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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

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Epiphyten Amerikas.
haben, während die Tillandsia usneoides, die weitverbreitetste wie
Bartmoos schlingende epiphytische Bromeliacee Amerikas, der
Wurzeln völlig entbehrt, zugleich auch fast niemals blüht, sondern
sich aus abgerissenen (sogar aus zum Nestbau von Vögeln zu-
sammengetragenen!) Zweigen mit grosser Lebenszähigkeit zu er-
halten vermag: dennoch gleichen sich beide sehr im Habitus, Lebens-
weise und inneren Bau. Andere Epiphyten, wie die Vaccinieen
der Gruppe Thibaudia, Agapetes und Epigynium, die Rubiaceen etc.
sind Sträucher oder kleine Bäume, welche den parasitischen Loran-
thaceen bis auf ihre selbständige Ernährung gleichen. Als ein
berühmtes Beispiel Westindiens schildert Schimper hier die Clusia
rosea: ein reich belaubter mittelgrosser epiphytischer Baum, dessen
frei wachsender Stamm sich nach unten in eine oft über arms-
dicke scheinbare Hauptwurzel fortsetzt, welche meistens der Rinde
des bewohnten Baumes dicht angedrückt senkrecht bis in den
Boden geht. Zahlreiche dünnere Nebenwurzeln entspringen ihr,
sämtlich auf der Rinde kriechend, um teils in den Boden zu
wachsen, teils den stützenden Stamm fest zu umklammern. Ausser-
dem entspringen aus den belaubten Aesten zahlreiche Neben-
wurzeln, die teilweise mit ungeheurer Länge senkrecht nach unten
bis zum Boden wachsen, teilweise ebenfalls als kurze und starke
Haftorgane ausgebildet sind, welche oft über fingersdick sich
rankenartig um die erfassten Gegenstände krümmen. -- Epiphyten
dieser Art vermögen auch auf dem Erdboden zu keimen und ent-
sprechen den Banyanenbäumen, welche interessante Ficus-Vegeta-
tionsform durch Ersticken und Ueberwuchern eines anderen Baum-
stammes ihre bizarren Stammformen erhält.

Je nach der Lichtfülle und atmosphärischen Feuchtigkeit ist
die Regenwald-Epiphytenvegetation im unteren und oberen Teile
der Krone verschieden; soweit der Stamm sich im Walddunkel
befindet, trägt er nur spärliche und wenig mannigfaltige Epiphyten;
seine lichteren dickeren Aeste tragen die formenreichste und
üppigste Vegetation, nach oben zu aber werden solche Formen
vorherrschend, welche zugleich auf den Bäumen der Savanen-
formationen allein vorkommen, graue Tillandsien, dickblätterige
und meist knollenlose Orchideen, lederartige Farne (Polypodien).
Die sich hieran naturgemäß anknüpfende Frage, ob diese letzte
Epiphytenkategorie aus dem Regenwalde in die Savane, oder
umgekehrt, eingewandert sei, beantwortet Schimper im ersteren
Sinne, doch vielleicht, wie es scheint, zu allgemein; denn was auch
für die erstere Ansicht spricht, braucht nicht für alle, z. B. die
Cacteen, zu gelten. -- Dass die Art der die Wirte bildenden Bäume
durch die Beschaffenheit ihrer Rinde einen grossen Einfluss auf
die Besiedelungsfähigkeit durch Epiphyten hat, ist klar; Crescentia
ist z. B. im tropischen Amerika mit ihnen beladen, die ihre Borke
abwerfenden Myrtaceen sind meist leer davon.

Einige wenige Epiphyten haben ein sehr weites, das einheit-
liche Florenreich überragendes Areal, wie Rhipsalis Cassytha und
Tillandsia usneoides. Im allgemeinen aber sind die Epiphytenfloren

Epiphyten Amerikas.
haben, während die Tillandsia usneoides, die weitverbreitetste wie
Bartmoos schlingende epiphytische Bromeliacee Amerikas, der
Wurzeln völlig entbehrt, zugleich auch fast niemals blüht, sondern
sich aus abgerissenen (sogar aus zum Nestbau von Vögeln zu-
sammengetragenen!) Zweigen mit grosser Lebenszähigkeit zu er-
halten vermag: dennoch gleichen sich beide sehr im Habitus, Lebens-
weise und inneren Bau. Andere Epiphyten, wie die Vaccinieen
der Gruppe Thibaudia, Agapetes und Epigynium, die Rubiaceen etc.
sind Sträucher oder kleine Bäume, welche den parasitischen Loran-
thaceen bis auf ihre selbständige Ernährung gleichen. Als ein
berühmtes Beispiel Westindiens schildert Schimper hier die Clusia
rosea: ein reich belaubter mittelgrosser epiphytischer Baum, dessen
frei wachsender Stamm sich nach unten in eine oft über arms-
dicke scheinbare Hauptwurzel fortsetzt, welche meistens der Rinde
des bewohnten Baumes dicht angedrückt senkrecht bis in den
Boden geht. Zahlreiche dünnere Nebenwurzeln entspringen ihr,
sämtlich auf der Rinde kriechend, um teils in den Boden zu
wachsen, teils den stützenden Stamm fest zu umklammern. Ausser-
dem entspringen aus den belaubten Aesten zahlreiche Neben-
wurzeln, die teilweise mit ungeheurer Länge senkrecht nach unten
bis zum Boden wachsen, teilweise ebenfalls als kurze und starke
Haftorgane ausgebildet sind, welche oft über fingersdick sich
rankenartig um die erfassten Gegenstände krümmen. — Epiphyten
dieser Art vermögen auch auf dem Erdboden zu keimen und ent-
sprechen den Banyanenbäumen, welche interessante Ficus-Vegeta-
tionsform durch Ersticken und Ueberwuchern eines anderen Baum-
stammes ihre bizarren Stammformen erhält.

Je nach der Lichtfülle und atmosphärischen Feuchtigkeit ist
die Regenwald-Epiphytenvegetation im unteren und oberen Teile
der Krone verschieden; soweit der Stamm sich im Walddunkel
befindet, trägt er nur spärliche und wenig mannigfaltige Epiphyten;
seine lichteren dickeren Aeste tragen die formenreichste und
üppigste Vegetation, nach oben zu aber werden solche Formen
vorherrschend, welche zugleich auf den Bäumen der Savanen-
formationen allein vorkommen, graue Tillandsien, dickblätterige
und meist knollenlose Orchideen, lederartige Farne (Polypodien).
Die sich hieran naturgemäß anknüpfende Frage, ob diese letzte
Epiphytenkategorie aus dem Regenwalde in die Savane, oder
umgekehrt, eingewandert sei, beantwortet Schimper im ersteren
Sinne, doch vielleicht, wie es scheint, zu allgemein; denn was auch
für die erstere Ansicht spricht, braucht nicht für alle, z. B. die
Cacteen, zu gelten. — Dass die Art der die Wirte bildenden Bäume
durch die Beschaffenheit ihrer Rinde einen grossen Einfluss auf
die Besiedelungsfähigkeit durch Epiphyten hat, ist klar; Crescentia
ist z. B. im tropischen Amerika mit ihnen beladen, die ihre Borke
abwerfenden Myrtaceen sind meist leer davon.

Einige wenige Epiphyten haben ein sehr weites, das einheit-
liche Florenreich überragendes Areal, wie Rhipsalis Cassytha und
Tillandsia usneoides. Im allgemeinen aber sind die Epiphytenfloren

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[235/0265] Epiphyten Amerikas. haben, während die Tillandsia usneoides, die weitverbreitetste wie Bartmoos schlingende epiphytische Bromeliacee Amerikas, der Wurzeln völlig entbehrt, zugleich auch fast niemals blüht, sondern sich aus abgerissenen (sogar aus zum Nestbau von Vögeln zu- sammengetragenen!) Zweigen mit grosser Lebenszähigkeit zu er- halten vermag: dennoch gleichen sich beide sehr im Habitus, Lebens- weise und inneren Bau. Andere Epiphyten, wie die Vaccinieen der Gruppe Thibaudia, Agapetes und Epigynium, die Rubiaceen etc. sind Sträucher oder kleine Bäume, welche den parasitischen Loran- thaceen bis auf ihre selbständige Ernährung gleichen. Als ein berühmtes Beispiel Westindiens schildert Schimper hier die Clusia rosea: ein reich belaubter mittelgrosser epiphytischer Baum, dessen frei wachsender Stamm sich nach unten in eine oft über arms- dicke scheinbare Hauptwurzel fortsetzt, welche meistens der Rinde des bewohnten Baumes dicht angedrückt senkrecht bis in den Boden geht. Zahlreiche dünnere Nebenwurzeln entspringen ihr, sämtlich auf der Rinde kriechend, um teils in den Boden zu wachsen, teils den stützenden Stamm fest zu umklammern. Ausser- dem entspringen aus den belaubten Aesten zahlreiche Neben- wurzeln, die teilweise mit ungeheurer Länge senkrecht nach unten bis zum Boden wachsen, teilweise ebenfalls als kurze und starke Haftorgane ausgebildet sind, welche oft über fingersdick sich rankenartig um die erfassten Gegenstände krümmen. — Epiphyten dieser Art vermögen auch auf dem Erdboden zu keimen und ent- sprechen den Banyanenbäumen, welche interessante Ficus-Vegeta- tionsform durch Ersticken und Ueberwuchern eines anderen Baum- stammes ihre bizarren Stammformen erhält. Je nach der Lichtfülle und atmosphärischen Feuchtigkeit ist die Regenwald-Epiphytenvegetation im unteren und oberen Teile der Krone verschieden; soweit der Stamm sich im Walddunkel befindet, trägt er nur spärliche und wenig mannigfaltige Epiphyten; seine lichteren dickeren Aeste tragen die formenreichste und üppigste Vegetation, nach oben zu aber werden solche Formen vorherrschend, welche zugleich auf den Bäumen der Savanen- formationen allein vorkommen, graue Tillandsien, dickblätterige und meist knollenlose Orchideen, lederartige Farne (Polypodien). Die sich hieran naturgemäß anknüpfende Frage, ob diese letzte Epiphytenkategorie aus dem Regenwalde in die Savane, oder umgekehrt, eingewandert sei, beantwortet Schimper im ersteren Sinne, doch vielleicht, wie es scheint, zu allgemein; denn was auch für die erstere Ansicht spricht, braucht nicht für alle, z. B. die Cacteen, zu gelten. — Dass die Art der die Wirte bildenden Bäume durch die Beschaffenheit ihrer Rinde einen grossen Einfluss auf die Besiedelungsfähigkeit durch Epiphyten hat, ist klar; Crescentia ist z. B. im tropischen Amerika mit ihnen beladen, die ihre Borke abwerfenden Myrtaceen sind meist leer davon. Einige wenige Epiphyten haben ein sehr weites, das einheit- liche Florenreich überragendes Areal, wie Rhipsalis Cassytha und Tillandsia usneoides. Im allgemeinen aber sind die Epiphytenfloren

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Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/265>, abgerufen am 22.11.2024.