Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].rühmten Anlagen, die sich in der Ebene vor den Bergen befanden Ein ärgerlicher Vorfall sollte diese Zeit der Ruhe in den 3) Es ist die Ebene von Beisittun, vor dem Ausgange jenes Felsenweges, der durch die Liebe des unglücklichen Fahrat zur schö- nen Schirin im Morgenlande so berühmt ist. 4) Weder Pto-
lemäus noch Aristobul erzählte davon, Arrian. VII. 13. Die Ue- bertreibungen stammen von Klitarch her, Strabo IX. p. 420., cf. Plut. Alex. 41. Den schönen Mythos von den Amazonen suchte die aufgeklärte Zeit historisch bestätigt zu finden, und es ist denk- bar, daß der Medische Satrap nach vielfacher Nachfrage etwas den Amazonen Aehnliches, was er in seiner Satrapie fand, dem König vorführte. Denn die Frauen in den sogenannten wandernden Stäm- men der Berge sind freier, kühner und kräftiger, als sonst die Asiatinnen, sie nehmen an allen Wagnissen und Gefahren der Hor- den thätigen Antheil; und Malcolm (II. p. 446. der Uebersetzung) erzählt als Augenzeuge ein interessantes Beispiel von der Kühnheit und Gewandheit, mit der ein Kurdisches Mädchen ein Roß tum- melte. Plutarch nennt die Autoritäten für und wider die Amazo- nengeschichte; Onesikrit, der zu den ärgsten Lügnern gehört, las einst dem Könige Lysimachus die betreffende Stelle aus dem vier- ten Buche seiner Denkwürdigkeiten vor, worauf Lysimachus sagte: "wo muß ich denn damals gewesen sein!" ruͤhmten Anlagen, die ſich in der Ebene vor den Bergen befanden Ein aͤrgerlicher Vorfall ſollte dieſe Zeit der Ruhe in den 3) Es iſt die Ebene von Beiſittun, vor dem Ausgange jenes Felſenweges, der durch die Liebe des ungluͤcklichen Fahrat zur ſchoͤ- nen Schirin im Morgenlande ſo beruͤhmt iſt. 4) Weder Pto-
lemaͤus noch Ariſtobul erzaͤhlte davon, Arrian. VII. 13. Die Ue- bertreibungen ſtammen von Klitarch her, Strabo IX. p. 420., cf. Plut. Alex. 41. Den ſchoͤnen Mythos von den Amazonen ſuchte die aufgeklaͤrte Zeit hiſtoriſch beſtaͤtigt zu finden, und es iſt denk- bar, daß der Mediſche Satrap nach vielfacher Nachfrage etwas den Amazonen Aehnliches, was er in ſeiner Satrapie fand, dem Koͤnig vorfuͤhrte. Denn die Frauen in den ſogenannten wandernden Staͤm- men der Berge ſind freier, kuͤhner und kraͤftiger, als ſonſt die Aſiatinnen, ſie nehmen an allen Wagniſſen und Gefahren der Hor- den thaͤtigen Antheil; und Malcolm (II. p. 446. der Ueberſetzung) erzaͤhlt als Augenzeuge ein intereſſantes Beiſpiel von der Kuͤhnheit und Gewandheit, mit der ein Kurdiſches Maͤdchen ein Roß tum- melte. Plutarch nennt die Autoritaͤten fuͤr und wider die Amazo- nengeſchichte; Oneſikrit, der zu den aͤrgſten Luͤgnern gehoͤrt, las einſt dem Koͤnige Lyſimachus die betreffende Stelle aus dem vier- ten Buche ſeiner Denkwuͤrdigkeiten vor, worauf Lyſimachus ſagte: „wo muß ich denn damals geweſen ſein!“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0568" n="554"/> ruͤhmten Anlagen, die ſich in der Ebene vor den Bergen befanden<lb/> und die man den Garten der Semiramis nannte, in Augenſchein<lb/> zu nehmen. Bei ſeinem weiteren Zuge beſuchte er jenſeits des<lb/> Paſſes das reiche Nyſaͤiſche Thal <note place="foot" n="3)">Es iſt die Ebene von Beiſittun, vor dem Ausgange jenes<lb/> Felſenweges, der durch die Liebe des ungluͤcklichen Fahrat zur ſchoͤ-<lb/> nen Schirin im Morgenlande ſo beruͤhmt iſt.</note>, in welchem die ungeheueren Roß-<lb/> heerden der Perſerkoͤnige weideten; er fand der Pferde noch funfzig-<lb/> bis ſechzigtauſend. Das Heer verweilte hier einen Monat. Der<lb/> Satrap Atropates von Medien kam dem Koͤnige hier entgegen,<lb/> ihn an den Grenzen ſeiner Satrapie zu begruͤßen; er brachte, ſo<lb/> wird erzaͤhlt, hundert Weiber zu Roß, mit Streitaͤxten und klei-<lb/> nen Schilden bewaffnet, in das Lager, indem er ausſagte, dies ſeien<lb/> Amazonen; eine Erzaͤhlung, die zu den ſonderbarſten Ausſchmuͤckun-<lb/> gen Anlaß gegeben hat <note place="foot" n="4)">Weder Pto-<lb/> lemaͤus noch Ariſtobul erzaͤhlte davon, <hi rendition="#aq">Arrian. VII.</hi> 13. Die Ue-<lb/> bertreibungen ſtammen von Klitarch her, <hi rendition="#aq">Strabo IX. p. 420., cf.<lb/> Plut. Alex.</hi> 41. Den ſchoͤnen Mythos von den Amazonen ſuchte<lb/> die aufgeklaͤrte Zeit hiſtoriſch beſtaͤtigt zu finden, und es iſt denk-<lb/> bar, daß der Mediſche Satrap nach vielfacher Nachfrage etwas den<lb/> Amazonen Aehnliches, was er in ſeiner Satrapie fand, dem Koͤnig<lb/> vorfuͤhrte. Denn die Frauen in den ſogenannten wandernden Staͤm-<lb/> men der Berge ſind freier, kuͤhner und kraͤftiger, als ſonſt die<lb/> Aſiatinnen, ſie nehmen an allen Wagniſſen und Gefahren der Hor-<lb/> den thaͤtigen Antheil; und Malcolm (<hi rendition="#aq">II. p.</hi> 446. der Ueberſetzung)<lb/> erzaͤhlt als Augenzeuge ein intereſſantes Beiſpiel von der Kuͤhnheit<lb/> und Gewandheit, mit der ein Kurdiſches Maͤdchen ein Roß tum-<lb/> melte. Plutarch nennt die Autoritaͤten fuͤr und wider die Amazo-<lb/> nengeſchichte; Oneſikrit, der zu den aͤrgſten Luͤgnern gehoͤrt, las<lb/> einſt dem Koͤnige Lyſimachus die betreffende Stelle aus dem vier-<lb/> ten Buche ſeiner Denkwuͤrdigkeiten vor, worauf Lyſimachus ſagte:<lb/> „wo muß ich denn damals geweſen ſein!“</note>.</p><lb/> <p>Ein aͤrgerlicher Vorfall ſollte dieſe Zeit der Ruhe in den<lb/> Nyſaͤiſchen Feldern unterbrechen. In der Umgebung Alexanders<lb/> befanden ſich Eumenes von Kardia und Hephaͤſtion. Der Grie-<lb/> che von Kardia, welcher die erſte Stelle in dem Kabinet des<lb/> Koͤnigs hatte und von demſelben wegen ſeiner großen Gewandt-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [554/0568]
ruͤhmten Anlagen, die ſich in der Ebene vor den Bergen befanden
und die man den Garten der Semiramis nannte, in Augenſchein
zu nehmen. Bei ſeinem weiteren Zuge beſuchte er jenſeits des
Paſſes das reiche Nyſaͤiſche Thal 3), in welchem die ungeheueren Roß-
heerden der Perſerkoͤnige weideten; er fand der Pferde noch funfzig-
bis ſechzigtauſend. Das Heer verweilte hier einen Monat. Der
Satrap Atropates von Medien kam dem Koͤnige hier entgegen,
ihn an den Grenzen ſeiner Satrapie zu begruͤßen; er brachte, ſo
wird erzaͤhlt, hundert Weiber zu Roß, mit Streitaͤxten und klei-
nen Schilden bewaffnet, in das Lager, indem er ausſagte, dies ſeien
Amazonen; eine Erzaͤhlung, die zu den ſonderbarſten Ausſchmuͤckun-
gen Anlaß gegeben hat 4).
Ein aͤrgerlicher Vorfall ſollte dieſe Zeit der Ruhe in den
Nyſaͤiſchen Feldern unterbrechen. In der Umgebung Alexanders
befanden ſich Eumenes von Kardia und Hephaͤſtion. Der Grie-
che von Kardia, welcher die erſte Stelle in dem Kabinet des
Koͤnigs hatte und von demſelben wegen ſeiner großen Gewandt-
3) Es iſt die Ebene von Beiſittun, vor dem Ausgange jenes
Felſenweges, der durch die Liebe des ungluͤcklichen Fahrat zur ſchoͤ-
nen Schirin im Morgenlande ſo beruͤhmt iſt.
4) Weder Pto-
lemaͤus noch Ariſtobul erzaͤhlte davon, Arrian. VII. 13. Die Ue-
bertreibungen ſtammen von Klitarch her, Strabo IX. p. 420., cf.
Plut. Alex. 41. Den ſchoͤnen Mythos von den Amazonen ſuchte
die aufgeklaͤrte Zeit hiſtoriſch beſtaͤtigt zu finden, und es iſt denk-
bar, daß der Mediſche Satrap nach vielfacher Nachfrage etwas den
Amazonen Aehnliches, was er in ſeiner Satrapie fand, dem Koͤnig
vorfuͤhrte. Denn die Frauen in den ſogenannten wandernden Staͤm-
men der Berge ſind freier, kuͤhner und kraͤftiger, als ſonſt die
Aſiatinnen, ſie nehmen an allen Wagniſſen und Gefahren der Hor-
den thaͤtigen Antheil; und Malcolm (II. p. 446. der Ueberſetzung)
erzaͤhlt als Augenzeuge ein intereſſantes Beiſpiel von der Kuͤhnheit
und Gewandheit, mit der ein Kurdiſches Maͤdchen ein Roß tum-
melte. Plutarch nennt die Autoritaͤten fuͤr und wider die Amazo-
nengeſchichte; Oneſikrit, der zu den aͤrgſten Luͤgnern gehoͤrt, las
einſt dem Koͤnige Lyſimachus die betreffende Stelle aus dem vier-
ten Buche ſeiner Denkwuͤrdigkeiten vor, worauf Lyſimachus ſagte:
„wo muß ich denn damals geweſen ſein!“
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