vergeudet, erschöpft, und sich dem Einflusse von Winkeladvokaten hingiebt, die ihm über jeden Zaun- pfahl einen Prozeß einfädeln, der ihn völlig aus- saugt, fast immer zur Auspfändung, und häufig von Hof und Haus bringt. -- Große Noth treibt ihn zu großen Anstrengungen, aber nur bis das dringendste Bedürfniß gestillt ist, -- jeder erübrigte Groschen, den der Münsterländer sorglich zurück- legen, der Sauerländer in irgend ein Geschäft stecken würde, wird hier am liebsten von dem Kind der Armuth sofort dem Wirthe und Kleinhändler zu- getragen, und die Schenken sind meist gefüllt mit Glückseligen, die sich einen oder ein paar blaue Montage machen, um nachher wieder auf die alte Weise fort zu hungern und zu taglöhnern. -- So verleben leider Viele, ohwohl in einem fruchtbaren Lande, und mit allen Naturgaben ausgerüstet, die sonst in der Welt voran bringen, ihre Jugend in Armuth und gehen einem elenden Alter am Bettel- stabe entgegen. -- In seiner Verwahrlosung dem Aberglauben zugeneigt, glaubt der Unglückliche sehr fromm zu sein, während er seinem Gewissen die ungebührlichsten Ausdehnungen zumuthet. Wirklich stehen auch manche Pflichten seinen mit der Mutter- milch eingesogenen Ansichten von eigenem Rechte zu sehr entgegen, als daß er sie je begreifen sollte, -- jene gegen den Gutsherrn zum Beispiel, den er
vergeudet, erſchöpft, und ſich dem Einfluſſe von Winkeladvokaten hingiebt, die ihm über jeden Zaun- pfahl einen Prozeß einfädeln, der ihn völlig aus- ſaugt, faſt immer zur Auspfändung, und häufig von Hof und Haus bringt. — Große Noth treibt ihn zu großen Anſtrengungen, aber nur bis das dringendſte Bedürfniß geſtillt iſt, — jeder erübrigte Groſchen, den der Münſterländer ſorglich zurück- legen, der Sauerländer in irgend ein Geſchäft ſtecken würde, wird hier am liebſten von dem Kind der Armuth ſofort dem Wirthe und Kleinhändler zu- getragen, und die Schenken ſind meiſt gefüllt mit Glückſeligen, die ſich einen oder ein paar blaue Montage machen, um nachher wieder auf die alte Weiſe fort zu hungern und zu taglöhnern. — So verleben leider Viele, ohwohl in einem fruchtbaren Lande, und mit allen Naturgaben ausgerüſtet, die ſonſt in der Welt voran bringen, ihre Jugend in Armuth und gehen einem elenden Alter am Bettel- ſtabe entgegen. — In ſeiner Verwahrloſung dem Aberglauben zugeneigt, glaubt der Unglückliche ſehr fromm zu ſein, während er ſeinem Gewiſſen die ungebührlichſten Ausdehnungen zumuthet. Wirklich ſtehen auch manche Pflichten ſeinen mit der Mutter- milch eingeſogenen Anſichten von eigenem Rechte zu ſehr entgegen, als daß er ſie je begreifen ſollte, — jene gegen den Gutsherrn zum Beiſpiel, den er
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vergeudet, erſchöpft, und ſich dem Einfluſſe von
Winkeladvokaten hingiebt, die ihm über jeden Zaun-
pfahl einen Prozeß einfädeln, der ihn völlig aus-
ſaugt, faſt immer zur Auspfändung, und häufig
von Hof und Haus bringt. — Große Noth treibt
ihn zu großen Anſtrengungen, aber nur bis das
dringendſte Bedürfniß geſtillt iſt, — jeder erübrigte
Groſchen, den der Münſterländer ſorglich zurück-
legen, der Sauerländer in irgend ein Geſchäft ſtecken
würde, wird hier am liebſten von dem Kind der
Armuth ſofort dem Wirthe und Kleinhändler zu-
getragen, und die Schenken ſind meiſt gefüllt mit
Glückſeligen, die ſich einen oder ein paar blaue
Montage machen, um nachher wieder auf die alte
Weiſe fort zu hungern und zu taglöhnern. — So
verleben leider Viele, ohwohl in einem fruchtbaren
Lande, und mit allen Naturgaben ausgerüſtet, die
ſonſt in der Welt voran bringen, ihre Jugend in
Armuth und gehen einem elenden Alter am Bettel-
ſtabe entgegen. — In ſeiner Verwahrloſung dem
Aberglauben zugeneigt, glaubt der Unglückliche ſehr
fromm zu ſein, während er ſeinem Gewiſſen die
ungebührlichſten Ausdehnungen zumuthet. Wirklich
ſtehen auch manche Pflichten ſeinen mit der Mutter-
milch eingeſogenen Anſichten von eigenem Rechte zu
ſehr entgegen, als daß er ſie je begreifen ſollte, —
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/268>, abgerufen am 25.11.2024.
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