Richtungen in der Pflanzengeographie. Die drei der Natur der Sache nach gegebenen Hauptrichtungen der Pflanzen- geographie sind oben schon besprochen; hier folgen noch einige ausführlichere Auseinandersetzungen darüber, weil in ihrer Behand- lungsweise Meinungsverschiedenheiten vorhanden sind. -- Am natür- lichsten liegen die Verhältnisse der biologischen Richtung: Wir sehen, selbst ohne physiologische Kenntnisse tief-wissenschaftlicher Art, die Pflanzenwelt aller Orten in Abhängigkeit von den Jahres- zeiten, welche einen scharfen Klimawechsel zur Folge haben; wir sehen sie ferner in ihrer Standortsverteilung offenbar durch die Unterlage und durch die Bewässerung bedingt, zugleich auch ab- hängig von den durch die grossen Pflanzenbestände selbst hervor- gerufenen sekundären Bedingungen, indem gewisse Arten beispiels- weise den Waldesschatten aufsuchen, andere ihn fliehen. Es kann daher diese Richtung keinen anderen Weg nehmen, als den, an der Hand der experimentellen Physiologie die Grundlage der geo- graphisch und topographisch verschieden verteilten Lebensbe- dingungen zu erforschen, um dadurch eine Einsicht zu erzielen, wie es sich mit den Anpassungserscheinungen der Pflanzenwelt an den Charakter jeder einzelnen Landschaft verhält. Die Wege dazu mögen verschieden sein, falsche Voraussetzungen mögen neben richtigen dazwischen laufen: die Forschung auf diesem Gebiete wird ihr Recht behalten, wenn dies Ziel im Anschluss an Experi- mentalphysiologie fest im Auge behalten wird. -- Die ver- gleichende systematische Floristik hat eine sehr einfache und unabweisliche Grundlage. Für Länder von bestimmter geographi- scher Begrenzung werden vollständige Florenkataloge entworfen, und in diesen bei den einzelnen Sippen die Häufigkeit, die Vertei- lung nach Genossenschaften, eventuell das Aufhören des Areals an bestimmten Stellen, hinzugefügt. Der geographisch-wissenschaft- liche Schwerpunkt liegt aber naturgemäss in der Vergleichung der Florenkataloge verschiedener Länder, um daraus eine Kenntnis von der Arealgrösse aller das Interesse auf sich lenkenden Sippen abzuleiten, diese unter gemeinsame Gesichtspunkte zu bringen, und zum Nutzen der physikalischen Geographie besonders die Gemein- samkeiten und Verschiedenheiten der grösseren oder kleineren Länderkomplexe darzustellen. Das Endziel und das Material liegen also auch hier klar; aber da sich für die Wissenschaft stets er- klärende Gründe notwendig machen, unter deren Lichte erst das statistische Material plastische Wirksamkeit erlangen kann, so stösst hier überall die nach erklärenden Gründen verlangende Frage auf, warum die Areale der Pflanzensippen diese und nicht etwa eine andere Gestalt angenommen haben, warum oft mitten in einem Ländergebiete starke Arealgrenzen sich zeigen, warum ein Teil der Meere gleichsam als Sperre zwischen Arealen, ein anderer Teil aber wie eine Brücke zur Vergrösserung anderer Areale gedient hat? Bei den nahen Beziehungen, welche zwischen Klima und Pflanzenleben seit alter Zeit beobachtet sind, konnte man nicht unschwer feststellen, dass wirklich das Klima in erster Linie die
Biologische und systematische Floristik.
Richtungen in der Pflanzengeographie. Die drei der Natur der Sache nach gegebenen Hauptrichtungen der Pflanzen- geographie sind oben schon besprochen; hier folgen noch einige ausführlichere Auseinandersetzungen darüber, weil in ihrer Behand- lungsweise Meinungsverschiedenheiten vorhanden sind. — Am natür- lichsten liegen die Verhältnisse der biologischen Richtung: Wir sehen, selbst ohne physiologische Kenntnisse tief-wissenschaftlicher Art, die Pflanzenwelt aller Orten in Abhängigkeit von den Jahres- zeiten, welche einen scharfen Klimawechsel zur Folge haben; wir sehen sie ferner in ihrer Standortsverteilung offenbar durch die Unterlage und durch die Bewässerung bedingt, zugleich auch ab- hängig von den durch die grossen Pflanzenbestände selbst hervor- gerufenen sekundären Bedingungen, indem gewisse Arten beispiels- weise den Waldesschatten aufsuchen, andere ihn fliehen. Es kann daher diese Richtung keinen anderen Weg nehmen, als den, an der Hand der experimentellen Physiologie die Grundlage der geo- graphisch und topographisch verschieden verteilten Lebensbe- dingungen zu erforschen, um dadurch eine Einsicht zu erzielen, wie es sich mit den Anpassungserscheinungen der Pflanzenwelt an den Charakter jeder einzelnen Landschaft verhält. Die Wege dazu mögen verschieden sein, falsche Voraussetzungen mögen neben richtigen dazwischen laufen: die Forschung auf diesem Gebiete wird ihr Recht behalten, wenn dies Ziel im Anschluss an Experi- mentalphysiologie fest im Auge behalten wird. — Die ver- gleichende systematische Floristik hat eine sehr einfache und unabweisliche Grundlage. Für Länder von bestimmter geographi- scher Begrenzung werden vollständige Florenkataloge entworfen, und in diesen bei den einzelnen Sippen die Häufigkeit, die Vertei- lung nach Genossenschaften, eventuell das Aufhören des Areals an bestimmten Stellen, hinzugefügt. Der geographisch-wissenschaft- liche Schwerpunkt liegt aber naturgemäss in der Vergleichung der Florenkataloge verschiedener Länder, um daraus eine Kenntnis von der Arealgrösse aller das Interesse auf sich lenkenden Sippen abzuleiten, diese unter gemeinsame Gesichtspunkte zu bringen, und zum Nutzen der physikalischen Geographie besonders die Gemein- samkeiten und Verschiedenheiten der grösseren oder kleineren Länderkomplexe darzustellen. Das Endziel und das Material liegen also auch hier klar; aber da sich für die Wissenschaft stets er- klärende Gründe notwendig machen, unter deren Lichte erst das statistische Material plastische Wirksamkeit erlangen kann, so stösst hier überall die nach erklärenden Gründen verlangende Frage auf, warum die Areale der Pflanzensippen diese und nicht etwa eine andere Gestalt angenommen haben, warum oft mitten in einem Ländergebiete starke Arealgrenzen sich zeigen, warum ein Teil der Meere gleichsam als Sperre zwischen Arealen, ein anderer Teil aber wie eine Brücke zur Vergrösserung anderer Areale gedient hat? Bei den nahen Beziehungen, welche zwischen Klima und Pflanzenleben seit alter Zeit beobachtet sind, konnte man nicht unschwer feststellen, dass wirklich das Klima in erster Linie die
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Biologische und systematische Floristik.
Richtungen in der Pflanzengeographie. Die drei der
Natur der Sache nach gegebenen Hauptrichtungen der Pflanzen-
geographie sind oben schon besprochen; hier folgen noch einige
ausführlichere Auseinandersetzungen darüber, weil in ihrer Behand-
lungsweise Meinungsverschiedenheiten vorhanden sind. — Am natür-
lichsten liegen die Verhältnisse der biologischen Richtung: Wir
sehen, selbst ohne physiologische Kenntnisse tief-wissenschaftlicher
Art, die Pflanzenwelt aller Orten in Abhängigkeit von den Jahres-
zeiten, welche einen scharfen Klimawechsel zur Folge haben; wir
sehen sie ferner in ihrer Standortsverteilung offenbar durch die
Unterlage und durch die Bewässerung bedingt, zugleich auch ab-
hängig von den durch die grossen Pflanzenbestände selbst hervor-
gerufenen sekundären Bedingungen, indem gewisse Arten beispiels-
weise den Waldesschatten aufsuchen, andere ihn fliehen. Es kann
daher diese Richtung keinen anderen Weg nehmen, als den, an
der Hand der experimentellen Physiologie die Grundlage der geo-
graphisch und topographisch verschieden verteilten Lebensbe-
dingungen zu erforschen, um dadurch eine Einsicht zu erzielen,
wie es sich mit den Anpassungserscheinungen der Pflanzenwelt
an den Charakter jeder einzelnen Landschaft verhält. Die Wege
dazu mögen verschieden sein, falsche Voraussetzungen mögen neben
richtigen dazwischen laufen: die Forschung auf diesem Gebiete
wird ihr Recht behalten, wenn dies Ziel im Anschluss an Experi-
mentalphysiologie fest im Auge behalten wird. — Die ver-
gleichende systematische Floristik hat eine sehr einfache und
unabweisliche Grundlage. Für Länder von bestimmter geographi-
scher Begrenzung werden vollständige Florenkataloge entworfen,
und in diesen bei den einzelnen Sippen die Häufigkeit, die Vertei-
lung nach Genossenschaften, eventuell das Aufhören des Areals an
bestimmten Stellen, hinzugefügt. Der geographisch-wissenschaft-
liche Schwerpunkt liegt aber naturgemäss in der Vergleichung
der Florenkataloge verschiedener Länder, um daraus eine Kenntnis
von der Arealgrösse aller das Interesse auf sich lenkenden Sippen
abzuleiten, diese unter gemeinsame Gesichtspunkte zu bringen, und
zum Nutzen der physikalischen Geographie besonders die Gemein-
samkeiten und Verschiedenheiten der grösseren oder kleineren
Länderkomplexe darzustellen. Das Endziel und das Material liegen
also auch hier klar; aber da sich für die Wissenschaft stets er-
klärende Gründe notwendig machen, unter deren Lichte erst das
statistische Material plastische Wirksamkeit erlangen kann, so
stösst hier überall die nach erklärenden Gründen verlangende Frage
auf, warum die Areale der Pflanzensippen diese und nicht etwa
eine andere Gestalt angenommen haben, warum oft mitten in einem
Ländergebiete starke Arealgrenzen sich zeigen, warum ein Teil
der Meere gleichsam als Sperre zwischen Arealen, ein anderer Teil
aber wie eine Brücke zur Vergrösserung anderer Areale gedient
hat? Bei den nahen Beziehungen, welche zwischen Klima und
Pflanzenleben seit alter Zeit beobachtet sind, konnte man nicht
unschwer feststellen, dass wirklich das Klima in erster Linie die
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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/30>, abgerufen am 21.11.2024.
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