Spitze, kehrten nach Theben zurück, er[sc]hlugen die Oligarchen mit ihrem Anhang, und riefen das Volk [a]uf, mit ihnen die Demokra- tie zu vertheidigen, und die alte Ma[c]ht über Böotien wieder zu er- kämpfen. Die Städte Böotiens, die durch den Frieden unabhän- gig geworden waren, traten wi[e]der zum Böotischen Bunde, nur Orchomenos, Platää und Thspiä weigerten sich; sie wurden be- zwungen, ihre Gemeinden aufgelöst, die Bürger exilirt und zu Sclaven gemacht. Dann drang Theben unter Pelopidas und Epaminondas nach Süden und Norden weiter vor, und rief die Städte des Festl[a]ndes zur Selbstständigkeit und Demokratie auf. Die Schlacht von Leuktra öffnete den Weg zum Peloponnes, in dem sich, seit di[e] Furcht vor den Spartanischen Waffen geschwun- den war, ein nues Leben regte; überall wurde das Joch der Oli- garchie abgesch[ü]ttelt, mit Thebens Beistand machte sich selbst Messe- nien frei; und als endlich die Schlacht von Mantinea gekämpft war, hat[te] Spartas Macht ein Ende, der Peloponnes eine neue demokrati[s]che Gestalt im Sinne der Zeit. In jener Schlacht war Epami[n]ondas und mit ihm die Stütze der Thebanischen Macht gefallen die, getragen und geadelt durch die Persönlichkeit einzelner Männe[r], schnell zu der alten Unbedeutendheit zurücksank, und durch den [k]urzen Rausch eines Vorranges in Hellas zu Uebermuth und In[so]lenz verwöhnt, die alten Laster und die neue Ohnmacht nur de[st]o widerlicher vermengte. Auch Athen, das sich im Kampf zwi- [s]chen Sparta und Theben stets in der Rolle einer dritten Macht den Ausschlag zu geben bereit gehalten und sich noch einmal eine große Reihe von Seestaaten zu verbünden gesucht hatte, ließ bald, durch Habsucht, Sorglosigkeit und unwürdige Demagogen verleitet, alle Rücksicht auf die Verbündeten und ihre Anrechte so außer Acht, daß diese die nächste Gelegenheit zum Abfall wahrnahmen; Athen verlor zum zweiten Male seine Seeherrschaft. So war in Griechenland kein Staat weiter, der gegen die übrigen ein Ueber- gewicht hätte geltend machen können; die Selbstständigkeit aller ein- zelnen Gemeinden, wie der Antalcidische Friede sie verheißen, war fast durchweg verwirklicht; die Freiheit hatte sich bis zur Gleichheit abgestumpft; Hellas war reif für fremde Herrschaft.
Man darf nicht ungerecht gegen diese Zeit sein; es ist wahr, daß Bestechlichkeit, Gesinnungslosigkeit, Liederlichkeit sie brandmar-
Spitze, kehrten nach Theben zurück, er[ſc]hlugen die Oligarchen mit ihrem Anhang, und riefen das Volk [a]uf, mit ihnen die Demokra- tie zu vertheidigen, und die alte Ma[c]ht über Böotien wieder zu er- kämpfen. Die Städte Böotiens, die durch den Frieden unabhän- gig geworden waren, traten wi[e]der zum Böotiſchen Bunde, nur Orchomenos, Platää und Thspiä weigerten ſich; ſie wurden be- zwungen, ihre Gemeinden aufgelöſt, die Bürger exilirt und zu Sclaven gemacht. Dann drang Theben unter Pelopidas und Epaminondas nach Süden und Norden weiter vor, und rief die Städte des Feſtl[a]ndes zur Selbſtſtändigkeit und Demokratie auf. Die Schlacht von Leuktra öffnete den Weg zum Peloponnes, in dem ſich, ſeit di[e] Furcht vor den Spartaniſchen Waffen geſchwun- den war, ein nues Leben regte; überall wurde das Joch der Oli- garchie abgeſch[ü]ttelt, mit Thebens Beiſtand machte ſich ſelbſt Meſſe- nien frei; und als endlich die Schlacht von Mantinea gekämpft war, hat[te] Spartas Macht ein Ende, der Peloponnes eine neue demokrati[ſ]che Geſtalt im Sinne der Zeit. In jener Schlacht war Epami[n]ondas und mit ihm die Stütze der Thebaniſchen Macht gefallen die, getragen und geadelt durch die Perſönlichkeit einzelner Männe[r], ſchnell zu der alten Unbedeutendheit zurückſank, und durch den [k]urzen Rauſch eines Vorranges in Hellas zu Uebermuth und In[ſo]lenz verwöhnt, die alten Laſter und die neue Ohnmacht nur de[ſt]o widerlicher vermengte. Auch Athen, das ſich im Kampf zwi- [ſ]chen Sparta und Theben ſtets in der Rolle einer dritten Macht den Ausſchlag zu geben bereit gehalten und ſich noch einmal eine große Reihe von Seeſtaaten zu verbünden geſucht hatte, ließ bald, durch Habſucht, Sorgloſigkeit und unwürdige Demagogen verleitet, alle Rückſicht auf die Verbündeten und ihre Anrechte ſo außer Acht, daß dieſe die nächſte Gelegenheit zum Abfall wahrnahmen; Athen verlor zum zweiten Male ſeine Seeherrſchaft. So war in Griechenland kein Staat weiter, der gegen die übrigen ein Ueber- gewicht hätte geltend machen können; die Selbſtſtändigkeit aller ein- zelnen Gemeinden, wie der Antalcidiſche Friede ſie verheißen, war faſt durchweg verwirklicht; die Freiheit hatte ſich bis zur Gleichheit abgeſtumpft; Hellas war reif für fremde Herrſchaft.
Man darf nicht ungerecht gegen dieſe Zeit ſein; es iſt wahr, daß Beſtechlichkeit, Geſinnungsloſigkeit, Liederlichkeit ſie brandmar-
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[11/0025]
Spitze, kehrten nach Theben zurück, erſchlugen die Oligarchen mit
ihrem Anhang, und riefen das Volk auf, mit ihnen die Demokra-
tie zu vertheidigen, und die alte Macht über Böotien wieder zu er-
kämpfen. Die Städte Böotiens, die durch den Frieden unabhän-
gig geworden waren, traten wieder zum Böotiſchen Bunde, nur
Orchomenos, Platää und Thspiä weigerten ſich; ſie wurden be-
zwungen, ihre Gemeinden aufgelöſt, die Bürger exilirt und
zu Sclaven gemacht. Dann drang Theben unter Pelopidas
und Epaminondas nach Süden und Norden weiter vor, und rief
die Städte des Feſtlandes zur Selbſtſtändigkeit und Demokratie
auf. Die Schlacht von Leuktra öffnete den Weg zum Peloponnes,
in dem ſich, ſeit die Furcht vor den Spartaniſchen Waffen geſchwun-
den war, ein nues Leben regte; überall wurde das Joch der Oli-
garchie abgeſchüttelt, mit Thebens Beiſtand machte ſich ſelbſt Meſſe-
nien frei; und als endlich die Schlacht von Mantinea gekämpft
war, hatte Spartas Macht ein Ende, der Peloponnes eine neue
demokratiſche Geſtalt im Sinne der Zeit. In jener Schlacht war
Epaminondas und mit ihm die Stütze der Thebaniſchen Macht
gefallen die, getragen und geadelt durch die Perſönlichkeit einzelner
Männer, ſchnell zu der alten Unbedeutendheit zurückſank, und durch
den kurzen Rauſch eines Vorranges in Hellas zu Uebermuth und
Inſolenz verwöhnt, die alten Laſter und die neue Ohnmacht nur
deſto widerlicher vermengte. Auch Athen, das ſich im Kampf zwi-
ſchen Sparta und Theben ſtets in der Rolle einer dritten Macht
den Ausſchlag zu geben bereit gehalten und ſich noch einmal eine
große Reihe von Seeſtaaten zu verbünden geſucht hatte, ließ bald,
durch Habſucht, Sorgloſigkeit und unwürdige Demagogen verleitet,
alle Rückſicht auf die Verbündeten und ihre Anrechte ſo außer
Acht, daß dieſe die nächſte Gelegenheit zum Abfall wahrnahmen;
Athen verlor zum zweiten Male ſeine Seeherrſchaft. So war in
Griechenland kein Staat weiter, der gegen die übrigen ein Ueber-
gewicht hätte geltend machen können; die Selbſtſtändigkeit aller ein-
zelnen Gemeinden, wie der Antalcidiſche Friede ſie verheißen, war
faſt durchweg verwirklicht; die Freiheit hatte ſich bis zur Gleichheit
abgeſtumpft; Hellas war reif für fremde Herrſchaft.
Man darf nicht ungerecht gegen dieſe Zeit ſein; es iſt wahr,
daß Beſtechlichkeit, Geſinnungsloſigkeit, Liederlichkeit ſie brandmar-
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/25>, abgerufen am 21.11.2024.
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