Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.Anschluss an die Geologie. Grenzen bestimmt, welche man den Sippenarealen mitten im Landegesetzt fand, oder noch besser gesagt: die Zusammenwirkung zwischen Boden und Klima. In der ersten Periode der Pflanzen- geographie wurde daher nur die eine Meinung laut, dass das Klima überall die Veranlassung einer bestimmten Flora gewesen sei, und zwar dachte man dabei nur an das Klima in seiner gegenwärtigen Erscheinungsweise auf der Erde. Zwischen 1840 und 1850 jedoch traten die ersten methodisch wirkungsvollen Verbesserungen dieser Erklärungsweise ein, welche in allmählicher Erweiterung zu einer Reform geführt haben. Man muss nämlich in den Erklärungen unterscheiden, warum eine bestimmte Pflanze an einer bestimmten Lokalität auftritt, und mit welchen äusseren und inneren Mitteln sie daselbst ihre fortdauernde Erhaltung erzielt. Der letzte Teil der geforderten Erklärung ist nämlich wiederum biologisch und steht daher in unmittelbarem Zusammenhange mit dem zuerst besprochenen Gesichtspunkte: hier ist die Mitwirkung von Klima und allen übrigen äusseren Lebensbedingungen selbst- verständlich; beispielsweise kann eine auf warme stehende Gewässer angewiesene Pflanze auch nur nach ähnlichen warmen Gewässern hin sich verbreiten. Aber das Auftreten einer solchen Pflanze hier und dort, das Vorhandensein in dem betreffenden Lande überhaupt, ist als eine ganz getrennte Frage zu behandeln: die betreffende Wasserpflanze kann durch wandernde Vögel mitgeschleppt und von einem Teich zum anderen übertragen sein, sie kann hier oder dort als Art zuerst auf der Erde entstanden, sie kann als Relikt in einem kleinen Tümpel übrig geblieben sein, als derselbe durch orographische Umgestaltungen von einem grösseren See, in welchem sie allgemein verbreitet war, abgeschnitten wurde. Auf diesem Gebiete der Fragestellung herrscht ein anderes Wesen, als auf dem biologischen; fremdartige Teile der Naturforschung werden berührt, mit Vorsicht und umsichtiger Erwägung ist von den verschie- denen Möglichkeiten die wahrscheinlichste zu wählen, durch Zu- sammentreffen vieler Wahrscheinlichkeiten sind Erklärungen aufzu- stellen, welche der wissenschaftlichen Wahrheit möglichst nahe kommen; doch wird immerhin die Hypothese hier, wo auch die dunkle erste Entstehung der Arten der Zeit nach in Frage kommt, ein freieres Spiel haben. Hier schliesst sich nun die Pflanzen- geographie in ihrer ganzen Methode an die Geologie an und entlehnt ihr auf geographischer Grundlage das Gerüst, mit welchem sie ihre einzelnen Glieder aufzubauen gedenkt; und für das, was sie der geographischen Geologie, der Entwickelungsgeschichte der Oberfläche der Erde in ihrem gegenwärtigen orographischen Auf- bau mit seinen alten und jungen Organismen, verdankt, zahlt sie derselben Disziplin ihre eigenen Aufschlüsse zurück, welche oft sichernd da auftreten, wo die Geologie selbst andere Methoden nicht besitzt. Man bedenke, dass man die alten Klimate nach den Pflanzenresten beurteilt, welche in den zugehörigen Schichten abgelagert sind, von der Voraussetzung ausgehend, dass die klima- tische Sphäre bestimmter Sippen des Pflanzenreichs in alter Zeit Anschluss an die Geologie. Grenzen bestimmt, welche man den Sippenarealen mitten im Landegesetzt fand, oder noch besser gesagt: die Zusammenwirkung zwischen Boden und Klima. In der ersten Periode der Pflanzen- geographie wurde daher nur die eine Meinung laut, dass das Klima überall die Veranlassung einer bestimmten Flora gewesen sei, und zwar dachte man dabei nur an das Klima in seiner gegenwärtigen Erscheinungsweise auf der Erde. Zwischen 1840 und 1850 jedoch traten die ersten methodisch wirkungsvollen Verbesserungen dieser Erklärungsweise ein, welche in allmählicher Erweiterung zu einer Reform geführt haben. Man muss nämlich in den Erklärungen unterscheiden, warum eine bestimmte Pflanze an einer bestimmten Lokalität auftritt, und mit welchen äusseren und inneren Mitteln sie daselbst ihre fortdauernde Erhaltung erzielt. Der letzte Teil der geforderten Erklärung ist nämlich wiederum biologisch und steht daher in unmittelbarem Zusammenhange mit dem zuerst besprochenen Gesichtspunkte: hier ist die Mitwirkung von Klima und allen übrigen äusseren Lebensbedingungen selbst- verständlich; beispielsweise kann eine auf warme stehende Gewässer angewiesene Pflanze auch nur nach ähnlichen warmen Gewässern hin sich verbreiten. Aber das Auftreten einer solchen Pflanze hier und dort, das Vorhandensein in dem betreffenden Lande überhaupt, ist als eine ganz getrennte Frage zu behandeln: die betreffende Wasserpflanze kann durch wandernde Vögel mitgeschleppt und von einem Teich zum anderen übertragen sein, sie kann hier oder dort als Art zuerst auf der Erde entstanden, sie kann als Relikt in einem kleinen Tümpel übrig geblieben sein, als derselbe durch orographische Umgestaltungen von einem grösseren See, in welchem sie allgemein verbreitet war, abgeschnitten wurde. Auf diesem Gebiete der Fragestellung herrscht ein anderes Wesen, als auf dem biologischen; fremdartige Teile der Naturforschung werden berührt, mit Vorsicht und umsichtiger Erwägung ist von den verschie- denen Möglichkeiten die wahrscheinlichste zu wählen, durch Zu- sammentreffen vieler Wahrscheinlichkeiten sind Erklärungen aufzu- stellen, welche der wissenschaftlichen Wahrheit möglichst nahe kommen; doch wird immerhin die Hypothese hier, wo auch die dunkle erste Entstehung der Arten der Zeit nach in Frage kommt, ein freieres Spiel haben. Hier schliesst sich nun die Pflanzen- geographie in ihrer ganzen Methode an die Geologie an und entlehnt ihr auf geographischer Grundlage das Gerüst, mit welchem sie ihre einzelnen Glieder aufzubauen gedenkt; und für das, was sie der geographischen Geologie, der Entwickelungsgeschichte der Oberfläche der Erde in ihrem gegenwärtigen orographischen Auf- bau mit seinen alten und jungen Organismen, verdankt, zahlt sie derselben Disziplin ihre eigenen Aufschlüsse zurück, welche oft sichernd da auftreten, wo die Geologie selbst andere Methoden nicht besitzt. Man bedenke, dass man die alten Klimate nach den Pflanzenresten beurteilt, welche in den zugehörigen Schichten abgelagert sind, von der Voraussetzung ausgehend, dass die klima- tische Sphäre bestimmter Sippen des Pflanzenreichs in alter Zeit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0031" n="9"/><fw place="top" type="header">Anschluss an die Geologie.</fw><lb/> Grenzen bestimmt, welche man den Sippenarealen mitten im Lande<lb/> gesetzt fand, oder noch besser gesagt: die Zusammenwirkung<lb/> zwischen Boden und Klima. In der ersten Periode der Pflanzen-<lb/> geographie wurde daher nur die eine Meinung laut, dass das Klima<lb/> überall die Veranlassung einer bestimmten Flora gewesen sei, und<lb/> zwar dachte man dabei nur an das Klima in seiner gegenwärtigen<lb/> Erscheinungsweise auf der Erde. Zwischen 1840 und 1850 jedoch<lb/> traten die ersten methodisch wirkungsvollen Verbesserungen dieser<lb/> Erklärungsweise ein, welche in allmählicher Erweiterung zu einer<lb/> Reform geführt haben. Man muss nämlich in den Erklärungen<lb/> unterscheiden, <hi rendition="#g">warum</hi> eine bestimmte Pflanze an einer bestimmten<lb/> Lokalität <hi rendition="#g">auftritt</hi>, und <hi rendition="#g">mit welchen äusseren und inneren<lb/> Mitteln</hi> sie daselbst ihre <hi rendition="#g">fortdauernde Erhaltung</hi> erzielt.<lb/> Der letzte Teil der geforderten Erklärung ist nämlich wiederum<lb/> biologisch und steht daher in unmittelbarem Zusammenhange mit<lb/> dem zuerst besprochenen Gesichtspunkte: hier ist die Mitwirkung<lb/> von Klima und allen übrigen äusseren Lebensbedingungen selbst-<lb/> verständlich; beispielsweise kann eine auf warme stehende Gewässer<lb/> angewiesene Pflanze auch nur nach ähnlichen warmen Gewässern<lb/> hin sich verbreiten. Aber das Auftreten einer solchen Pflanze hier<lb/> und dort, das Vorhandensein in dem betreffenden Lande überhaupt,<lb/> ist als eine ganz getrennte Frage zu behandeln: die betreffende<lb/> Wasserpflanze kann durch wandernde Vögel mitgeschleppt und von<lb/> einem Teich zum anderen übertragen sein, sie kann hier oder dort<lb/> als Art zuerst auf der Erde entstanden, sie kann als Relikt in<lb/> einem kleinen Tümpel übrig geblieben sein, als derselbe durch<lb/> orographische Umgestaltungen von einem grösseren See, in welchem<lb/> sie allgemein verbreitet war, abgeschnitten wurde. Auf diesem<lb/> Gebiete der Fragestellung herrscht ein anderes Wesen, als auf dem<lb/> biologischen; fremdartige Teile der Naturforschung werden berührt,<lb/> mit Vorsicht und umsichtiger Erwägung ist von den verschie-<lb/> denen Möglichkeiten die wahrscheinlichste zu wählen, durch Zu-<lb/> sammentreffen vieler Wahrscheinlichkeiten sind Erklärungen aufzu-<lb/> stellen, welche der wissenschaftlichen Wahrheit möglichst nahe<lb/> kommen; doch wird immerhin die Hypothese hier, wo auch die<lb/> dunkle erste Entstehung der Arten der Zeit nach in Frage kommt,<lb/> ein freieres Spiel haben. Hier schliesst sich nun die Pflanzen-<lb/> geographie in ihrer ganzen Methode an die <hi rendition="#g">Geologie</hi> an und<lb/> entlehnt ihr auf geographischer Grundlage das Gerüst, mit welchem<lb/> sie ihre einzelnen Glieder aufzubauen gedenkt; und für das, was<lb/> sie der geographischen Geologie, der Entwickelungsgeschichte der<lb/> Oberfläche der Erde in ihrem gegenwärtigen orographischen Auf-<lb/> bau mit seinen alten und jungen Organismen, verdankt, zahlt sie<lb/> derselben Disziplin ihre eigenen Aufschlüsse zurück, welche oft<lb/> sichernd da auftreten, wo die Geologie selbst andere Methoden<lb/> nicht besitzt. Man bedenke, dass man die alten Klimate nach<lb/> den Pflanzenresten beurteilt, welche in den zugehörigen Schichten<lb/> abgelagert sind, von der Voraussetzung ausgehend, dass die klima-<lb/> tische Sphäre bestimmter Sippen des Pflanzenreichs in alter Zeit<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [9/0031]
Anschluss an die Geologie.
Grenzen bestimmt, welche man den Sippenarealen mitten im Lande
gesetzt fand, oder noch besser gesagt: die Zusammenwirkung
zwischen Boden und Klima. In der ersten Periode der Pflanzen-
geographie wurde daher nur die eine Meinung laut, dass das Klima
überall die Veranlassung einer bestimmten Flora gewesen sei, und
zwar dachte man dabei nur an das Klima in seiner gegenwärtigen
Erscheinungsweise auf der Erde. Zwischen 1840 und 1850 jedoch
traten die ersten methodisch wirkungsvollen Verbesserungen dieser
Erklärungsweise ein, welche in allmählicher Erweiterung zu einer
Reform geführt haben. Man muss nämlich in den Erklärungen
unterscheiden, warum eine bestimmte Pflanze an einer bestimmten
Lokalität auftritt, und mit welchen äusseren und inneren
Mitteln sie daselbst ihre fortdauernde Erhaltung erzielt.
Der letzte Teil der geforderten Erklärung ist nämlich wiederum
biologisch und steht daher in unmittelbarem Zusammenhange mit
dem zuerst besprochenen Gesichtspunkte: hier ist die Mitwirkung
von Klima und allen übrigen äusseren Lebensbedingungen selbst-
verständlich; beispielsweise kann eine auf warme stehende Gewässer
angewiesene Pflanze auch nur nach ähnlichen warmen Gewässern
hin sich verbreiten. Aber das Auftreten einer solchen Pflanze hier
und dort, das Vorhandensein in dem betreffenden Lande überhaupt,
ist als eine ganz getrennte Frage zu behandeln: die betreffende
Wasserpflanze kann durch wandernde Vögel mitgeschleppt und von
einem Teich zum anderen übertragen sein, sie kann hier oder dort
als Art zuerst auf der Erde entstanden, sie kann als Relikt in
einem kleinen Tümpel übrig geblieben sein, als derselbe durch
orographische Umgestaltungen von einem grösseren See, in welchem
sie allgemein verbreitet war, abgeschnitten wurde. Auf diesem
Gebiete der Fragestellung herrscht ein anderes Wesen, als auf dem
biologischen; fremdartige Teile der Naturforschung werden berührt,
mit Vorsicht und umsichtiger Erwägung ist von den verschie-
denen Möglichkeiten die wahrscheinlichste zu wählen, durch Zu-
sammentreffen vieler Wahrscheinlichkeiten sind Erklärungen aufzu-
stellen, welche der wissenschaftlichen Wahrheit möglichst nahe
kommen; doch wird immerhin die Hypothese hier, wo auch die
dunkle erste Entstehung der Arten der Zeit nach in Frage kommt,
ein freieres Spiel haben. Hier schliesst sich nun die Pflanzen-
geographie in ihrer ganzen Methode an die Geologie an und
entlehnt ihr auf geographischer Grundlage das Gerüst, mit welchem
sie ihre einzelnen Glieder aufzubauen gedenkt; und für das, was
sie der geographischen Geologie, der Entwickelungsgeschichte der
Oberfläche der Erde in ihrem gegenwärtigen orographischen Auf-
bau mit seinen alten und jungen Organismen, verdankt, zahlt sie
derselben Disziplin ihre eigenen Aufschlüsse zurück, welche oft
sichernd da auftreten, wo die Geologie selbst andere Methoden
nicht besitzt. Man bedenke, dass man die alten Klimate nach
den Pflanzenresten beurteilt, welche in den zugehörigen Schichten
abgelagert sind, von der Voraussetzung ausgehend, dass die klima-
tische Sphäre bestimmter Sippen des Pflanzenreichs in alter Zeit
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |