läßt. -- Der Vorschauer sieht Leichenzüge -- lange Heereskolonnen und Kämpfe -- er sieht deutlich den Pulverrauch und die Bewegungen der Fechten- den, beschreibt genau ihre fremden Uniformen und Waffen, hört sogar Worte in fremder Sprache, die er verstümmelt wiedergiebt, und die vielleicht erst lange nach seinem Tode auf demselben Flecke wirk- lich gesprochen werden. -- Auch unbedeutende Be- gebenheiten muß der Vorschauer unter gleicher Be- ängstigung sehen, z. B. einen Erndtewagen, der nach vielleicht zwanzig Jahren auf diesem Hofe umfallen wird; er beschreibt genau die Gestalt und Kleidung der jetzt noch ungebornen Dienstboten, die ihn aufzurichten suchen; die Abzeichen des Fohlens oder Kalbes, das erschreckt zur Seite springt, und in eine jetzt noch nicht vorhandene Lehmgrube fällt etc. -- Napoleon grollte noch in der Kriegs- schule zu Brienne mit seinem beengten Geschicke, als das Volk schon von "silbernen Reitern" sprach, mit silbernen Kugeln auf den Köpfen, von denen "ein langer, schwarzer Pferdeschweif" flatterte, so wie von wunderlich aufgeputztem Gesindel, das auf "Pferden wie Katzen" (ein üblicher Ausdruck für kleine knollige Rosse) über Hecken und Zäune fliege, in der Hand eine lange Stange mit eisernem Stachel daran. -- Ein längst verstorbener Guts- besitzer hat viele dieser Gesichte verzeichnet, und es
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läßt. — Der Vorſchauer ſieht Leichenzüge — lange Heereskolonnen und Kämpfe — er ſieht deutlich den Pulverrauch und die Bewegungen der Fechten- den, beſchreibt genau ihre fremden Uniformen und Waffen, hört ſogar Worte in fremder Sprache, die er verſtümmelt wiedergiebt, und die vielleicht erſt lange nach ſeinem Tode auf demſelben Flecke wirk- lich geſprochen werden. — Auch unbedeutende Be- gebenheiten muß der Vorſchauer unter gleicher Be- ängſtigung ſehen, z. B. einen Erndtewagen, der nach vielleicht zwanzig Jahren auf dieſem Hofe umfallen wird; er beſchreibt genau die Geſtalt und Kleidung der jetzt noch ungebornen Dienſtboten, die ihn aufzurichten ſuchen; die Abzeichen des Fohlens oder Kalbes, das erſchreckt zur Seite ſpringt, und in eine jetzt noch nicht vorhandene Lehmgrube fällt ꝛc. — Napoleon grollte noch in der Kriegs- ſchule zu Brienne mit ſeinem beengten Geſchicke, als das Volk ſchon von „ſilbernen Reitern“ ſprach, mit ſilbernen Kugeln auf den Köpfen, von denen „ein langer, ſchwarzer Pferdeſchweif“ flatterte, ſo wie von wunderlich aufgeputztem Geſindel, das auf „Pferden wie Katzen“ (ein üblicher Ausdruck für kleine knollige Roſſe) über Hecken und Zäune fliege, in der Hand eine lange Stange mit eiſernem Stachel daran. — Ein längſt verſtorbener Guts- beſitzer hat viele dieſer Geſichte verzeichnet, und es
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läßt. — Der Vorſchauer ſieht Leichenzüge — lange
Heereskolonnen und Kämpfe — er ſieht deutlich
den Pulverrauch und die Bewegungen der Fechten-
den, beſchreibt genau ihre fremden Uniformen und
Waffen, hört ſogar Worte in fremder Sprache, die
er verſtümmelt wiedergiebt, und die vielleicht erſt
lange nach ſeinem Tode auf demſelben Flecke wirk-
lich geſprochen werden. — Auch unbedeutende Be-
gebenheiten muß der Vorſchauer unter gleicher Be-
ängſtigung ſehen, z. B. einen Erndtewagen, der
nach vielleicht zwanzig Jahren auf dieſem Hofe
umfallen wird; er beſchreibt genau die Geſtalt und
Kleidung der jetzt noch ungebornen Dienſtboten, die
ihn aufzurichten ſuchen; die Abzeichen des Fohlens
oder Kalbes, das erſchreckt zur Seite ſpringt, und
in eine jetzt noch nicht vorhandene Lehmgrube
fällt ꝛc. — Napoleon grollte noch in der Kriegs-
ſchule zu Brienne mit ſeinem beengten Geſchicke, als
das Volk ſchon von „ſilbernen Reitern“ ſprach,
mit ſilbernen Kugeln auf den Köpfen, von denen
„ein langer, ſchwarzer Pferdeſchweif“ flatterte, ſo
wie von wunderlich aufgeputztem Geſindel, das auf
„Pferden wie Katzen“ (ein üblicher Ausdruck für
kleine knollige Roſſe) über Hecken und Zäune fliege,
in der Hand eine lange Stange mit eiſernem
Stachel daran. — Ein längſt verſtorbener Guts-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/305>, abgerufen am 23.11.2024.
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