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Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.

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wie das Leichenmahl ihr Recht und sie sorgen mit
dafür, daß der Todte ein feines Hemd erhält, recht
viele schwarze Schleifen und einen recht flimmernden
Kranz und Strauß von Spiegeln, Rauschgold und
künstlichen Blumen, da er unfehlbar am jüngsten
Tage in demselben Aufzuge erscheinen wird, wo sie
dann Lob und Tadel mit den Hinterlassenen zu
theilen haben. Der Münsterländer ist überhaupt
sehr abergläubisch, sein Aberglaube aber so harmlos,
wie er selber. Von Zauberkünsten weiß er nichts,
von Hexen und bösen Geistern wenig, obwohl er
sich sehr vor dem Teufel fürchtet, jedoch meint, daß
dieser wenig Veranlassung finde, im Münsterlande
umzugehen. Die häufigen Gespenster im Moor,
Haide und Wald sind arme Seelen aus dem Fege-
feuer, deren täglich in vielen tausend Rosenkränzen
gedacht wird, und ohne Zweifel mit Nutzen, da
man zu bemerken glaubt, daß die "Sonntags-
spinnerin" ihre blutigen Arme immer seltener aus
dem Gebüsche streckt, der "diebische Torfgräber"
nicht halb so kläglich mehr im Moore ächzt und
vollends der "kopflose Geiger" seinen Sitz auf dem
Waldstege gänzlich verlassen zu haben scheint. Von
den ebenfalls häufigen Hausgeistern in Schlössern
und großen Bauernhöfen denkt man etwas unklar,
aber auch nicht schlimm und glaubt, daß mit ihrem
völligen Verschwinden die Familie des Besitzers aus-

wie das Leichenmahl ihr Recht und ſie ſorgen mit
dafür, daß der Todte ein feines Hemd erhält, recht
viele ſchwarze Schleifen und einen recht flimmernden
Kranz und Strauß von Spiegeln, Rauſchgold und
künſtlichen Blumen, da er unfehlbar am jüngſten
Tage in demſelben Aufzuge erſcheinen wird, wo ſie
dann Lob und Tadel mit den Hinterlaſſenen zu
theilen haben. Der Münſterländer iſt überhaupt
ſehr abergläubiſch, ſein Aberglaube aber ſo harmlos,
wie er ſelber. Von Zauberkünſten weiß er nichts,
von Hexen und böſen Geiſtern wenig, obwohl er
ſich ſehr vor dem Teufel fürchtet, jedoch meint, daß
dieſer wenig Veranlaſſung finde, im Münſterlande
umzugehen. Die häufigen Geſpenſter im Moor,
Haide und Wald ſind arme Seelen aus dem Fege-
feuer, deren täglich in vielen tauſend Roſenkränzen
gedacht wird, und ohne Zweifel mit Nutzen, da
man zu bemerken glaubt, daß die „Sonntags-
ſpinnerin“ ihre blutigen Arme immer ſeltener aus
dem Gebüſche ſtreckt, der „diebiſche Torfgräber“
nicht halb ſo kläglich mehr im Moore ächzt und
vollends der „kopfloſe Geiger“ ſeinen Sitz auf dem
Waldſtege gänzlich verlaſſen zu haben ſcheint. Von
den ebenfalls häufigen Hausgeiſtern in Schlöſſern
und großen Bauernhöfen denkt man etwas unklar,
aber auch nicht ſchlimm und glaubt, daß mit ihrem
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[286/0302] wie das Leichenmahl ihr Recht und ſie ſorgen mit dafür, daß der Todte ein feines Hemd erhält, recht viele ſchwarze Schleifen und einen recht flimmernden Kranz und Strauß von Spiegeln, Rauſchgold und künſtlichen Blumen, da er unfehlbar am jüngſten Tage in demſelben Aufzuge erſcheinen wird, wo ſie dann Lob und Tadel mit den Hinterlaſſenen zu theilen haben. Der Münſterländer iſt überhaupt ſehr abergläubiſch, ſein Aberglaube aber ſo harmlos, wie er ſelber. Von Zauberkünſten weiß er nichts, von Hexen und böſen Geiſtern wenig, obwohl er ſich ſehr vor dem Teufel fürchtet, jedoch meint, daß dieſer wenig Veranlaſſung finde, im Münſterlande umzugehen. Die häufigen Geſpenſter im Moor, Haide und Wald ſind arme Seelen aus dem Fege- feuer, deren täglich in vielen tauſend Roſenkränzen gedacht wird, und ohne Zweifel mit Nutzen, da man zu bemerken glaubt, daß die „Sonntags- ſpinnerin“ ihre blutigen Arme immer ſeltener aus dem Gebüſche ſtreckt, der „diebiſche Torfgräber“ nicht halb ſo kläglich mehr im Moore ächzt und vollends der „kopfloſe Geiger“ ſeinen Sitz auf dem Waldſtege gänzlich verlaſſen zu haben ſcheint. Von den ebenfalls häufigen Hausgeiſtern in Schlöſſern und großen Bauernhöfen denkt man etwas unklar, aber auch nicht ſchlimm und glaubt, daß mit ihrem völligen Verſchwinden die Familie des Beſitzers aus-

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/302>, abgerufen am 23.11.2024.