Schwierigkeiten bereitet und eigene Organisationsmaß- regeln herausfordert, ein kräftiges Leben zu führen. Man sagt deshalb oft von den Tropenwäldern, dass man in ihnen in den Baumkronen, anstatt unter ihnen wie bei uns, auf die kleineren Pflanzen achtend botanisieren müsse. Die Charakterzüge der Epiphyten liegen also in ihrem Standort, und diesem angemessen in ihrer Luft- wurzel- oder Kriechwurzelbildung, im Verdunstungsschutz der in der Regel immergrünen Blattorgane, im Lichtbe- dürfnis zur Entfaltung ihrer oft grossen und schön ge- färbten Blumen, besonders auch in der Samenverbreitung und Keimung auf neuen epiphytischen Plätzen. Doch sei sogleich bemerkt, dass nicht wenige Epiphyten ihre Standorte auch gern mit sonnigen Felsen etc. vertauschen, viele allerdings nur Baumbewohner sind.
Eine ausführliche Darstellung der biologischen Verhältnisse innerhalb der amerikanischen Epiphytenvegetation verdanken wir mehreren ausgezeichneten Arbeiten Schimpers (Die epiphyt. Vegetat. Amerikas, in Bot. Mitteil. aus den Tropen, Heft 2); vergl. G. J., XIII, 312 und XI, 104--106. Der Raum gestattet hier leider nicht, die Verteilung der Epiphyten innerhalb ihrer Verbreitungsbezirke ausführlicher danach zu referieren, nur das Prinzipielle sei auch hier hervorgehoben, wie solche botanisch-biologische Monographien das Wesen der Formationsphysiognomik wissenschaftlich erfassen, die Pflanzengeographie mit der Physiologie verknüpfen. Da herrscht keine Willkür in der Schaffung irgend welcher Begriffe, sondern Erforschung von Thatsachen, welche ein wirkliches Naturverständ- nis eröffnen!
Die Epiphyten sind aus einem kleineren Kreise tropischer oder allgemeiner verbreiteter Ordnungen auserlesen: wenige Lyco- podiaceen, sehr viele Farne, Bromeliaceen und Cacteen (letztere in den trockneren Gebieten, besonders Rhipsalis) und Cyclanthaceen in Amerika, Araceen und eine übergrosse Zahl von Orchideen, Piperaceen, einige Clusiaceen, Melastomaceen, dann Ericaceen- Vaccinieen als starke Sträucher, eine Menge von Gesneraceen, Ru- biaceen und einige weniger bedeutende Ordnungen liefern das Hauptmaterial dazu. Notwendig erscheint, dass der Samenbau der betreffenden Pflanzen ein geringes Gewicht, oder einen be- sonderen Flugapparat, oder endlich durch Beerenbildung (Vacci- nieen) eine tierische Hilfsverbreitung besitzt, um in den Baum- kronen sich verbreiten und keimen zu können.
Im übrigen sind die Organe der "atmosphärischen Vegeta- tion" höchst mannigfaltig, was Schimper drastisch in dem Satze ausdrückt, dass Aeranthus, eine epiphytische Orchidee, fast nur aus Wurzeln besteht, welche die ganze Ernährung zu besorgen
Schimpers Arbeiten über die
Schwierigkeiten bereitet und eigene Organisationsmaß- regeln herausfordert, ein kräftiges Leben zu führen. Man sagt deshalb oft von den Tropenwäldern, dass man in ihnen in den Baumkronen, anstatt unter ihnen wie bei uns, auf die kleineren Pflanzen achtend botanisieren müsse. Die Charakterzüge der Epiphyten liegen also in ihrem Standort, und diesem angemessen in ihrer Luft- wurzel- oder Kriechwurzelbildung, im Verdunstungsschutz der in der Regel immergrünen Blattorgane, im Lichtbe- dürfnis zur Entfaltung ihrer oft grossen und schön ge- färbten Blumen, besonders auch in der Samenverbreitung und Keimung auf neuen epiphytischen Plätzen. Doch sei sogleich bemerkt, dass nicht wenige Epiphyten ihre Standorte auch gern mit sonnigen Felsen etc. vertauschen, viele allerdings nur Baumbewohner sind.
Eine ausführliche Darstellung der biologischen Verhältnisse innerhalb der amerikanischen Epiphytenvegetation verdanken wir mehreren ausgezeichneten Arbeiten Schimpers (Die epiphyt. Vegetat. Amerikas, in Bot. Mitteil. aus den Tropen, Heft 2); vergl. G. J., XIII, 312 und XI, 104—106. Der Raum gestattet hier leider nicht, die Verteilung der Epiphyten innerhalb ihrer Verbreitungsbezirke ausführlicher danach zu referieren, nur das Prinzipielle sei auch hier hervorgehoben, wie solche botanisch-biologische Monographien das Wesen der Formationsphysiognomik wissenschaftlich erfassen, die Pflanzengeographie mit der Physiologie verknüpfen. Da herrscht keine Willkür in der Schaffung irgend welcher Begriffe, sondern Erforschung von Thatsachen, welche ein wirkliches Naturverständ- nis eröffnen!
Die Epiphyten sind aus einem kleineren Kreise tropischer oder allgemeiner verbreiteter Ordnungen auserlesen: wenige Lyco- podiaceen, sehr viele Farne, Bromeliaceen und Cacteen (letztere in den trockneren Gebieten, besonders Rhipsalis) und Cyclanthaceen in Amerika, Araceen und eine übergrosse Zahl von Orchideen, Piperaceen, einige Clusiaceen, Melastomaceen, dann Ericaceen- Vaccinieen als starke Sträucher, eine Menge von Gesneraceen, Ru- biaceen und einige weniger bedeutende Ordnungen liefern das Hauptmaterial dazu. Notwendig erscheint, dass der Samenbau der betreffenden Pflanzen ein geringes Gewicht, oder einen be- sonderen Flugapparat, oder endlich durch Beerenbildung (Vacci- nieen) eine tierische Hilfsverbreitung besitzt, um in den Baum- kronen sich verbreiten und keimen zu können.
Im übrigen sind die Organe der „atmosphärischen Vegeta- tion“ höchst mannigfaltig, was Schimper drastisch in dem Satze ausdrückt, dass Aëranthus, eine epiphytische Orchidee, fast nur aus Wurzeln besteht, welche die ganze Ernährung zu besorgen
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Schimpers Arbeiten über die
Schwierigkeiten bereitet und eigene Organisationsmaß-
regeln herausfordert, ein kräftiges Leben zu führen. Man
sagt deshalb oft von den Tropenwäldern, dass man in
ihnen in den Baumkronen, anstatt unter ihnen wie bei
uns, auf die kleineren Pflanzen achtend botanisieren
müsse. Die Charakterzüge der Epiphyten liegen also in
ihrem Standort, und diesem angemessen in ihrer Luft-
wurzel- oder Kriechwurzelbildung, im Verdunstungsschutz
der in der Regel immergrünen Blattorgane, im Lichtbe-
dürfnis zur Entfaltung ihrer oft grossen und schön ge-
färbten Blumen, besonders auch in der Samenverbreitung
und Keimung auf neuen epiphytischen Plätzen. Doch
sei sogleich bemerkt, dass nicht wenige Epiphyten ihre
Standorte auch gern mit sonnigen Felsen etc. vertauschen,
viele allerdings nur Baumbewohner sind.
Eine ausführliche Darstellung der biologischen Verhältnisse
innerhalb der amerikanischen Epiphytenvegetation verdanken wir
mehreren ausgezeichneten Arbeiten Schimpers (Die epiphyt. Vegetat.
Amerikas, in Bot. Mitteil. aus den Tropen, Heft 2); vergl. G. J.,
XIII, 312 und XI, 104—106. Der Raum gestattet hier leider nicht,
die Verteilung der Epiphyten innerhalb ihrer Verbreitungsbezirke
ausführlicher danach zu referieren, nur das Prinzipielle sei auch
hier hervorgehoben, wie solche botanisch-biologische Monographien
das Wesen der Formationsphysiognomik wissenschaftlich erfassen,
die Pflanzengeographie mit der Physiologie verknüpfen. Da herrscht
keine Willkür in der Schaffung irgend welcher Begriffe, sondern
Erforschung von Thatsachen, welche ein wirkliches Naturverständ-
nis eröffnen!
Die Epiphyten sind aus einem kleineren Kreise tropischer
oder allgemeiner verbreiteter Ordnungen auserlesen: wenige Lyco-
podiaceen, sehr viele Farne, Bromeliaceen und Cacteen (letztere in
den trockneren Gebieten, besonders Rhipsalis) und Cyclanthaceen
in Amerika, Araceen und eine übergrosse Zahl von Orchideen,
Piperaceen, einige Clusiaceen, Melastomaceen, dann Ericaceen-
Vaccinieen als starke Sträucher, eine Menge von Gesneraceen, Ru-
biaceen und einige weniger bedeutende Ordnungen liefern das
Hauptmaterial dazu. Notwendig erscheint, dass der Samenbau
der betreffenden Pflanzen ein geringes Gewicht, oder einen be-
sonderen Flugapparat, oder endlich durch Beerenbildung (Vacci-
nieen) eine tierische Hilfsverbreitung besitzt, um in den Baum-
kronen sich verbreiten und keimen zu können.
Im übrigen sind die Organe der „atmosphärischen Vegeta-
tion“ höchst mannigfaltig, was Schimper drastisch in dem Satze
ausdrückt, dass Aëranthus, eine epiphytische Orchidee, fast nur
aus Wurzeln besteht, welche die ganze Ernährung zu besorgen
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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/264>, abgerufen am 22.11.2024.
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