Ebene von Koronea seinem Staate wenigstens die Herrschaft auf dem Festlande zu sichern, indem die Flotte, durch Konons Sieg mit Persischen Schiffen, fast vernichtet war; die Inseln erhielten von Konon ihre Autonomie, Athen seine langen Mauern wieder; und Sparta, zu erschöpft, um allein gegen Athen, Argos, Korinth, The- ben auftreten zu können, eilte sich durch Vereinigung mit dem Per- serkönige zu behaupten. Antalcidas machte mit dem Groß- könige jenen verrätherischen Frieden, nach dem alle Hellenischen Städte in Asien nebst Cypern den Persern zufallen, alle andern Städte groß und klein selbstständig sein, endlich, wer den Frieden nicht anerkannte, von den Persern und den Theilnehmern des Frie- dens bekriegt werden sollte.
Wurde durch diesen Frieden auch die Küste Asiens Preis ge- geben, so war er doch, freilich wider Spartas Willen, für die Ver- breitung der demokratischen Freiheit von der größten Wichtigkeit. Ueberall lösten sich die alten Bande, die mehrere Ortschaften einer Stadt unterthänig gemacht hatten, und die Bewohner kleiner Städte nannten sich fortan mit demselben Stolz, wie die Männer Athens oder Thebens, freie Bürger; Griechenland begann in eine Menge von Mittelpunkten atomistisch zu zerfallen, und auf diese Weise zu der fruchtbaren Gährung eines vielfältigen Einzellebens aufgelöst alle Kräfte und Formen zu entwickeln, die zur Bewältigung und Durchgeistigung Asiens, dem letzten Ziele des griechischen Lebens, nöthig waren.
Scheinbar hatte der Antalcidische Frieden die entgegengesetzten Folgen; Sparta setzte die Autonomie der kleineren Gemeinden und die Auflösung von Gauvereinen überall durch, wo es mächtige Staaten zu schwächen galt; aber weit entfernt, die eignen Schutz- bündner und Unterthanen frei zu geben, machte es vielmehr seine Obergewalt in der Peloponnesischen Symmachie mehr als jemals geltend, führte wo es irgend möglich war, oligarchische Verfassun- gen ein, und benutzte jede Gelegenheit, um unter dem Vorwande, die Selbstständigkeit der Städte zu gründen, seine Macht über ganz Hellas auszubreiten; ja mit offenbarem Unrecht wurde Theben von den Spartanern besetzt, eine Oligarchie eingerichtet und Alles, was nicht Spartanisch war, vertrieben. Aber damit hatte Sparta sich selbst den Tod gebracht. Einige Flüchtlinge, Pelopidas an ihrer
Ebene von Koronea ſeinem Staate wenigſtens die Herrſchaft auf dem Feſtlande zu ſichern, indem die Flotte, durch Konons Sieg mit Perſiſchen Schiffen, faſt vernichtet war; die Inſeln erhielten von Konon ihre Autonomie, Athen ſeine langen Mauern wieder; und Sparta, zu erſchöpft, um allein gegen Athen, Argos, Korinth, The- ben auftreten zu können, eilte ſich durch Vereinigung mit dem Per- ſerkönige zu behaupten. Antalcidas machte mit dem Groß- könige jenen verrätheriſchen Frieden, nach dem alle Helleniſchen Städte in Aſien nebſt Cypern den Perſern zufallen, alle andern Städte groß und klein ſelbſtſtändig ſein, endlich, wer den Frieden nicht anerkannte, von den Perſern und den Theilnehmern des Frie- dens bekriegt werden ſollte.
Wurde durch dieſen Frieden auch die Küſte Aſiens Preis ge- geben, ſo war er doch, freilich wider Spartas Willen, für die Ver- breitung der demokratiſchen Freiheit von der größten Wichtigkeit. Ueberall löſten ſich die alten Bande, die mehrere Ortſchaften einer Stadt unterthänig gemacht hatten, und die Bewohner kleiner Städte nannten ſich fortan mit demſelben Stolz, wie die Männer Athens oder Thebens, freie Bürger; Griechenland begann in eine Menge von Mittelpunkten atomiſtiſch zu zerfallen, und auf dieſe Weiſe zu der fruchtbaren Gährung eines vielfältigen Einzellebens aufgelöſt alle Kräfte und Formen zu entwickeln, die zur Bewältigung und Durchgeiſtigung Aſiens, dem letzten Ziele des griechiſchen Lebens, nöthig waren.
Scheinbar hatte der Antalcidiſche Frieden die entgegengeſetzten Folgen; Sparta ſetzte die Autonomie der kleineren Gemeinden und die Auflöſung von Gauvereinen überall durch, wo es mächtige Staaten zu ſchwächen galt; aber weit entfernt, die eignen Schutz- bündner und Unterthanen frei zu geben, machte es vielmehr ſeine Obergewalt in der Peloponneſiſchen Symmachie mehr als jemals geltend, führte wo es irgend möglich war, oligarchiſche Verfaſſun- gen ein, und benutzte jede Gelegenheit, um unter dem Vorwande, die Selbſtſtändigkeit der Städte zu gründen, ſeine Macht über ganz Hellas auszubreiten; ja mit offenbarem Unrecht wurde Theben von den Spartanern beſetzt, eine Oligarchie eingerichtet und Alles, was nicht Spartaniſch war, vertrieben. Aber damit hatte Sparta ſich ſelbſt den Tod gebracht. Einige Flüchtlinge, Pelopidas an ihrer
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Ebene von Koronea ſeinem Staate wenigſtens die Herrſchaft auf
dem Feſtlande zu ſichern, indem die Flotte, durch Konons Sieg mit
Perſiſchen Schiffen, faſt vernichtet war; die Inſeln erhielten von
Konon ihre Autonomie, Athen ſeine langen Mauern wieder; und
Sparta, zu erſchöpft, um allein gegen Athen, Argos, Korinth, The-
ben auftreten zu können, eilte ſich durch Vereinigung mit dem Per-
ſerkönige zu behaupten. Antalcidas machte mit dem Groß-
könige jenen verrätheriſchen Frieden, nach dem alle Helleniſchen
Städte in Aſien nebſt Cypern den Perſern zufallen, alle andern
Städte groß und klein ſelbſtſtändig ſein, endlich, wer den Frieden
nicht anerkannte, von den Perſern und den Theilnehmern des Frie-
dens bekriegt werden ſollte.
Wurde durch dieſen Frieden auch die Küſte Aſiens Preis ge-
geben, ſo war er doch, freilich wider Spartas Willen, für die Ver-
breitung der demokratiſchen Freiheit von der größten Wichtigkeit.
Ueberall löſten ſich die alten Bande, die mehrere Ortſchaften einer
Stadt unterthänig gemacht hatten, und die Bewohner kleiner Städte
nannten ſich fortan mit demſelben Stolz, wie die Männer Athens
oder Thebens, freie Bürger; Griechenland begann in eine Menge
von Mittelpunkten atomiſtiſch zu zerfallen, und auf dieſe Weiſe zu
der fruchtbaren Gährung eines vielfältigen Einzellebens aufgelöſt
alle Kräfte und Formen zu entwickeln, die zur Bewältigung und
Durchgeiſtigung Aſiens, dem letzten Ziele des griechiſchen Lebens,
nöthig waren.
Scheinbar hatte der Antalcidiſche Frieden die entgegengeſetzten
Folgen; Sparta ſetzte die Autonomie der kleineren Gemeinden und
die Auflöſung von Gauvereinen überall durch, wo es mächtige
Staaten zu ſchwächen galt; aber weit entfernt, die eignen Schutz-
bündner und Unterthanen frei zu geben, machte es vielmehr ſeine
Obergewalt in der Peloponneſiſchen Symmachie mehr als jemals
geltend, führte wo es irgend möglich war, oligarchiſche Verfaſſun-
gen ein, und benutzte jede Gelegenheit, um unter dem Vorwande,
die Selbſtſtändigkeit der Städte zu gründen, ſeine Macht über ganz
Hellas auszubreiten; ja mit offenbarem Unrecht wurde Theben von
den Spartanern beſetzt, eine Oligarchie eingerichtet und Alles, was
nicht Spartaniſch war, vertrieben. Aber damit hatte Sparta ſich
ſelbſt den Tod gebracht. Einige Flüchtlinge, Pelopidas an ihrer
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/24>, abgerufen am 21.11.2024.
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