Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite
Gebirge bilden Wanderungswege.

Geht aus dem Gesagten der allgemeine endemische
Charakter von Gebirgsländern, nach Ausschluss der bo-
realen, hervor, so ist andererseits nicht zu vergessen,
dass die Gebirge, ganz im Gegensatz zu den Inseln, zu-
gleich Wanderungswege für ihre Entwickelungsformen
vom einen zum anderen darbieten und daher, je nach
ihrer Lage und Erstreckung, zur Verbreitung bestimmter
Florenelemente in ein denselben ursprünglich ganz frem-
des Gebiet gedient haben. Da dies auch in älteren geo-
logischen Perioden ebenso der Fall gewesen sein wird,
so muss man diesem Umstande bei der Beurteilung vieler
Fragen Rechnung tragen; dass beispielsweise neben der
allgemeinen Sonderung Amerikas in ein nördlich-sub-
tropisches, in ein tropisches und ein australes Entwicke-
lungsgebiet zugleich in allen dreien vielfältig gemeinsame
"amerikanische" Züge sich vorfinden, mag in der Ent-
wickelung des westlichen Gebirgssystems vom Feuerlande
bis Alaska seine teilweise Erklärung finden, während in
jüngerer Zeit derselbe Gebirgszug vom Norden her das
arktisch-boreal-alpine Florenelement südwärts weit ver-
breiten und sich mit dem amerikanischen Typus ver-
mischen geholfen hat. Auf den mexikanisch-central-
amerikanischen Cordilleren begegnen Arten der die Rho-
dodendren in Columbien vertretenden "Andesrose" Bejaria,
ferner Arten der in Patagonien, Chile, dann in den tro-
pischen Hochanden reich entwickelten beerentragenden
Ericacee Pernettya der wundervollen Eichenvegetation
vom boreal-subtropischen Typus, den letzten Vertretern
der nördlichen Tannen (Abies religiosa), und strauchige
Compositen kreuzen ihre Verbreitungsrichtungen mit denen
der im nordischen Florenreich entwickelten Staudengat-
tungen. Andererseits leben Saxifragen, Gentiana-, Draba-,
Valeriana-Arten von eigentümlichem Artcharakter, aber
doch borealer Repräsentation auf den Anden weit südlich
vom Aequator. -- In Ostasien ist eine solche Gebirgs-
wanderungslinie trotz des Inselcharakters der Hauptstücke
in dem von Malakka bis Neucaledonien sich erstreckenden
Florenreich ebenfalls unschwer herauszufinden; hier be-
gegnen sich Eichen mit Araucarien, Casuarinen sind in

Gebirge bilden Wanderungswege.

Geht aus dem Gesagten der allgemeine endemische
Charakter von Gebirgsländern, nach Ausschluss der bo-
realen, hervor, so ist andererseits nicht zu vergessen,
dass die Gebirge, ganz im Gegensatz zu den Inseln, zu-
gleich Wanderungswege für ihre Entwickelungsformen
vom einen zum anderen darbieten und daher, je nach
ihrer Lage und Erstreckung, zur Verbreitung bestimmter
Florenelemente in ein denselben ursprünglich ganz frem-
des Gebiet gedient haben. Da dies auch in älteren geo-
logischen Perioden ebenso der Fall gewesen sein wird,
so muss man diesem Umstande bei der Beurteilung vieler
Fragen Rechnung tragen; dass beispielsweise neben der
allgemeinen Sonderung Amerikas in ein nördlich-sub-
tropisches, in ein tropisches und ein australes Entwicke-
lungsgebiet zugleich in allen dreien vielfältig gemeinsame
„amerikanische“ Züge sich vorfinden, mag in der Ent-
wickelung des westlichen Gebirgssystems vom Feuerlande
bis Alaska seine teilweise Erklärung finden, während in
jüngerer Zeit derselbe Gebirgszug vom Norden her das
arktisch-boreal-alpine Florenelement südwärts weit ver-
breiten und sich mit dem amerikanischen Typus ver-
mischen geholfen hat. Auf den mexikanisch-central-
amerikanischen Cordilleren begegnen Arten der die Rho-
dodendren in Columbien vertretenden „Andesrose“ Bejaria,
ferner Arten der in Patagonien, Chile, dann in den tro-
pischen Hochanden reich entwickelten beerentragenden
Ericacee Pernettya der wundervollen Eichenvegetation
vom boreal-subtropischen Typus, den letzten Vertretern
der nördlichen Tannen (Abies religiosa), und strauchige
Compositen kreuzen ihre Verbreitungsrichtungen mit denen
der im nordischen Florenreich entwickelten Staudengat-
tungen. Andererseits leben Saxifragen, Gentiana-, Draba-,
Valeriana-Arten von eigentümlichem Artcharakter, aber
doch borealer Repräsentation auf den Anden weit südlich
vom Aequator. — In Ostasien ist eine solche Gebirgs-
wanderungslinie trotz des Inselcharakters der Hauptstücke
in dem von Malakka bis Neucaledonien sich erstreckenden
Florenreich ebenfalls unschwer herauszufinden; hier be-
gegnen sich Eichen mit Araucarien, Casuarinen sind in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0163" n="141"/>
          <fw place="top" type="header">Gebirge bilden Wanderungswege.</fw><lb/>
          <p>Geht aus dem Gesagten der allgemeine endemische<lb/>
Charakter von Gebirgsländern, nach Ausschluss der bo-<lb/>
realen, hervor, so ist andererseits nicht zu vergessen,<lb/>
dass die Gebirge, ganz im Gegensatz zu den Inseln, zu-<lb/>
gleich Wanderungswege für ihre Entwickelungsformen<lb/>
vom einen zum anderen darbieten und daher, je nach<lb/>
ihrer Lage und Erstreckung, zur Verbreitung bestimmter<lb/>
Florenelemente in ein denselben ursprünglich ganz frem-<lb/>
des Gebiet gedient haben. Da dies auch in älteren geo-<lb/>
logischen Perioden ebenso der Fall gewesen sein wird,<lb/>
so muss man diesem Umstande bei der Beurteilung vieler<lb/>
Fragen Rechnung tragen; dass beispielsweise neben der<lb/>
allgemeinen Sonderung Amerikas in ein nördlich-sub-<lb/>
tropisches, in ein tropisches und ein australes Entwicke-<lb/>
lungsgebiet zugleich in allen dreien vielfältig gemeinsame<lb/>
&#x201E;amerikanische&#x201C; Züge sich vorfinden, mag in der Ent-<lb/>
wickelung des westlichen Gebirgssystems vom Feuerlande<lb/>
bis Alaska seine teilweise Erklärung finden, während in<lb/>
jüngerer Zeit derselbe Gebirgszug vom Norden her das<lb/>
arktisch-boreal-alpine Florenelement südwärts weit ver-<lb/>
breiten und sich mit dem amerikanischen Typus ver-<lb/>
mischen geholfen hat. Auf den mexikanisch-central-<lb/>
amerikanischen Cordilleren begegnen Arten der die Rho-<lb/>
dodendren in Columbien vertretenden &#x201E;Andesrose&#x201C; <hi rendition="#i">Bejaria</hi>,<lb/>
ferner Arten der in Patagonien, Chile, dann in den tro-<lb/>
pischen Hochanden reich entwickelten beerentragenden<lb/>
Ericacee <hi rendition="#i">Pernettya</hi> der wundervollen Eichenvegetation<lb/>
vom boreal-subtropischen Typus, den letzten Vertretern<lb/>
der nördlichen Tannen <hi rendition="#i">(Abies religiosa)</hi>, und strauchige<lb/>
Compositen kreuzen ihre Verbreitungsrichtungen mit denen<lb/>
der im nordischen Florenreich entwickelten Staudengat-<lb/>
tungen. Andererseits leben Saxifragen, Gentiana-, Draba-,<lb/>
Valeriana-Arten von eigentümlichem Artcharakter, aber<lb/>
doch borealer Repräsentation auf den Anden weit südlich<lb/>
vom Aequator. &#x2014; In Ostasien ist eine solche Gebirgs-<lb/>
wanderungslinie trotz des Inselcharakters der Hauptstücke<lb/>
in dem von Malakka bis Neucaledonien sich erstreckenden<lb/>
Florenreich ebenfalls unschwer herauszufinden; hier be-<lb/>
gegnen sich Eichen mit Araucarien, Casuarinen sind in<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[141/0163] Gebirge bilden Wanderungswege. Geht aus dem Gesagten der allgemeine endemische Charakter von Gebirgsländern, nach Ausschluss der bo- realen, hervor, so ist andererseits nicht zu vergessen, dass die Gebirge, ganz im Gegensatz zu den Inseln, zu- gleich Wanderungswege für ihre Entwickelungsformen vom einen zum anderen darbieten und daher, je nach ihrer Lage und Erstreckung, zur Verbreitung bestimmter Florenelemente in ein denselben ursprünglich ganz frem- des Gebiet gedient haben. Da dies auch in älteren geo- logischen Perioden ebenso der Fall gewesen sein wird, so muss man diesem Umstande bei der Beurteilung vieler Fragen Rechnung tragen; dass beispielsweise neben der allgemeinen Sonderung Amerikas in ein nördlich-sub- tropisches, in ein tropisches und ein australes Entwicke- lungsgebiet zugleich in allen dreien vielfältig gemeinsame „amerikanische“ Züge sich vorfinden, mag in der Ent- wickelung des westlichen Gebirgssystems vom Feuerlande bis Alaska seine teilweise Erklärung finden, während in jüngerer Zeit derselbe Gebirgszug vom Norden her das arktisch-boreal-alpine Florenelement südwärts weit ver- breiten und sich mit dem amerikanischen Typus ver- mischen geholfen hat. Auf den mexikanisch-central- amerikanischen Cordilleren begegnen Arten der die Rho- dodendren in Columbien vertretenden „Andesrose“ Bejaria, ferner Arten der in Patagonien, Chile, dann in den tro- pischen Hochanden reich entwickelten beerentragenden Ericacee Pernettya der wundervollen Eichenvegetation vom boreal-subtropischen Typus, den letzten Vertretern der nördlichen Tannen (Abies religiosa), und strauchige Compositen kreuzen ihre Verbreitungsrichtungen mit denen der im nordischen Florenreich entwickelten Staudengat- tungen. Andererseits leben Saxifragen, Gentiana-, Draba-, Valeriana-Arten von eigentümlichem Artcharakter, aber doch borealer Repräsentation auf den Anden weit südlich vom Aequator. — In Ostasien ist eine solche Gebirgs- wanderungslinie trotz des Inselcharakters der Hauptstücke in dem von Malakka bis Neucaledonien sich erstreckenden Florenreich ebenfalls unschwer herauszufinden; hier be- gegnen sich Eichen mit Araucarien, Casuarinen sind in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/163
Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/163>, abgerufen am 24.11.2024.