern und Geländern eingehegten Klippe die Schiffe unter uns gleiten, klein, wie Kinderſpielzeug, und hören den Ruf der Schiffer, dünn wie Mövengeſchrei, während hoch über uns von der Feldterraſſe junge Laubzweige niederwinken, wie die Hände ſchöner Frauen von Burgzinnen. — Bei dem neu-antiken Schloſſe Herſtelle hat die Landſchaft ihren Höhepunkt erreicht, und geht, nach einer reichen Ausſicht die Weſer entlang, und einem ſchwindelnden Nieder- blicke auf das heſſiſche Grenzſtädtchen Carlshafen, der Verflachung und überall dem Verfall entgegen.
Dieſen ähnliche Bilder bietet die Grafſchaft Mark, von gleicher theils ſanfter, theils kräftiger auftre- tenden Romantik, und durch die gleichen Mittel. Doch iſt die Landſchaft hier belebter, reicher an Quellengeräuſch und Echo, die Flüſſe kleiner und raſcher, und ſtatt Segel bei uns vorbeigleiten zu laſſen, ſchreiten wir ſelbſt an ſchäumenden Wehren und Mühlrädern vorüber, und hören ſchon weit
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Spiel ermüdete Kinder umlagern, ſeinen ſtachlichen
Sargrücken, und ſcheint nur den Cathagenberg ge-
genüber, der ihn wie das Knochengebäude eines
vorweltlichen Ungeheuers aus rothen Augenhöhlen
anſtarrt, ſeiner Beachtung werth zu halten. Von
hier an beginnen die Ufer ſteil zu werden, mit jeder
Viertelſtunde ſteiler, hohler und felſiger, und bald
ſehen wir von einer ſtundenlangen, mit Mauern
und Geländern eingehegten Klippe die Schiffe unter
uns gleiten, klein, wie Kinderſpielzeug, und hören
den Ruf der Schiffer, dünn wie Mövengeſchrei,
während hoch über uns von der Feldterraſſe junge
Laubzweige niederwinken, wie die Hände ſchöner
Frauen von Burgzinnen. — Bei dem neu-antiken
Schloſſe Herſtelle hat die Landſchaft ihren Höhepunkt
erreicht, und geht, nach einer reichen Ausſicht die
Weſer entlang, und einem ſchwindelnden Nieder-
blicke auf das heſſiſche Grenzſtädtchen Carlshafen,
der Verflachung und überall dem Verfall entgegen.
Dieſen ähnliche Bilder bietet die Grafſchaft Mark,
von gleicher theils ſanfter, theils kräftiger auftre-
tenden Romantik, und durch die gleichen Mittel.
Doch iſt die Landſchaft hier belebter, reicher an
Quellengeräuſch und Echo, die Flüſſe kleiner und
raſcher, und ſtatt Segel bei uns vorbeigleiten zu
laſſen, ſchreiten wir ſelbſt an ſchäumenden Wehren
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/258>, abgerufen am 24.11.2024.
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