Seeschlacht zu wagen, würde eben so nutzlos, wie gefährlich, es würde tollkühn sein, mit hundertsechszig Schiffen gegen die Ueber- macht der feindlichen Flotte, mit ungeübten Seeleuten gegen die Cyprier und Phönicier kämpfen zu wollen; die Macedonier, unbe- zwinglich auf dem festen Lande, dürften den Barbaren nicht auf dem Meere, das ihnen fremd sei, und wo überdies tausend Zufäl- ligkeiten mit in Betracht kämen, Preis gegeben werden; der Ver- lust eines Treffens würde den Erwartungen von seinem Unterneh- men nicht bloß bedeutenden Eintrag thun, sondern für die Griechen die Loosung zum Abfall sein; der Erfolg eines Sieges könnte nur gering sein, da der Gang seiner Unternehmungen auf dem festen Lande die Perserflotte von selbst vernichten werde; das sei auch der Sinn jenes Zeichens, das die Olympischen Götter gesendet hät- ten; so wie der Adler sich auf das Land gesetzt, so würde er die Persische Seemacht vom Lande aus überwältigen; es sei nicht ge- nug, nichts zu verlieren; nicht zu gewinnen, sei schon Verlust. So blieb die Flotte ruhig auf der Rhede von Lade.
Indeß kam Glaucippus, ein angesehener Milesier, ins Lager des Königs, im Namen des Volkes und der Söldnerschaaren, in deren Hand jetzt die Stadt sei, zu erklären: Milet sei bereit, seine Thore und Häfen den Macedoniern und Persern gemeinschaftlich zu öffnen, wenn Alexander die Belagerung aufheben wolle. Alexander erwiederte: er sei nicht nach Asien gekommen, um sich mit dem zu begnügen, was man ihm werde zugestehen wollen, er werde seinen Willen durchzusetzen wissen; von seiner Gnade möge man Strafe oder Verzeihung für die Wortbrüchigkeit erwarten, die jetzt die Stadt Milet zu einem eben so strafbaren als vergeblichen Wider- stand veranlaßt habe; Glaucippus möge schleunigst in die Stadt zu- rückkehren und den Milesiern melden, daß sie eines Sturmes ge- wärtig sein könnten. Mit dem nächsten Tage begannen die Sturm- blöcke und Mauerbrecher zu arbeiten, bald lag ein Theil der Mauer in Bresche, und die Macedonier drangen in die Stadt ein, wäh- rend ihre Flotte, sobald sie von ihrem Ankerplatze aus den Sturm gegen die Stadt gewahrte, dem Hafen zu ruderte und den Eingang desselben sperrte, so daß die Trieren, dicht an einander gedrängt und die Schnäbel hinausgewendet, der Perserflotte, Hülfe zu leisten, und den Milesiern, sich zur Perserflotte zu retten, unmöglich machten.
Seeſchlacht zu wagen, würde eben ſo nutzlos, wie gefährlich, es würde tollkühn ſein, mit hundertſechszig Schiffen gegen die Ueber- macht der feindlichen Flotte, mit ungeübten Seeleuten gegen die Cyprier und Phönicier kämpfen zu wollen; die Macedonier, unbe- zwinglich auf dem feſten Lande, dürften den Barbaren nicht auf dem Meere, das ihnen fremd ſei, und wo überdies tauſend Zufäl- ligkeiten mit in Betracht kämen, Preis gegeben werden; der Ver- luſt eines Treffens würde den Erwartungen von ſeinem Unterneh- men nicht bloß bedeutenden Eintrag thun, ſondern für die Griechen die Looſung zum Abfall ſein; der Erfolg eines Sieges könnte nur gering ſein, da der Gang ſeiner Unternehmungen auf dem feſten Lande die Perſerflotte von ſelbſt vernichten werde; das ſei auch der Sinn jenes Zeichens, das die Olympiſchen Götter geſendet hät- ten; ſo wie der Adler ſich auf das Land geſetzt, ſo würde er die Perſiſche Seemacht vom Lande aus überwältigen; es ſei nicht ge- nug, nichts zu verlieren; nicht zu gewinnen, ſei ſchon Verluſt. So blieb die Flotte ruhig auf der Rhede von Lade.
Indeß kam Glaucippus, ein angeſehener Mileſier, ins Lager des Königs, im Namen des Volkes und der Söldnerſchaaren, in deren Hand jetzt die Stadt ſei, zu erklären: Milet ſei bereit, ſeine Thore und Häfen den Macedoniern und Perſern gemeinſchaftlich zu öffnen, wenn Alexander die Belagerung aufheben wolle. Alexander erwiederte: er ſei nicht nach Aſien gekommen, um ſich mit dem zu begnügen, was man ihm werde zugeſtehen wollen, er werde ſeinen Willen durchzuſetzen wiſſen; von ſeiner Gnade möge man Strafe oder Verzeihung für die Wortbrüchigkeit erwarten, die jetzt die Stadt Milet zu einem eben ſo ſtrafbaren als vergeblichen Wider- ſtand veranlaßt habe; Glaucippus möge ſchleunigſt in die Stadt zu- rückkehren und den Mileſiern melden, daß ſie eines Sturmes ge- wärtig ſein könnten. Mit dem nächſten Tage begannen die Sturm- blöcke und Mauerbrecher zu arbeiten, bald lag ein Theil der Mauer in Breſche, und die Macedonier drangen in die Stadt ein, wäh- rend ihre Flotte, ſobald ſie von ihrem Ankerplatze aus den Sturm gegen die Stadt gewahrte, dem Hafen zu ruderte und den Eingang deſſelben ſperrte, ſo daß die Trieren, dicht an einander gedrängt und die Schnäbel hinausgewendet, der Perſerflotte, Hülfe zu leiſten, und den Mileſiern, ſich zur Perſerflotte zu retten, unmöglich machten.
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Seeſchlacht zu wagen, würde eben ſo nutzlos, wie gefährlich, es
würde tollkühn ſein, mit hundertſechszig Schiffen gegen die Ueber-
macht der feindlichen Flotte, mit ungeübten Seeleuten gegen die
Cyprier und Phönicier kämpfen zu wollen; die Macedonier, unbe-
zwinglich auf dem feſten Lande, dürften den Barbaren nicht auf
dem Meere, das ihnen fremd ſei, und wo überdies tauſend Zufäl-
ligkeiten mit in Betracht kämen, Preis gegeben werden; der Ver-
luſt eines Treffens würde den Erwartungen von ſeinem Unterneh-
men nicht bloß bedeutenden Eintrag thun, ſondern für die Griechen
die Looſung zum Abfall ſein; der Erfolg eines Sieges könnte nur
gering ſein, da der Gang ſeiner Unternehmungen auf dem feſten
Lande die Perſerflotte von ſelbſt vernichten werde; das ſei auch
der Sinn jenes Zeichens, das die Olympiſchen Götter geſendet hät-
ten; ſo wie der Adler ſich auf das Land geſetzt, ſo würde er die
Perſiſche Seemacht vom Lande aus überwältigen; es ſei nicht ge-
nug, nichts zu verlieren; nicht zu gewinnen, ſei ſchon Verluſt. So
blieb die Flotte ruhig auf der Rhede von Lade.
Indeß kam Glaucippus, ein angeſehener Mileſier, ins Lager
des Königs, im Namen des Volkes und der Söldnerſchaaren, in
deren Hand jetzt die Stadt ſei, zu erklären: Milet ſei bereit, ſeine
Thore und Häfen den Macedoniern und Perſern gemeinſchaftlich zu
öffnen, wenn Alexander die Belagerung aufheben wolle. Alexander
erwiederte: er ſei nicht nach Aſien gekommen, um ſich mit dem zu
begnügen, was man ihm werde zugeſtehen wollen, er werde ſeinen
Willen durchzuſetzen wiſſen; von ſeiner Gnade möge man Strafe
oder Verzeihung für die Wortbrüchigkeit erwarten, die jetzt die
Stadt Milet zu einem eben ſo ſtrafbaren als vergeblichen Wider-
ſtand veranlaßt habe; Glaucippus möge ſchleunigſt in die Stadt zu-
rückkehren und den Mileſiern melden, daß ſie eines Sturmes ge-
wärtig ſein könnten. Mit dem nächſten Tage begannen die Sturm-
blöcke und Mauerbrecher zu arbeiten, bald lag ein Theil der Mauer
in Breſche, und die Macedonier drangen in die Stadt ein, wäh-
rend ihre Flotte, ſobald ſie von ihrem Ankerplatze aus den Sturm
gegen die Stadt gewahrte, dem Hafen zu ruderte und den Eingang
deſſelben ſperrte, ſo daß die Trieren, dicht an einander gedrängt und
die Schnäbel hinausgewendet, der Perſerflotte, Hülfe zu leiſten, und
den Mileſiern, ſich zur Perſerflotte zu retten, unmöglich machten.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/138>, abgerufen am 21.11.2024.
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